Es war ein langes Hin und Her. Nach diversen Vorläuferprojekten, die allesamt scheiterten und massive Einschränkungen hinsichtlich der ursprünglich angepeilten Ausstellungsfläche betreffen, ist Österreich trotz allem um ein Museum reicher: „Haus der Geschichte“ nennt es sich und ist ab 10. November für die Öffentlichkeit zugänglich in der Neuen Burg, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Ephesos-Museum, untergebracht.

Der Eindruck eines eigenen Museums will sich allerdings während des gesamten Rundgangs durch die Eröffnungsausstellung „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ nicht so recht einstellen. Eingebettet in die imperiale Architektur des Gebäudes, haftet dem Eingangsbereich und dem ersten Raum, der der Entstehung der Republik gewidmet ist, etwas Provisorisches an.
Wohlgesinnt könnte man meinen nicht unpassend: wurde der kleine neue Staat doch von vielen als nicht überlebensfähiges Provisorium wahrgenommen. Das Gebilde, das sich 1918 formierte, war bis ins Jahr 1921 – als Burgenland als letztes Bundesland zu Österreich gekommen ist – noch Veränderungen in der Grenzziehung unterworfen.
Neben wertvollen historischen Objekten, wie beispielsweise ein noch nie gezeigter Kalender von Sigmund Freud mit Eintragungen zu den Ereignissen rund um den 12. November sowie zwei historischen Filmen vom Tag der Republikausrufung, können die Besucher bei einigen Stationen selbst Einfluss auf die Gestaltung nehmen. So verdeutlichen einige plakatgroße Tafeln mit unterschiedlichen Regionen, die man in die Hand nehmen kann, wie wenig statisch Grenzziehungen doch sind.

Europa in Bewegung

Ein Gedanke, der im großen zweiten Ausstellungsraum wiederkehrt. Grenzen verändern sich: davon zeugen in Europa im letzten Jahrhundert zahlreiche Konflikte. Von der Nazi-Diktatur, im Zuge der Österreich an Deutschland angeschlossen wurde, über den Kalten Krieg, als Österreich an den Rand rückte und zum Grenzgebiet am Eisernen Vorhang wurde bis hin zum Weg ins Herz der Europäischen Union. Interessant: ein Film, der zeigt wie wichtige Ereignisse in Österreich im Ausland wahrgenommen wurden.

Wie sich die Österreicherinnen und Österreicher selbst als solche definieren davon handelt eine andere Station – eines von sieben Themengebieten, die wie Inseln im zweiten langgestreckten Ausstellungssaal gruppiert wurden. Betont wird hier die Glorifizierung als Wintersportregion. Von den Erfolgen österreichischer Skifahrer zeugt ein Pokal von Skiass Hermann Maier. Ironisch gebrochen wird die hierzulande vielerorts betriebene Inszenierung einer kassenklingelnden Winteridylle durch eine Selfie-Installation, in der Schneekanonen darauf verweisen, dass vieles Schein ist.

Und tatsächlich, nur wenige Meter weiter steht man als Besucher Österreichs größtem Blendwerk gegenüber – die Inszenierung als erstes Opfer des Nationalsozialismus. Objekte aus Konzentrationslagern bezeugen eine Geschichte des Terrors, an dem auch die Österreicher Mitschuld tragen. Eine Schuld, die in der Zweiten Republik nur langsam eingestanden wurde. Quasi als Schandmal ragt übergroß das so genannte Waldheim-Pferd in die Höhe. Ein hölzernes Konstrukt, das im Rahmen der Proteste gegen den damaligen Bundespräsidenten und ehemaliges SA-Mitglied Kurt Waldheim durch die Straßen gezogen wurde. Eine Reihe von Tafeln mit Jahreszahlen der Anerkennung diverser Opfergruppen vom Staat Österreich verdeutlicht zusätzlich wie lange – im Gegensatz zu Deutschland – die Aufarbeitung der Vergangenheit hierzulande dauerte. Kaum zu glauben, homosexuelle Menschen wurden erst 2005 offiziell als Opfergruppe des NS-Regime anerkannt.

Bilder eines ungleichen Jahrhunderts

Dass der Kampf um gleiche Rechte aller Menschen auch heute noch andauert, verdeutlicht ein weiterer Themenbereich. Beeindruckend ist das Kleid von Conchita Wurst, das sie beim Song Contest trug. Eines der letzten Ausstellungsstücke in der chronologisch angeordneten Zeitleisten-Installation, die an der Seitenwand 60 Meter lang durch wichtige Ereignisse der letzten 100 Jahre führt. Von der 68er-Bewegung übers „Häuserlbauen“ – Homevideos können im Internet hochgeladen werden und finden so auch Eingang in die Ausstellung – bis hin zur Formierung der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Allerdings benötigt es etwas Zeit bis man sich in dem regalartigen Ausstellungsdisplay zurechtfindet. Bilder aus dem kollektiven Gedächtnis – Werbeplakate, ORF-Filme und Serien (zu sehen ist beispielsweise der Original-Wurlitzer zu der in den 80er Jahren populären Musiksendung) sowie bekannte Fotografien werden persönlichen Aufnahmen gegenübergestellt. Laut Ausstellungsmacher ein Konzept, das darauf verweisen soll, dass Geschichte vielfältig ist und nicht nur eine Sichtweise zählt.

Das alles und vieles mehr drängt sich auf knapp 750 m² dicht zusammen. Das irritiert und verwirrt zunächst. Hat sich der Wald jedoch einmal gelichtet, gelingt es durchaus das eine oder andere interessante Wissen mit nach Hause zu nehmen. Sehenswerte Objekte findet man zuhauf. Es ist jedoch stark empfohlen eines der vielfältigen Vermittlungsprogramme in Anspruch zu nehmen.

Wechselausstellungen vor dem Altan

So eng die Präsentation in den unteren Räumlichkeiten ausgefallen ist, so weiträumig wirkt im Gegenzug dazu die zeitgleich eröffnete Ausstellung „Nur die Geigen sind geblieben. Alma und Arnold Rosé“ gleich vor dem Altan, jener Balkon auf dem Hitler einst unter dem Gebrüll der Massen seine berühmte Anschluss-Rede gehalten hat. Auf diversen Notenständern können Besucher die Geschichte der Wiener Musiker verfolgen. Während Arnold Rosé 1946 im Exil verstarb leitete seine Tochter den Frauenchor im KZ Auschwitz-Birkenau bevor sie 1944 an einer Vergiftung verstarb. Im Anschluss kann abgestimmt werden, ob der Altan Besuchern und Besucherinnen künftig zugänglich gemacht werden soll.

Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918
10.  November 2018 bis 17.  Mai 2020

Nur die Geigen sind geblieben.
Alma und Arnold Rosé
10.  November 2018 bis 12. Mai 2019

Haus der Geschichte Österreich
Österreichische Nationalbibliothek
Standort: Neue Burg, Heldenplatz, Wien
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 –bis 18 Uhr, Donnerstag 10 –bis 21 Uhr
Eintritt: 8 Euro
Eröffnungswochenende (10. bis 12. November 2018) bei freiem Eintritt!
Tel: +43 153410-805
www.hdgoe.at

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Geschrieben von Sandra Schäfer