Von der „Reichsgemütssirene“ über „Durchhaltesängerin“ bis hin zur „Schoßhündin der Nazis“ – die schwedische Sängerin und Schauspielerin Zarah Leander wurde mit vielen Zuschreibungen bedacht. Als „Kultobjekt der Propaganda“ hat sie sich mit ihrer rauchigen, sinnlichen Stimme in der NS-Zeit in die Herzen von Millionen Deutschen gesungen – sie selbst hatte sich nach dem Krieg als „politische Idiotin“ bezeichnet – auf der Bühne stand sie trotz ihrer Weigerung sich zu entschuldigen bis ins hohe Alter.

Aktuell gastiert die „unvergessliche Diva“ im Wiener „Off Theater“. Wenn auch nicht in Fleisch und Blut, so doch zumindest im Geiste. Ein betont unkritischer Geist. So lautet zumindest die Erkenntnis, die man als Zuseher/in nach zwei durchwegs gelungenen Stunden mit nach Hause nimmt – die Karriere schien ihr wichtiger.

Spiel mit verschiedenen (Zeit)ebenen

Dass sowohl Franzobel, der im Auftrag des Vorarlberger Landestheater Bregenz 2014 die Vorlage für die Inszenierung lieferte, als auch Regisseur Ernst Kurt Weigel, der sie aktuell für die Bühne des Off Theaters bearbeitet hat, einen derart unpolitischen Karrierismus kritisch betrachten, daran besteht, wer die Stücke der beiden kennt, kein Zweifel. Statt jedoch zu offenkundig mit dem erhobenen Zeigefinger vor dem Publikum zu wedeln, geht man das Thema auf verspieltere Weise an, indem man es in mehreren Ebenen verschachtelt zur Diskussion stellt. Diskutiert wird auf der Bühne zwischen Schauspielerin und Regisseur (Ernst Kurt Weigel, der gemeinsam mit Tamara Stern sowohl als Regisseur für das Stück verantwortlich zeichnet, wie auch als Schauspieler-Regisseur auf der Bühne agiert). Beide wollen ein Stück über Zarah Leander auf die Beine stellen. Mit der geplanten Inszenierung landen sie jedoch unweigerlich bei der Fragestellung, ob man als Künstler oder Künstlerin jegliche politische Verantwortung ausblenden und sich vor den Karren eines unmenschlichen Regimes spannen lassen darf? Was folgt, ist ein Schlagabtausch zwischen der engagierten Schauspielerin, die die Leander verkörpern soll, und ihrem auf den ersten Blick mehr an unkritischer Unterhaltung interessierten Regisseur. Dieser schlüpft in weiterer Folge in der Rolle des Lazarus Modriach (auch Zarahs Gewissen), der Zarah Leander – wie im Franzobel-Stück beschrieben – in verschiedenen Phasen ihres Lebens trifft.

Von „Reite, kleiner Reiter“ bis „Schatten der Vergangenheit“

Als Schauspielerin und gleichzeitig in der Rolle der Zarah Leander spielt Tamara Stern, die die Diva nicht nur vom aufsteigenden Stern im Theater an der Wien bis hin ins Greisenalter mimt, sondern auch mit einer handvoll weiteren Rollen aufwartet. Egal ob sie die Schwester ihres ersten Mannes Nils Leander (mangels weiterer Darsteller von einer Flasche Absolut Wodka verkörpert) gibt oder als homosexueller Songschreiber Bruno Balz mit Berliner Schnauze redet, es ist eine Freude ihr beim Spielen zuzusehen. Gekonnt ist auch ihre Darbietung diverser Leander-Hits – von „Reite, kleiner Reiter“ bis „Schatten der Vergangenheit“ unter der musikalischen Leitung von Titus Vadon. Die Songs wurden – wenig verwunderlich – perfekt in die Handlung integriert. So zählt es dann auch zu den stärksten Momenten des Abends, wenn Stern Leanders von Balz geschriebenen Gassenhauer „Davon geht die Welt nicht unter“ singt und Weigel währenddessen die Hakenkreuzfahne (in Türkis mit karierter Tischdeckenoptik) hisst. Aber auch „Er heißt Waldemar“ wird man nach einem Besuch im Off Theater vermutlich in neuem Licht sehen beziehungsweise mit neuer Konnotation versehen hören. Alles in allem ein unterhaltsamer Abend, der auf so manchen braunen Dreck, „der hinter jeder Tür herausfällt“, verweist und dementsprechend, auch humorvoll, mit dem einen oder anderen Gegenwartsbezug aufwartet.

ICH ZARAH
oder: Das wilde Fleisch der letzten Diva
Ein musikalischer Theater-Dialog von Franzobel
Weitere Termine: 3. bis 5. Mai 2018, 20:00 Uhr
DAS OFF THEATER
Kirchengasse 41, 1070 Wien
Karten: karten@off-theater.at oder +43 676 360 6206
www.off-theater.at

© Fotos: Walter Mussil und Barbara Pálffy

Geschrieben von Sandra Schäfer