Worte, die wie Wurfgeschosse auf die Zuseher abgefeuert werden, Bilder von überwältigender Ästhetik und Schauspielerin Cate Blanchett als Chamäleon zu einem Dutzend unterschiedlicher Personen ausstaffiert. So könnte die Kurzfassung zu „Manifesto“ lauten: Julian Rosefeldts Arbeit fürs Kino ist ein Film, der – wie die meisten Werke des Berliner Künstlers – eigentlich eine Filminstallation ist. Trotz allem auch in chronologischer Reihenfolge – statt in sich gegenüberliegenden Bildschirmen (ursprünglich fürs Museum konzipiert) – gelingt es in 95 Minuten eine anhaltende Sogwirkung zu erzeugen.
Rund 60 Manifeste hat Rosefeldt in dieser Zeit in zwölf Episoden ineinander verschränkt: Vom Marxismus über Dada und Fluxus bis hin zu den Statements aktueller Starregisseure wie Jim Jarmusch und Wim Wenders. Dass dieses Gemisch aus Erklärungen und Absichten, Abgesängen und Kampfansagen nicht zum langweiligen intellektuellen Wortbrei verkommt, ist neben den ausdrucksstark in Szene gesetzten Drehorten (gedreht wurde unter anderem im so genannten Mäusebunker der Charité und der verfallenen Abhörstation auf dem Teufelsberg) einer grandiosen Cate Blanchett zu verdanken. Die zweifach mit dem Oscar prämierte Schauspielerin mimt von der eleganten Karrierefrau bis hin zur Punkrockerin und zum männlichen Obdachlosen die unterschiedlichsten Rollen.

Historisches zeitlos

Ebenso gegensätzlich wie die Typen, die sie verkörpert, sind die Manifeste, die sie dabei proklamiert. Auffallend erschreckend ist (leider erneut) wie aktuell die meisten dieser historischen Dokumente auch heute noch sind. Gerade die Zeilen der futuristischen Manifeste („Macht Platz für die Jugend, für Gewalt, für Kühnheit!“ oder „Der Schmerz eines Menschen ist für uns genauso interessant wie der einer Glühbirne“) lassen, gepaart mit dem kalten unpersönlichen Setting der Berliner Börse, Gänsehaut über den Rücken laufen. „Auch das 1932 veröffentlichte “Draft Manifesto” des John Reed Club of New York zum Beispiel, in dem beschrieben wird wie eine kapitalistische Weltordnung aus den Fugen gerät, liest sich heute noch als wäre es gerade erst veröffentlicht worden“, zieht Rosefeldt Parallelen.

Nicht immer passen Text und Situation jedoch derart brutal wie die Faust aufs Auge. Ironisch nimmt sich beispielsweise jene Episode aus, in der Rosefeldt Blanchett als konservative Mutter Manifeste der Pop Art in Form eines Tischgebets vortragen lässt. Das Manifest als Ausdruck einer (Kunst)Revolution („Ich bin für eine Kunst, die politisch-erotisch-mystisch ist, die etwas anderes tut, als in einem Museum auf ihrem Arsch zu sitzen„) plaziert im Alltag des Spießertums. Deutlich wird, dass, auch wenn vieles betont getragen oder gar aggressiv daherkommt, nicht alles immer bierernst zu nehmen ist.

In erster Linie ist „Manifesto“ eine Literaturverfilmung. Manifeste „als Ausdruck einer widerspenstigen Jugend, und dann als Literatur, als Poesie – sozusagen als eine Art “Sturm und Drang Remastered“, erläutert Rosefeldt sein Werk. Mit Kunst die Welt zu verändern erweist sich dabei nicht zuletzt als Illusion. Im Fall von „Manifesto“ – treu den Quellen – eine wortgewaltige, vor kreativen Funken sprühende. Ein Film zum mehrmaligen Ansehen, der Lust macht sich das eine oder andere Dokument nochmals genauer zur Brust zu nehmen. Und auch wenn Rosefeldt die unterschiedlichen Erklärungen durcheinanderwürfelt, so scheint am Ende doch auch eine Botschaft dahinter zu stehen. Manifesto „als dringend nötiger Weckruf zu handeln“, in einer Welt, in der „neonationalistische, rassistische und populistische Tendenzen in der Politik und den Medien“ erneut die Demokratie bedrohen, heißt es von Seiten des Künstlers. Ein Manifest für die Form des Manifests versteckt in sechs dutzend Manifesten. Laut, ästhetisch und dabei verdammt cool.

Manifesto. Ein Film von Julian Rosefeldt. Mit Cate Blanchett. Deutschland. Englisch. 2017. 95 Minuten.

Kinostart: 8. Februar 2017

© Fotos: Filmladen Filmverleih

Geschrieben von Sandra Schäfer