Er war exaltiert und Superstar, spielte mit Glamour und Dekadenz und war umgeben von Neidern. Die Musikszene, die alpenländisch-österreichische, hatte Falco nicht wirklich lieb. Vielleicht, weil er die Phalanx der Gemütlichkeit gebrochen hat, vielleicht, weil er direkt vom Wiener Underground zur internationalen Persönlichkeit wurde, vielleicht, weil er für Österreich zu modern war und nicht irgendwelchen Trends hinterher lief, sondern selbst Trends setzte und immerhin den Rap in die deutsche Sprache brachte, vielleicht aber auch nur, weil er sich so gar nicht anpassen wollte. Wie auch immer, der Neid unter den Kollegen war da, was sogar in einem Lied festgehalten wurde, also quasi amtlich bestätigt ist: „Mein Haustier ist ein Falke, der hölzelt so vor sich hin/er hört auf den Namen Hansi/heiße Luft ist sein Lebenssinn…“, sang Wilfried im Lied „Der Wiener“, nachzuhören auf dem Album „Sehr sehr arg“ (Bellaphon; 1984). Und dann gibt es natürlich auch noch die nicht minder peinlichen Ansagen aus jenen Jahren im Ö3 – so z.B. einmal, nachdem Falcos „Junge Römer“ über den Äther lief, und der Moderator (wenn ich mich richtig erinnere, sinngemäß) sagte: „Das war Falco, jetzt aber spielen wir ordentliche Musik.“

Filmdenkmal für Falco

Im sehr ambitionierten, wenn auch nur zum Teil geglückten Kinofilm „Falco – Verdammt, wir leben noch!“ von Thomas Roth mit Manuel Rubey als Hauptdarsteller gibt es denn auch passenderweise und sehr treffend einige Szenen bei Ö3, die Peinlichkeit und Inkompetenz des Radiomoderators, dessen Schleimspurfaktor auf der 10-teiligen Schleimskala sich nahe der Zehn befindet, bestens zur Schau stellend. Fehl am Platz hingegen ist die Sex-Szene im Film, da kann die verfilmte Biografie noch so fiktiv angelegt sein. Wenig geglückt ist auch der Einstieg in den Film, der Großteil aber ist jedoch – nach der Gewöhnungsphase an Rubey als Falco – durchaus gelungen und sehenswert. Sehr schön gemacht z.B. die Erschaffung der Kunstfigur Falco. Hans Hölzel sieht im TV den DDR-Schispringer Falko Weißpflog, hört seinen Liebling Oscar Werner, und nimmt Elvis Presley als Größen-Maßstab. Wunderbar auch die Nachempfindung der Video-Clips, sei es jenes von „Junge Römer“, sei es jenes von „Rock Me Amadeus“. Manuel Rubey agiert in allen Phasen des Filmes sehr geschickt – nicht so in der musikalischen Umsetzung. Den Soundtrack getrennt vom Film auf CD zu hören ist ähnlich ambivalent wie jene Versionen von Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon alias Johnny Cash und June Carter Cash auf dem Soundtrack vom Kinofilm „Walk The Line“. Rubeys ehrliche Bemühung und sein reichliches Talent ist zu wenig um an Falco auch nur annähernd heranzukommen, da halfen auch die Original-Produzenten Rob Bolland und Ferdi Bolland nichts. Schade, sich nur filmisch fiktiv an Falco zu nähern, und nicht auch musikalisch.

Falco Symphonic: Ein ganz neues Rock-Erlebnis

Die Originalstimme von Falco gibt es dafür auf der von Thomas Rabitsch in mühevoller Kleinstarbeit zutage geförderten DVD und CD mit dem Titel „Falco Symphonic“. Bietet die DVD den einzigen Live-Auftritt Falcos mit 80 Musiker starkem Orchester, aufgeführt vor mehr als 10.000 Leuten in Wiener Neustadt, bietet die CD Falcos Stimme im Original untermalt mit Orchester. Daran, das Konzert in Bild und Ton professionell aufzunehmen, wurde nicht gedacht, auch weil ja niemand ahnen konnte, dass es ob des überraschenden Todes von Falco bei diesem einen Auftritt bleiben würde. Forensische Recherche war also notwendig und Dank modernster Technik [die beim Album „Caruso Digital“ erstmals angewandt wurde; Anm.] konnte Rabitsch das scheinbar verloren geglaubte wieder sicht- und hörbar machen.

Rabitsch: „Es war eigentlich ein völlig wahnwitziges Unterfangen, geprägt von Etappen-Siegen und Niederlagen, mit Sicherheit die aufwändigste Restauration bzw. Reproduktion eines Live-Mitschnitts, die in unseren Landen je gemacht wurde. Es war angewandte Audio- und Video Forensik.“ Die damalige Band mit den Herren Thomas Lang (Schlagwerk), Bertl Pistracher (Bass), Peter Paul Skrepek (Gitarre) und Bernhard Rabitsch (Trompete, Perkussion, Keyboard) plus das Orchester samt klassischem Chor wurde erneut ins Studio gebeten um synchron zum originalen Live-Mitschnitt die Lieder nachzuspielen. Note für Note. Schlag für Schlag. Und auch bei den Bildaufnahmen musste Thomas Rabitsch [er spielte beim Konzert übrigens das Keyboard und arrangierte gemeinsam mit Peter Paul Skrepek die Lieder; Anm.] „zaubern“ und auf mehr Bildmaterial zurückgreifen als eigentlich vorhanden war, Stichwort Privat-Mitschnitte. Heraus kam jedenfalls so etwas wie ein Wunder, oder, wie Falco an einer Stelle beim Konzert ausrief: „Wunderbar! Ein ganz neues Rock-Erlebnis!“ Wie wahr.

Live-Opulenz und Studio-Langeweile

„Das Donauinselkonzert 1993 und Falco Symphonic 1994 sind Beispiele“, so Peter Paul Skrepek, „was hierzulande möglich ist, wenn alle können wollen dürfen.“ Stimmt, denn egal, ob „Sound of Musik“, „Dance Mephisto“, „Ganz Wien“ oder das mystische „Nachtflug“ – egal, welches der insgesamt 13 dargebotenen Lieder genannt würde, bei diesem Konzert ist Falco dort angekommen, wo er mit seinem Live-Sound hinmusste. In die Opulenz, in die Breitwandgefächerte Struktur zwischen Rock und Klassik, weit entfernt von allen anderen. Abgehoben (ähnlich wie er sich als Kunstfigur zur Schau stellte) und zugleich nah beim Publikum. Diese Nähe sieht man übrigens auch noch an anderer Stelle auf der DVD, nämlich im Bonus-Teil „Die Lesung“. Falco liest Beat und anderes, heißt es im Untertitel, zu sehen und zu hören gibt es eine unglaubliche Vorleseleistung von Falco. Wenn er bei H.C.Artmann und Gerhard Rühm beginnt diese große Dichtkunst fast schon zu singen, dann ist das ganz große Klasse.

Text: Manfred Horak
Dieser Artikel erschien zum ersten Mal am 4. Februar 2018 in der Kulturwoche.

Geschrieben von Manfred Horak