Gold, God und Glory – unter diesen Stichworten stellen die Festwochen ihr diesjähriges Ausstellungsformat. Gemeinsam mit dem Publikum will man sich auf die Suche nach verlorenem Wissen, vergessenen Träumen, Unterdrückung, Traumata und Widerstand begeben und dabei ein erhellendes Licht auf die menschliche Erfindung des Kolonialismus werfen. Ausgewählt wurden dafür sechzehn Positionen, die sowohl im Leopold Museum als in der eigens für die Festwochen adaptierten ÖBB-Halle in der Nähe des Hauptbahnhofs noch bis 18. Juni zu sehen sind.

Letztere erweist sich dabei als perfekte Location. Tatsächlich hat man ein bisschen das Gefühl als überkomme einem ein Hauch von Biennale di Venezia-Feeling in der ehemaligen Ziegelhalle der ÖBB. Und wenn man überlegt, so lassen sich tatsächlich (auch wenn das vielleicht für einige vermessen klingen mag) einige Gemeinsamkeiten mit der großen Hauptpräsentation in Venedig – die sich heuer im Arsenale der Kraft der Kunst annimmt – feststellen. Auch in der kleinen Präsentation in Wien stammen viele der Künstler aus Afrika sowie Mittel- und Zentralamerika und dürften (trotz mehrfacher Auszeichnungen mancher Vertreter) dem Großteil der Besucher eher unbekannt sein. In beiden Ausstellungen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, geht es letztendlich um die Vielfalt und um das Entdecken neuer (kultureller und menschlicher) Perspektiven, um Geschichten und Geschichtskorrekturen aus uns (Mitteleuropäern) fremden Kulturen mit den Mitteln der Kunst. Eine Kunst, die hier wie dort bemüht ist, die Mittel der Natur miteinzubeziehen. Denn Kolonialismus (auch in Venedig wurde eine eigene Ausstellungssektion der Erde und ihrer Umwandlung, auch im Hinblick auf den Kolonialismus, gewidmet) bedeutet letztendlich nicht nur die Zerstörung menschlicher Gemeinschaften, sondern auch die Aneignung der Natur und ihrer Ressourcen. Ein globales Problem, das nach neuen Lösungsansätzen verlangt.

Auf Erkundung im Performeum

Leider hat man mit dem Thema der Festwochen-Ausstellung in eine offene Wunde geschlagen. Denn aktuell scheint es eher als zögen viele – man denke nicht zuletzt an die Abkehr von jeglicher Klimapolitik eines gewissen Herrn in Übersee – die Beschreitung alter Wege vor. Die Festwochen liefern diesbezüglich nicht nur Geschichtsunterricht was passiert, wenn Menschen sich über andere Menschen hinwegsetzen, sondern laden diesbezüglich auch zur Verschnaufpause ein. So kann es sich wer auf der Suche nach einem Meditationsraum ist vorübergehend in der Installation des australischen Künstlers Daniel Lie bequem machen. Mit „Death Center for Living“ zieht ein Stück Natur in die einstigen Fabrikhallen. Schamanismus und Gemeinschaft – hier wie dort. Während es in Venedig jedoch an die 130 Künstler sind, die ausstellen, sieht man sich in Wien gerade einmal mit 16 Positionen konfrontiert. Das klingt wenig, allerdings sind viele der Arbeiten äußerst komplex und laden zum Verweilen ein.

Besonders gemütlich lässt es sich als Besucherin oder Besucher zum Beispiel in der Installation des Venezolaners Marco Montiel-Soto einrichten, die in einem Seitenraum der Fabrikhalle zu finden ist. In der begehbaren Installation, die an die Pfahlbauten rund um den Maracaibo-See in Venezuela erinnert, können es sich die Besucher, nachdem sie eine Wasserbarriere überwunden haben, auf Bänken bequem machen und auf drei unterschiedlichen Leinwänden das Leben am Fluss beobachten. Ein kleines Detail am Rande; Christoph Columbus soll diese Gegend übrigens mit Venedig verglichen haben.

An das traditionelle Bauwerk einer Toguna (einer Palaverhütte, wie das Gebäude im Ausstellungsfolder übersetzt wird, in der sich die Weisen des Dorfes zum Gespräch treffen) erinnert hingegen die Installation von Pascale Marthine Tayou.

Wenige Meter daneben verweist die begehbare Arbeit von Dineo Seshee Bobape auf die Tatsache, dass die afrikanischen Völker sich entgegen der Meinung vieler nicht ohne Kampf den Kolonialherren beugten. Mit „… struggle of memory against forgetting“ schafft der Künstler ein Archiv des Widerstandes. Während die Besucher sich über diverse kämpferische Aktivitäten informieren, werden sie vom Gesang des Quetzal, des Vogel der Freiheit, und dem Geräusch eines Gewässers begleitet. Fehlt nur mehr die Filminstallation von Melanie Bonajo, die sich mit Naturdokumentationen und Youtupe-Clips mit unserem Umgang mit der uns umgebenden Fauna auseinandersetzt, und der Ausstellungsparcour im so genannten Performeum neigt sich seinem Ende zu.

Gelungene Kooperation – die Festwochen zu Gast im Leopold Museum

Allerdings hat auch das Leopold Museum viele interessante Positionen zu bieten. Allen voran gleich im Eingangsbereich. Wo die Installation „Black Diamond“ von Ahmet Ögüt sofort neugierige Blicke auf sich zieht. Die Besucherinnen und Besucher werden eingeladen in einem Kohlehaufen nach einem Kunstwerk zu suchen, das sie im Anschluss gegen einen Diamanten eintauschen können. Vergebene Mühe im Übrigen, denn so viel sei verraten, der Schatz wurde bereits am ersten Tag der Ausstellung gefunden.

Dafür haben die anderen Werke nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Viron Erol Vert erinnert mit seiner Installation „Von Teil und Leib“ an den Sehnsuchtsort Mittelmeerraum, der in der Geschichte sowohl für Handel und Austausch von Waren steht, als auch in unseren Tagen im Hinblick auf Migration und Flucht als tödliche Barriere aus Wasser in den Fokus geraten ist. Interessant ist auch die Werkgruppe von Ines Doujak, die sich in ihren Collagen (ein Zusammenschnitt aus Lehrtafeln und einem Atlas für die medizinische Ausbildung) sowohl auf die im 19. Jahrhundert einsetzende Klassifizierung des Körpers als auch auf die damit einhergehenden Unterdrückungsmechanismen bezieht. Eine Pause einlegen lässt sich gut in der Wohnzimmer-Atmosphäre der Installation „The Night Readers“. Doch die Idylle trügt, was hier auf den Monitoren und Dokumenten an den Wänden verhandelt wird, ist nichts anderes als das Thema der Vertreibung.

The Conundrum of Imagination
Noch bis 18. Juni 2017

Leopold Museum
Museumsplatz 1
1070 Wien

Performeum
Laxenburger Straße 2a
1100 Wien

www.festwochen.at

Geschrieben von Sandra Schäfer