Die Filme des amerikanischen Filmemachers Jim Jarmusch sind bekannt dafür, dass sie eher sanft dahinplätschern als lautstark rauschen. Das trifft in besonderem Maß auf seinen letzten Film zu. In „Paterson“ hat der Star des amerikanischen Autorenfilms die Handlung auf ein Minimum reduziert. Schon der Name des Films ist schlicht. Wie so viele Dinge bei Jarmusch allerdings auffällig doppeldeutig. Paterson (perfekt besetzt: Adam Driver) trägt den gleichen Namen wie die Stadt, durch dessen Straßen er die Menschen als Busfahrer täglich fährt. Nach vollbrachter Arbeit kehrt Paterson heim, isst mit seiner Lebensgefährtin (entzückend: Golshifteh Farahani) zu Abend, geht mit dem eifersüchtigen Hund Gassi und trinkt ein Bier in einer Bar. Oftmals sitzt er einfach nur auf dem Sofa.

Das klingt wenig aufregend und ist doch schön anzusehen, denn Paterson ist ein Film über Liebe und die Kraft der Kreativität. Wann immer es geht notiert der junge Mann Zeilen in einem schwarzen Notizbuch, die sich langsam zu Gedichten formen. Die Poesie lauert an allen Ecken und Enden: Sie findet sich in den Gedichtbänden des großen amerikanischen Dichters William Carlos Williams, der seiner Heimatstadt Paterson ein fünfbändiges Werk widmete, ebenso wie zwischen den Seiten des ebenfalls im Paterson geborenen Allen Ginsbergs. Sie fällt geradezu aus einem Wasserfall, an dem Paterson in der Mittagspause seinen Lunch einnimmt, wie aus den Streichholzschachteln, die er und seine Lebensgefährtin Laura kaufen. Und manchmal sprudelt sie auch aus dem Mund eines kleinen Mädchens.

Kleine Inseln der Weisheiten

Paterson dichtet zwar, aber er ist kein berühmter Dichter, sein Leben und sein Werk werden vermutlich nie Bestsellerlisten anführen. Wenn es allerdings etwas gibt, das uns Jim Jarmusch lehrt, dann ist das, dass kleine Dinge oft wichtiger sind und dass in einem Satz eines Barkeepers letztendlich genauso viel oder vielleicht sogar mehr Weisheit stecken kann als in einem ganzen Buch. „Ich bekomme heute wieder den Hintern versohlt. Gegen wen spielst du? Gegen mich selbst“, lautet ein Dialog an der Bar. Wenn man davon nichts lernen kann? Vorausgesetzt man bleibt aufmerksam. Es heißt, die kleinen Weisheiten und Freuden zu entdecken. Sie ragen wie Inseln aus dem Strom der täglichen Routine. Und selbst aus dieser Alltäglichkeit der Routine kitzelt Jarmusch noch die Schönheit des Augenblicks heraus. Als ZuseherIn spürt man regelrecht die Liebe, wenn Paterson und Laura sich Morgen für Morgen voneinander verabschieden, um später am Abend erneut zusammen zu kommen, gemeinsam zu essen und die Geschehnisse des Tages besprechen.

In Patersons Abwesenheit gestaltet Laura die Wohnung um, färbt ihre Klamotten, bäckt Muffins oder träumt von einer Karriere als Country-Sängerin. Respekt und gegenseitige Unterstützung scheinen unerlässliche Bestandteile ihrer – und letztendlich wohl generell einer Liebe. Und so hat Jarmusch letztendlich nicht nur einen Film über die Poesie, sondern auch über die Liebe geschaffen, eine Liebe die ohne jegliche überzeichnete Tragik und Schmalz daherkommt. Einfach nur schön.

Paterson. Ein Film von Jim Jarmusch. Mit Adam Driver, Golshifteh Farahani. USA 2016. 113 Minuten.

Kinostart: 18. November 2016

Geschrieben von Sandra Schäfer