Hollywoodstars tun es, Kinder tun es und selbst Götter wie allen voran Shiva haben es im Laufe der Geschichte(n) getan. Tanzen ist eine der ältesten Ausdrucksformen der Menschheit. Seine Erscheinungsformen haben sich unzählige Male im Laufe der Geschichte geändert, sind von Kulturkreis zu Kulturkreis verschieden und lassen sich doch zu unzähligen neuen Choreografien des Staunens verbinden. Ein Veranstaltungsreigen, der unzählige dieser Ausdrucksformen seit über 30 Jahren in einem Feuerwerk der Kreativität vereint, ist das Wiener Impulstanz-Festival. Von 13. Juli bis 13. August können tanzbegeisterte Besucherinnen und Besucher auch heuer wieder den Ideenreichtum und die Ausdruckskraft nationaler und internationaler Stars der Tanz- und Performanceszene in diversen Theatern der Stadt auf sich wirken lassen und/oder selbst das Tanzbein schwingen.

Eingeladen sich selbst auf der Tanzfläche zu versuchen sind Anfängerinnen und Anfänger ebenso wie internationale Tanzprofis, die bei Wettbewerben und Residency Programmen ihre Techniken verbessern können. Getanzt wird im Arsenal, eine ehemalige Kaserne der K. & K. Monarchie, genauer: in den Schlossereien und Malerateliers der Bundestheater-Werkstätten (art for art), die mit Tanzböden ausgestattet werden. Sitzmöbel, Kübelpflanzen und ein kleiner Pool im Freien sorgen für Entspannung nach anstrengenden Trainingsstunden für die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer aus aller Welt. Aber auch wer in dem mit über 250  Kursen umfangreichen Programm nicht fündig geworden ist, kann hier chillen und sich mit den Teilnehmern austauschen. Diese haben heuer erneut die Wahl vom trendigen Parkour und Freerunning Workshop über Flexing und Yoga Ballett bis hin zum Voguing mit Madonnas Tanzlehrer Archie Burnett. Ebenfalls im Programm sind erneut spezielle Kurse für ältere Semester und Kinder sowie für Personen mit besonderen Bedürfnissen.

Jan Fabre Schwerpunkt

Ein Highlight bildet dieses Jahr mit Sicherheit die Klasse „From Act to Acting. Richtlinien für Performer_innen im 21. Jahrhundert“ von Jan Fabre. Dem belgischen Starkünstler wurde zudem beim diesjährigen Festival ein Schwerpunkt gewidmet. So eröffnet das Impulstanz-Festival 2017 mit seiner Performance „I am a Mistake“ im Leopold Museum. Passend dazu zeigt das Leopold Museum noch bis 27. August die Ausstellung „Jan Fabre. Stigmata“ – eine gelungene Schau, die mit Videodokumentationen, Tagebucheintragungen, Objekten und Kostümen des Künstlers einen Einblick in dessen 40jähriges performatives Schaffen gibt. Ebenfalls in die Schau Eingang fand die Videoreihe „Doctor Fabre will cure you“ des avantgardistischen Filmemachers Pierre Coulibeuf. Fabre höchst persönlich erleben können Fans und Interessierte noch einmal im Rahmen des Festivals bei der Uraufführung seines Stückes „Belgian Rules/Belgium Rules“ ab 18. Juli im Volkstheater.

Umfangreiches Performance-Programm in Wiens Museen

Bevor man allerdings sofort zur prestigeträchtigen Eröffnung eilt, sollte man überlegen auch den anderen Performances im Leopold Museum eine Chance zu geben. Denn diese klingen heuer vielversprechend: Auf dem Spielplan lassen sich u.a. beispielsweise der Zyklus zum „Lemonism“ – eine Auseinandersetzung zwischen Körper und Zitrone – von Akemi Takeya (sowohl im Leopold Museum als auch im Odeon Theater) sowie die mit Folien, Tunneln und Säcken aufwartende Aufführung „Loss“ ausfindig machen. Das Stück unter Beteiligung des bildenden Künstlers Alfredo Barsuglia lässt die Tänzer Oleg Soulimenko und Jasmin Hoffer zu temporären Skulpturen werden. Interessant dürfte auch die Performance von Gaetan Rusquet über „das Eingehülltsein in Gemeinschaften und Technologien“ werden. Das Stück ist Teil der Impulstanz-Festival-Reihe „[8:tension|] Young Choreographers Series“, die jedes Jahr neue ungewöhnliche Positionen vorstellt.

Ungewöhnliches verspricht auch die Marathon-Aufführung von Ivo Dimchev. Der bulgarische Tausendsassa wird in den Hofstallungen des Museumsquartiers an sechs Tagen täglich acht Sunden live Konzerte geben, Musikvideos drehen, Texte schreiben und Bilder malen – ein interdisziplinäres Kunstwerk, das von Tag zu Tag anwächst.

Keiner Vorstellung mehr – zumindest hierzulande – bedarf die Choreografin und Tänzerin Doris Uhlich. Sie zeichnet heuer für eine Aufführung an der Außenwand der Secession verantwortlich. Ebenfalls erneut beim Festival zu Gast sind Philipp Gehmacher und Christine Gaigg, die neben Peter Pleyer im mumok (Museum für Moderne Kunst) mit diversen Werken der Ausstellung in einen Dialog treten werden. Zudem lädt das mumok mit einer Filmreihe dazu ein sich Klassiker aus der Welt des Tanzes noch einmal vor Augen zu führen. Im Programm ist auch „Rosas danst Rosas“ von Thierry De Mey, der sich der Kompanie der berühmten Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker widmet. Die belgische Künstlerin wird auch dieses Jahr erneut mit Projekten beim Festival zu Gast sein.

Festivalklassiker und Uraufführungen

Um einen Festival-Bekannten handelt es sich auch bei Dada Masilo, der mit seiner Dance Factory aus Südafrika erneut nach Wien reist. Im Gepäck hat er sowohl sein aktuelles Stück „Giselle“ als auch den bereits beim Festival gezeigten „Swan Lake“. Beide Stücke gehen im Volkstheater über die Bühne. Das Theater dient zudem als Aufführungsort von Wim VandEkeybus „Mockumentary of a Contemporary Saviour“ – ein Science-Fiction-Stück in Form einer fiktiven Dokumentation über die letzten Überlebenden des Planeten – sowie Simon Mayers „Sons of Sissy“ in einer Fassung für Sehbehinderte. Mayers Festivalerfolg, seinem international bejubelten, herzerwärmend humorvollen Performance-Konzert zur österreichischen Volkskultur „SunBengSitting“, wird heuer erneut im Kasino am Schwarzenbergplatz aufgeführt.

Im benachbarten Akademietheater gastiert mit dem Possenspiel „Gustavia“ von Mathilde Monnier und La Ribot, ein weiterer Festivalklassiker in Wien. Ebenfalls hier über die Bühne gehen Raimund Hoghes neues Stück „Valse“ sowie Michael Laubs Auseinandersetzung mit Goethes „Faust“ und Rainer Werner Fassbinders Film „Warnung vor einer heiligen Nutte“ aus dem Jahr 1971. Eine interessante Mischung, dargeboten von einem 17-köpfigen Ensemble. Als „bestechender kultureller Drahtseilakt“ wird auch die Aufführung von „DFS“ von Cecilia Bengolea und Francois Chaignaud angekündigt. Hier treffen jamaikanische Dancehall auf europäisches Ballett – eine jener Mischungen, die dieses Jahr erneut die ungeheure Vielfältigkeit des Tanzes widerspiegeln.

Impulstanz
Vienna International Dance Festival
13. Juli bis 13. August 2017
an diversen Orten in Wien
www.impulstanz.com

Jan Fabre
STIGMATA. Actions & Performances 1976-2016
07. Juli bis 27. August 2017
Leopold Museum
MuseumsQuartier Wien
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00 – 18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr
www.leopoldmuseum.org/de

Geschrieben von Sandra Schäfer