Am Beginn stehen die Frauen und Herren Kunsthistoriker vor dem Gemälde und staunen, was es da alles zu sehen gibt. Das Publikum sieht das Gemälde freilich nicht, kann sich aber gut vorstellen, was es zeigt. Und falls nicht: Vorher und nachher kann sich jeder das Originalgemälde in Ruhe zu Gemüte führen und selbst ähnliche Begrifflichkeiten von sich geben, denn bis heute ist (fast) alles rund ums Gemälde reine Spekulation. Die Rede ist vom weltberühmten Triptychon „Das Jüngste Gericht“ (auch „Wiener Weltgericht“ genannt) von Hieronymus Bosch (um 1450 – 1516) und dem Bühnenstück „Bosch on stage“. Anlass des Stücks ist die Übersiedlung der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien inklusive ihrem Stargemälde von Bosch ins Theatermuseum Wien, und genau dort wird das Stück ja auch (bis in den Februar 2018 hinein) gezeigt. Der Regisseur und Stückeschreiber Jérôme Junod wurde damit beauftragt, sein ursprüngliches Schauspielstück über Boschs anderes Meisterwerk, „Garten der Lüste“, zu „verwienern“. Ein Auftrag, den der sympathische Regisseur freilich gerne annahm.

Transitzone. Kolloquium. Historie.

Heraus kam ein humoristisches Spektakel mit kongenialen Darstellungskünsten des Ensembles. Die Handlung spielt an drei Orten. Die Kunsthistorikerin Caroline (Petra Staduan) bleibt am Flughafen hängen, da alle Flüge nach Wien gestrichen wurden und trifft dort auf weitere Gestrandete, sowie auf das Buffet-Personal. Mit zunehmendem Alkoholkonsum wird anhand eines Bosch-Katalogs über des alten Meisters Figuren gesprochen und – genau – spekuliert. Letzteres passiert auch beim herrlich verblödelten Wiener Bosch Kongress im – richtig – Theatermuseum, während der dritte Schauplatz eine Zeitreise ist und Caroline auf Bosch trifft. Des Autors Phantastereien und sprachliches Feingefühl geben dem Bühnenstück den notwendigen Stoff für beste Unterhaltung. Apropos Stoff: Die historischen Kostüme von Antoaneta Stereva sind von schlichter Prägnanz und ein echter Hingucker, so wie auch die wandelbare Bühne von Lydia Hofmann.

Kauderwelsch und Krebsscherenhand

Hängen bleibt vor allem die sprachliche Brillanz von Martin Schwanda als Kauderwelsch sprechender Tourist und als Wiener Prof. Schluhitschnigg, der seine Englisch-Kenntnisse dringend aufbessern sollte. An des Professors Seite agiert die ausdrucksstarke Petra Staduan als Frau Stukowski mit herrlicher Verschlurftheit und Mimik. Kolloquiumshumoreske auf hohem Niveau. Großartig auch Kirstin Schwab als kränkliche Prof. Mackenbrock und als eine zum Brüllen komische Slashka als Flughafen-Buffet-Hilfskraft. Ihre quasi Chefin ist Margarita (die superb agierende Doina Weber), die zwar die Bohrmaschine von Bosch kennt, nicht aber den Maler Bosch. Und nicht zu vergessen Jens Ole Schmieder in seiner Triple-Funktion als Bettler, Prof. Flambertin und Symon, sowie Roman Blumenschein als aus dem Gemälde entsprungene Reinigungskraft mit Krebsscherenhand.

Der Furz in der Trompete

Horst Schily schließlich schlüpft in die schwierigste Rolle des Stücks und gibt den Hieronymus Bosch. Was hat uns der Alte Meister zu sagen? Auch nicht viel Neues. Schily agiert daher passenderweise etwas zurückhaltend, so wie sich Bosch mit klaren Aussagen zurückhält. Nur den Furz in der Trompete – den Margarita vom Transitzonen-Buffet erkannte und Caroline dem Meister gegenüber erwähnte – deklariert er als solchen mit großer Freude. Unterschiedlichen Sichtweisen und verschiedene Interpretationsmöglichkeiten stellen weiterhin mehr Fragen als Antworten gegeben werden können und das ist gut so. Definitiv ein Höhepunkt des Theaterjahres 2017.

Bosch on stage
Termine: 4. und 11. bis 13. Dezember 2017, 19.00 Uhr und 31. Jänner bis 4. Februar sowie 14. bis 18. Februar, 18 Uhr, 19.00 beziehungswwise 18.00 Uhr
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien zu Gast im Theatermuseum
Palais Lobkowitz, Lobkowitzplatz 2, 1010 Wien
http://boschonstage.at
Kulturwoche Bewertung: @@@@@

Dieser Artikel wurde erstmals am 29. November 2017 in Kulturwoche veröffentlicht.

© Barbara Palffy

Geschrieben von Manfred Horak