Eine verschwommene Gestalt auf den Blättchen eines Memory-Spiels, ein Anruf einer vermeintlichen Bekannten, die ihre Erinnerungen teilen will oder eine Erkundungstour durch die Attrappe einer Wohnung. Im ersten Stück „Ungebetene Gäste“ des neu gegründeten Performance-Kollektivs „DARUM. Darstellende Kunst und Musik“ (Laura Andreß, Victoria Halper und Kai Krösche) müssen sich die Theaterbesucherinnen und -besucher selbst ihren Weg durch den mit unterschiedlichen Kojen ausgestatteten Theaterraum bahnen. Bei der Aufführung, eine Mischung aus Stationen- und immersiven Theater, einem Audiowalk sowie einer literarisch anmutenden Busfahrt durch Wien, gilt es Informationen über eine kürzlich verstorbene Person zu sammeln.
Als Hintergrund für die Produktion dient der Umstand, dass jedes Jahr rund 900 Personen in Wien ein soziales Begräbnis auf Kosten der Stadt erhalten. Die Beerdigung erfolgt in mehr als der Hälfte der Fälle ohne Trauergäste. Wer waren diese Menschen, die einsam bestattet werden? Waren Sie im Leben ebenso alleine oder handelt es sich vielmehr um die Verkettung spezieller Umständen weshalb niemand zu ihrem Begräbnis kam?
Dass die Suche nach Antworten (an fünf Abenden werden Bruchstücke aus dem Leben fünf unterschiedlicher realer Personen präsentiert) zu keiner spaßigen Rätselrallye verkommt, ist dem Gespür und der behutsam künstlerischen Herangehensweise des DARUM-Kollektivs zu verdanken. In Gesprächen mit den Theaterbesuchern wird das in den verschiedenen Stationen Erarbeitete reflektiert, Verbindungen zum eigenem Leben hergestellt oder sich schlicht nach dem Befinden erkundigt – der Tod ist und bleibt ein heikles Thema.
Ein Teil der Geschichte
Angenehm gestaltet sich der Nachmittag dennoch. Denn „Ungebetene Gäste“ handelt weniger vom (einsamen) Sterben, sondern entfaltet sich vielmehr zur Reflexion über das Leben im Hier und Jetzt. Verbunden sind wir als Spurensuchende nicht nur mit der oder dem unbekannten Toten, sondern auch untereinander – und mit der Geschichte.
„Wir fahren über Leichen“, tönt es durch das Mikro bei der dem circa einstündigen Theaterparcour anschließenden Busfahrt zum Zentralfriedhof. Vorbei geht es unter anderem am Stephansplatz auf dem sich einst ein Friedhof befand.
„Was sehen Sie, was sehen Sie nicht?“, fragt Schauspielerin Nora Jacobs immer wieder.
Was wir nicht sehen können ist ein Denkmal jener Person, der wir im Stück gedenken sollen. Und doch könnte man im Zuge der Aufführung durchaus von einer Art Denkmal sprechen. Denn was ist ein Denkmal anderes als die Erinnerung einer Gruppe zu einer bestimmten Zeit an eine Person, deren Leben von uns doch nie entschlüsselt werden wird können.
Bald schon gesellen sich zu solcherlei „eigenen“ Gedanken Gedankensplitter und Erzählungen aus dem Leben der oder des Unbekannten. Verfasst wurden Sie für jeden/jede der fünf Verstorbenen von einem anderen Autor beziehungsweise Autorin. Mit Kopfhörern (und Regenschirmen) schreitet die Theatertruppe, am Zentralfriedhof ankommend, zum vermeintlichen Grab. Am Ende wird die „Trauergemeinde“ sich selbst überlassen. An einer mit Brot und Suppe gedeckten Tafel klingt ein ungewöhnlicher Nachmittag friedlich in der Aufbahrungshalle aus.
Wer es nicht zu einem der fünf Aufführungsterminen geschafft hat, dem bietet die Lecture Performance im Juni Gelegenheit sich auf Spurensuche zum Leben von Unbekannt zu begeben und dabei vielleicht das eine oder andere Bekannte zu entdecken.
Ungebetene Gäste. Eine Spurensuche von Darum
Weitere Termine:
Di 26. März 2019, 14:00
Mit einem Text von Mario Schlembach
Do 28. März 2019, 14:00
Mit einem Text von Alexandra Pâzgu
Sa 30. März 2019, 12:00
Mit einem Text von Andrea Imler
So 31. März 2019, 12:00
Mit einem Text von Thomas Perle
Ausgangspunkt WERK X-Petersplatz, 1010 Wien. Die Vorstellung endet am Wiener Zentralfriedhof.
Ungebetene Gäste | Lecture Performance
17. Juni 2019, 19., 21. und So 23. Juni 2019
im WERK X-Petersplatz
© Fotos: Alexander Gotter
Teilen mit: