Langsam werden die Nächte wieder länger und der Herbst nähert sich mit unaufhaltsamen Schritten. Für viele ein Grund erneut der Lust am Unheimlichen zu frönen. Längst hat sich Halloween auch in unseren Breiten eine große Fangemeinde erobert. Vom Ghost Run im Wiener Prater über ein Special Dinner in den mittelalterlichen Kasematten des Palais Coburg (inklusive Grusel-Soundtrack und letztem Gruß aus der Küche) bis hin zum Scary-Fest in der Ottakringer Brauerei und einem Hexentreffen im WUK – die Geisterstund’ hat auch dieses Jahr wieder für viele Gold im Mund.

Doch kaum, dass die partytauglichen Schreckgestalten der Halloween-Nacht verschwunden sind, heißt es sich dem Tod auf dem Friedhof zu stellen. In Wien ist es Tradition den Verstorbenen zu Allerheiligen und Allerseelen am 1. und 2. November einen Besuch abzustatten und an deren Grab ein Licht anzuzünden.

Wo die Bestattung ein Museum hat

Wer dieses Licht auf dem Zentralfriedhof anzündet, kann seinen Aufenthalt mit einem Besuch im Bestattungsmuseum verbinden. An morbidem Charme mangelt es dem Museum freilich nicht. Von nobler Grabsteinoptik gesäumt heißt es unter der historischen Aufbahrungshalle ins 500 m2 große Museumsareal hinab ins Totenreich zu steigen. Besonders schaurig sind vor allem die „Post-mortem“-Fotografien. Ein Brauch, bei dem die  Verstorbenen in ihren besten Anzügen zum Fotografen gekarrt und für die „lebensnahe“ Aufnahme am Sessel festgezurrt wurden, der im Wien vor allem im Fin de Siècle Tradition hatte und der im Volksmund zum Ausspruch von der „der schönen Leich“ führte. Ebenfalls hier zu sehen, ist ein so genannter Rettungswecker – ein dem Toten um die Hand gebundenes Seil, das den Verstorbenen während der Aufbahrung mit einer Glocke verband – der für irrtümlich lebendig Begrabene dazu diente um Hilfe zu rufen. Tatsächlich nimmt man heute an, dass aufgrund mangelnder Mittel zur Feststellung des Todes rund einmal im Monat in Wien jemandem dieses Schicksal widerfuhr.

Stadterkundung mit Gruselfaktor

In der Häufigkeit des Lebendig-Begraben-Werdens sieht Fremdenführerin Barbara Wolflingseder einen Grund, warum es so viele Geistergeschichten gibt, die in Zusammenhang mit dem Friedhof stehen. „Anstatt den Unglücklichen zu Hilfe zu eilen, die da unter der Erde laut um Hilfe schrien, hat man sich lieber bekreuzigt und ist davongerannt“, so die Wien-Kennerin. Wolfingseder ist in ihrer Tätigkeit als Fremdenführerin und Buchautorin („Dunkle Geschichten aus dem Alten Wien“) Expertin für frivole und makabre Geschichten. Bei ihren Touren erzählt sie von Geistern – zum Beispiel vom Leibjäger Max, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem Palais in der Herrengasse sein Unwesen getrieben haben soll – bis hin zu Adeligen wie Johann von Habsburg, dem der rettende Einlass ins Kloster versperrt wurde und der laut Sage angeblich vom Teufel in die Halsschlagader gebissen worden sein soll und so zum ersten Vampier wurde.

Von Gruft zu Gruft

Nicht die einzige Sage, in der der Teufel Wien einen Besuch abgestattet haben soll. Auch um Wiens Wahrzeichen, dem Stephansdom, ranken sich mehrere Sagen, bei denen der Beelzebub  seine Hand im Spiel gehabt haben soll. Gruseliges findet sich von den Aufzeichnungen von Adalbert Stifter, der der Gruft einst einen Besuch abstattete bis hin zur Sage des Teufels der Kegel spielt. So sollen noch heute in einem Raum immer wieder Kegelgeräusche zu hören sein.

Doch nicht nur der Stephansdom bietet Stoff für Gruselgeschichten. Auch der Besuch der Michaeler- oder Kapuzinergruft gewährt eine Vorschau ins Totenreich. So finden sich in der Michaelergruft eine Gruppe von Mumien, die aufgrund des Klimas über die Jahre (teils mit Hand- und Stöckelschuhe) konserviert wurden.

Nichts für schwache Nerven im Kriminalmuseum

Ein mumifizierter Kopf eines Hingerichteten ist auch heute noch im Kriminalmuseum Wien untergebracht. Auf rund 600 m2 führt das Museum in eine Zeit als Mord und Folter noch für Partystimmung sorgten. Der Eintritt in das Museum erfolgt kurz und schmerzlos. Zwei Eigenschaften, die auf das Rechtssystem im alten Wien alles andere als zutreffend erscheinen. So war es im Mittelalter üblich, vermeintliche Straftäter in einen beengenden Käfig – den so genannten Narrenkötter – zu setzen und sie stundenlang der Schmach durch die Bevölkerung auszusetzen. Beim Volk ebenso beliebt waren öffentliche Hinrichtungen, die damals u.a. mit der Hammerguillotine – ein Fallbeil, das lediglich die Halswirbel durchtrennte, aber den Kopf am Körper ließ – durchgeführt wurden. Ein Original-Gerät befindet sich im Museum.
Ein Apparat, mit dem Elisabeth Plainacher – die einzige in Wien zum Tode verurteilte Hexe – jedoch nie in Berührung kam. Die 70jährige Frau, die von der Justiz aufgrund der epileptischen Anfälle ihrer Enkelin als Hexe „enttarnt“ wurde, wurde nach tagelanger Folter dem Scheiterhaufen übergeben. Tausende von Schaulustigen haben damals dem Spektakel beigewohnt.
Die Spur von Mord und Totschlag zieht sich weiter vom Mittelalter über den Mord am damaligen Kriegsminister Latour (1848), der im Zuge der Revolution an einer Laterne gehängt wurde, bis hin zum so genannten Dienstmädchenmörder Hugo Schenk (1880) und zum Mord am Wiener Stadtrat Heinz Nittel (1981). Und so muss man nach Ende des Rundgangs leider wieder einmal erkennen: Die Realität schreibt leider oft die schrecklichsten Geschichten.
Wem ein Besuch im Museum nicht zuletzt deshalb zu nervenaufreibend ist, dem empfiehlt sich eine Fahrt mit der Geisterbahn im Wiener Prater. Hier ist alles Fake und wer will, kann problemlos die Augen schließen. Es sei denn natürlich er entschließt sich zu Fuß in Geisterschloss einzutreten.
Wen Spukhäuser magisch anziehen, der ist auch in Wien nicht alleine. Unerschrockene können Dank des Vereins der „Vienna Ghosthunters“ einem besonders ungewöhnlichen Hobby frönen: von der Geisterfotografie über Schnuppertouren bis hin zur Geisterjägerausbildung wird man hier fündig.

Wer dann doch lieber am Sofa verweilen möchte; zahlreiche Bücher und Hörbücher sorgen für gefahrloses Gänsehautfeeling im wohlig warmen Heim – so gruselt es sich auch für die Kulturfüchsin am schönsten.

Museen:

Bestattungsmuseum
Am Wiener Zentralfriedhof
Simmeringer Hauptstraße 234, Tor 2, Aufbahrungshalle 2
1110 Wien
Öffnungszeiten: Mo – Fr  9.00 – 16.30 Uhr
Eintritt: 4 Euro
Tel.: +43 (01) 760 67
Homepage: www.bestattungsmuseum.at

Kriminalmuseum
Große Sperlgasse 24
1020 Wien
Öffnungszeiten: Di bis Sonntag (Montag geschlossen) 10.00 bis 17.00 Uhr
Eintritt: 6 Euro
www.kriminalmuseum.at

Links:

Halloween
http://palais-coburg.com/kulinarik/specials/halloween-dinner/
https://www.wuk.at/programm/2018/halloween-witch-please/
https://ghost-run.at/
https://www.ottakringerbrauerei.at/events-fotos/event-detail/artikel/scaryfest-2018/

Führungen & Sonstiges:
https://www.wolflingseder.at/fuehrungen
www.prater.at
http://viennaghosthunters.net/index.html

Gruften:
Gruft Michaelerkirche
www.michaelerkirche.at
Katakomben Stephansdom:
http://www.stephanskirche.at/index.jsp?langid=1&menuekeyvalue=22
Kapuzinergruft
www.kaisergruft.at

Geschrieben von Sandra Schäfer