Am Anfang steht das Bild, dann noch eines und noch eines. Weibliche Körper gefesselt, in Pose gebracht, zum Objekt verdinglicht. Mit Schleiern bedeckt und in mehrere Schichten Gewand gehüllt. Als Frau lebst du in einer Gesellschaft, in der dein Körper anderen gehört, erklärt eine der Protagonistinnen in „#Female Pleasure“. Ein drastischer Satz – ebenso drastisch wie die Bilder, die die Schweizer Regisseurin Barbara Miller zu Beginn wählt. Drastisch vor allem weil wahr – noch heute sind unzählige Frauen rund um den Erdball abhängig vom Gutdünken ihrer Männer, Väter oder anderer Bevollmächtigten im Patriarchat. Doch es gibt Hoffnung. „Empowerment“ heißt das Stichwort. Selbstbestimmt sein Leben führen – für die fünf Frauen aus fünf unterschiedlichen Teilen der Welt, die Barbara Miller im Film begleitet, ein langer und steiniger Weg. Sie alle haben Unterdrückung erfahren. Was sie jedoch vielmehr eint, ist, dass sie das Schweigen gebrochen und damit den Kampf gegen althergebrachte Traditionen aufgenommen haben. Traditionen, die vor allem Männern zugutekommen. Doch ist es wirklich so einfach?

Verstümmelt, vergewaltigt, verstoßen und verklagt

Dass auch Männer Leidtragende in patriarchalischen Strukturen sein können, daraus macht Barbara Miller irgendwann im Laufe der 97 Film-Minuten keinen Hehl. Viele jedoch hinterfragen verkrustete Strukturen und Traditionen nicht. Zudem befeuern religiöse Radikale seit Jahrhunderten ein System, das auf Ungleichheit basiert und das Frauen zum Sündenbock macht. Schwach, verführerisch und eine Gefahr für den nach Reinheit und Wissen strebenden Geist des Mannes, wurden und werden Frauen dämonisiert. Eine gute Frau ist sittsam. Einer sittsamen Frau wird jegliches sexuelles Lustempfinden abgesprochen. Wie weit das gehen kann, zeigt die in einigen islamischen Ländern und arabischen Staaten praktizierte weibliche Genitalverstümmelung (FGM – Female Genital Mutilation). Über 200 Millionen Mädchen und Frauen leiden heute unter den lebenslangen Folgen dieses brutalen Eingriffs, bei dem man jungen Mädchen Klitoris und Schamlippen entfernt. Leyla Hussein, Psychotherapeutin und Aktivistin, die diesen Eingriff als Kind selbst erleben musste, hat FGM den Kampf angesagt. Weil sie ihrer Tochter dieses Leid ersparen möchte, wird sie auf der Straße bespuckt und angegriffen.

Reaktionen, die auch der in einer orthodoxen jüdischen Gemeinschaft im New Yorker Quartier Williamsburg groß gewordenen Deborah Feldman vertraut sind. Nachdem sie der Gemeinschaft den Rücken gekehrt und ein Buch über ihren Leidensweg verfasst hat, erhielt sie mehrere Morddrohungen.

Ebenso unfassbar wirkt die Geschichte der japanischen Künstlerin Rokudenashiko. In einem Boot, das die Form ihrer Vagina hat, paddelte sie durch einen Fluss in Tokio. Das Ergebnis: der Künstlerin drohen zwei Jahre Haft wegen unzüchtigen Verhaltens, weil sie einen 3D-Scan ihrer Vagina ins Internet gestellt hatte zur künstlerischen Weiterverwendung. Gemeinsam mit der Regisseurin besucht sie ein traditionelles Penisfest. Während Männer und Mädchen an einem Eis am Stil in Form eines Penisses lutschen, wartet Rokudenashiko auf ihr Gerichtsverfahren. Die weibliche Lust ist auch in Japan Tabu. Monatsblutungen sind nach buddhistischer Lehre ein Ausdruck des schlechten Charakters der Frauen und der Sündhaftigkeit des weiblichen Körpers.

Nicht besser schaut es im Christentum aus. In Deutschland drehte Barbara Miller mit Doris Wagner, einer ehemaligen Nonne, die über den von ihr erfahrenen Missbrauch ein Buch geschrieben hat. Als sie den Mut findet, nach regelmäßigen Vergewaltigungen durch einen Priester sich einer vorgesetzten Nonne anzuvertrauen wird sie zur Schuldigen erklärt. Als Töchter Evas gelten Frauen als Verführerinnen. Maria, Jungfrau und Mutter Gottes, ist hingegen ohne Makel – ein nicht zu erreichendes „Ideal“. Doris Wagner beginnt die Rolle der Frau in der christlichen Religion zu hinterfragen.

Globales Problem

In #Female Pleasure geht es laut Regisseurin Barbara Miller jedoch nicht „um die Religionen an und für sich, schon gar nicht um Glaube, sondern um die Jahrtausende alte und leider immer noch brandaktuelle strukturelle Dämonisierung des weiblichen Körpers, über alle religiösen und kulturellen Schranken hinweg. Und die weltweiten Parallelen dabei sind erschreckend“.

Auch in Indien wird über die sexuellen Bedürfnisse von Frauen ein traditioneller Mantel des Schweigens gehüllt. Man nimmt an, dass alle 20 Minuten eine Frau vergewaltigt wird. In der indischen Gesellschaft gilt ein missbrauchtes Mädchen als „entehrt“ und bringt „Schande“ über die Familie. Ein Zustand gegen den Vithika Yadav mit ihrer Sexualaufklärungsplattform „Love Matters“, die mittlerweile mehrere Millionen Followers hat, ankämpft.

Es sind erschreckende Geschichten, die Barbara Miller gesammelt hat. Jedoch findet sich für Zuseher und Zuseherinnen nichts, woran man sich voyeuristisch weiden könnte. #Female Pleasure ist ein Film über ein globales Problem: die Unterdrückung der Frau – intelligent und packend auf die Leinwand gebracht.

#Female Pleasure. Ein Film von Barbara Miller. Mit Deborah Feldman, Leyla Hussein, Rokudenashiko, Doris Wagner und Vithika Yadav. Schweiz/Deutschland 2018. 97 Minuten

Kinostart: 16. November 2018

 

© Filmladen Filmverleih

Geschrieben von Sandra Schäfer