Ein besonders wichtiger Schienen-Verkehrsweg war damals die Franz Josefs-Bahn (FJB). Sie begeht heuer ihr 150jähriges Jubiläum. Das Ereignis hat die Kulturfüchsin zum Anlass genommen, sich schlau zu machen und sich auf eine virtuelle Reise auf dieser markanten Bahnlinie zu begeben. Die Franz Josefs-Bahn, die ursprünglich Wien mit Eger verband, wurde von der privaten Gesellschaft k.k. privilegierten Kaiser Franz-Josefs-Bahn erbaut. Den Anlass für die von Johann Adolf Fürst zu Schwarzenberg initiierte Errichtung boten vor allem wirtschaftliche Interessen. Schwarzenberg, der über einen riesigen Herrschaftskomplex in Böhmen verfügte, wollte Steinkohle vom Pilsner Becken nach Wien transportieren.
Die Strecke (Budweis-)Gmünd-Eggenburg wurde 1869 eröffnet, die Strecke Eggenburg-Wien folgte 1870. Bis zur Eröffnung des im Renaissance-Stil gehaltenen Franz-Josef-Bahnhofs 1872 erfolgte die Abfertigung in zwei provisorischen Gebäuden. Der Franz-Josef-Bahnhof war im Übrigen der einzige Wiener Endbahnhof, der nicht im zweiten Weltkrieg zerstört wurde – er wurde erst in den 1970er-Jahren abgebrochen. Bis zur Übernahme durch die k.k. Staatsbahn im Jahr 1884 betrieb die private Gesellschaft die Bahnlinie auch. Im Zuge des starken Verkehrs – bald schon entdeckte auch die Oberschicht die Bahnlinie und nutzte sie um beliebte Kurorte wie Karlsbad oder Marienbad zu erreichen – wurde die Anlage stellenweise doppelgleisig ausgebaut. Im Laufe der Zeit wurde die Bahnlinie immer mehr wieder zurückgebaut und das zweite Gleis in weiten Bereichen abgetragen.
Nur mehr ein Torso ihrer Glanzzeit
Die heute in Österreich bestehende Franz Josefs-Bahn ist nicht mehr als ein Torso ihrer Glanzzeit. Einst pfauchten hier die Dampfrösser und von der Schienenhauptschlagader zweigten zahlreiche Nebenadern ab. Alles in allem bildete sie ein dichtes, zusammenhängendes Schienennetz im Wein-, vor allem aber im Waldviertel von rund 450 Kilometern. Heute beträgt die Streckenlänge zwischen Wien und Gmünd rund 164 Kilometer. Mit dem Nebenästen von Absdorf-Hippersdorf nach Krems – von Wien bis in die Donaustadt sind es weitere knapp 80 Kilometer – sowie von Tulln via Herzogenburg nach St. Pölten bewältigt die FJB in praktisch allen Relationen heute vor allem den Pendler-, im deutlich geringeren Ausmaß zudem den Ausflugsverkehr.
Einst dichtes Eisenbahn-Netz im Waldviertel
Absdorf-Hippersdorf, Sigmundsherberg, Göpfritz an der Wild, Schwarzenau und Gmünd – für jeden Eisenbahnliebhaber Bahnstationen, die nostalgische Gefühle wecken. Zweigen bzw. zweigten doch von ihnen einstmals bedeutende Nebenstrecken ab. Von Absdorf-Hippersdorf führen die Schienenstränge nicht nur nach Krems, sondern auch zur Nordwestbahn nach Stockerau. Von Sigmundsherberg über Horn geht´s durch das Kamptal bis Hadersdorf am Kamp und weiter nach Krems, wo bis heute reger Zugverkehr herrscht. Seite vielen Jahren stillgelegt ist hingegen die Pulkautalbahn von Sigmundsherberg über das an der Nordwestbahn gelegene Zellerndorf. Bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es sogar möglich zwischen Laa an der Thaya im östlichen Weinviertel und Gmünd durchgehend auf der Schiene seiner Reiselust zu frönen.
Kosten-Nutzen-Rechnung versus Klimaschutz
Seither sind die meisten Äste der Franz-Josefs-Bahn der Einstellung zum Opfer gefallen: Bus statt Bahn lautete über Jahre hindurch das nicht gerade klimafreundliche Motto des vielerorts herrschenden Selbstverständnisses über Verkehrspolitik unter dem Motto Kosten-Nutzen-Rechnung. Die Lokalbahn-Verbindungen zwischen Göpfritz an der Wild nach Raabs sowie zwischen Schwarzenau und Martinsberg-Gutenbrunn via Zwettl in südlicher Richtung fielen ebenso dem Sparstift zum Opfer wie jene nach Norden über Waidhofen an der Thaya bis zur Staatsgrenze bei Fratres. In Gmünd wiederum bestehen zwar noch die Schienenstränge der Schmalspurbahnen nach Norden bis Litschau bzw. Heidenreichstein und nach Süden bis Groß Gerungs – allerdings dienen sie nur mehr dem touristischen Verkehr.
Von der Internationalität zur Regionalität
Längst Eisenbahngeschichte ist auch die Internationalität der FJB. Heute ist die Strecke nur mehr von regionaler Bedeutung. So klingende Namen wie „Vindobona-Express“ oder „Sanssouci-Nachtexpress“, die täglich einerseits Wien mit Prag und anderseits Wien mit Berlin im Schlaf via FJB direkt verbunden haben, sind nun mehr mit Dieselgeruchs-Vergangenheit behaftet. Seit 1995 ist die FJB zwischen Wien und Gmünd sowie seit 1982 nach Krems durchgehend elektrifiziert, die ehemals hochmodernen Parade-Diesel-Triebwagen-Garnituren der Baureihe VT 175 der (Ost)Deutschen Reichsbahn oder die ÖBB-Diesellok-Baureihe 2050 und der ÖBB- Dieseltriebwagen 5145, die jahrzehntelang den Zuganblick dominierten (die FJB war übrigens die erste „vollverdieselt“ ÖBB-Strecke), sind nur mehr in Eisenbahnmuseen zu bewundern.
Geändert hat sich hingegen wenig bei den Fahrzeiten der Züge zwischen Wien und Gmünd bzw. Krems. Während der VT-175 (früher VT 18-16) der DR zwischen Wien und Gmünd mit zwei Zwischenhalten rund zwei Stunden benötigte und der „Kremser Kurier“ mit einer Diesellok bespannt in den 80er-Jahren in 58 Minuten non stop die 79 Kilometer Entfernung zwischen den beiden Städten an der Donau zurücklegte, muss der eilige Fahrgast heute in der Regel mehr Zeit dafür in Kauf – vor allem wegen mehr Haltestellen der Regional(express)züge – nehmen. Nur ganz wenige Züge sind geringfügig schneller zwischen Gmünd und Wien bzw. umgekehrt als der „Vindobona“ einst unterwegs war, nach Krems ist die Fahrzeitdauer im Vergleich mit dem „Kremser Kurier“ heutzutage um fünf bzw. zehn Minuten länger. Erfreulich ist aber, dass derzeit mehr Zugverbindungen als in der Vergangenheit bestehen. Moderner und bequemer sind jedenfalls die eingesetzten Zugsgarnituren geworden. Doppelstockwagen sowie Triebwagen der Baureihe 4744 sind laufruhig, vollklimatisiert und bieten guten Fahrkomfort.
Visionen über die Zukunft der FJB
Vor dem Hintergrund der Klimakrise wird auch über eine Intensivierung des Bahnverkehrs in Österreich diskutiert. Neu ist das jedenfalls nicht. Schon seit Jahren wird von verschiedenen Interessensgruppen u.a. auch eine umfassende Modernisierung der Franz-Josefs-Bahn gefordert. Teilweise neue Linienführungen, Streckenbegradigungen, die Wiederherstellung der Zweigleisigkeit (diese besteht derzeit nur zwischen Wien und Absdorf-Hippersdorf) sowie die Erhöhung der Geschwindigkeit der Züge sollen eine markante Beschleunigung der Fahrzeiten sicherstellen und damit die Attraktivität steigern. Die Initiative „FJB 2025“ meinte vor einiger Zeit sogar, dass mit den vorgeschlagenen Maßnahmen, vor allem der Erhöhung der Streckenhöchstgeschwindigkeit auf bis zu 200 km/h, eine Fahrzeitverkürzung zwischen Gmünd und Wien auf rund eine Stunde erreicht werden könnte. Doch das ist Zukunftsmusik, deren Interpretation sicherlich noch viele Dirigenten – und vor allem die Bereitstellung entsprechend hoher finanzieller Mittel – benötigt.
Von Unfällen nicht verschont geblieben
Verschont von bemerkenswerten Unfällen ist auch die Franz-Josefs-Bahn nicht geblieben. Zwar sind diese an den Fingern einer Hand abzuzählen, doch mussten dabei bedauerlicherweise auch Todesfälle und zahlreiche, teils schwer verletze Fahrgäste verzeichnet werden. In den Annalen sind die Unfälle vom November 1875, vom September 2015 und von Dezember 2017 hervorzuheben, wobei die Ursache für jenen in Schwarzenau am 4. November 1875 eine besonders tragische Note erhielt. Nicht nur weil neun Tote und zahlreiche Schwerverletzte zu beklagen waren, sondern weil ein Anschlag die Ursache für das Ereignis gewesen ist. Der für den Streckenabschnitt zuständige Bahnwärter befand sich, so berichtet die Chronik, in einer wirtschaftlichen Notlage. Daher entwickelte er die Idee, eine Unfallsituation zu provozieren, den Zug vor dem Unfall aber zu „retten“, sich als Held feiern zu lassen und eine Belohnung zu erhalten.
Der Plan ging letztendlich katastrophal schief. Der Bahnbedienstete entfernte ein Schienenstück, positionierte sich mit einer Warnleuchte oberhalb der Stelle, um den Lokomotivführer zu warnen. Allerdings kam starker Nebel auf, als der Zug kam, war die Sicht dadurch so schlecht, dass das Zugspersonal die Warnleuchte nicht wahrnahm und am Bahnwärter vorbei ins Verderben fuhr. Die Spurensicherung ergab, dass ein Anschlag verübt worden war. Da man den Bahnwärter nichts nachweisen konnte, wurde der Fall zu den Akten gelegt. Erst viele Jahre später gestand der Bahnbedienstete am Totenbett seine schändliche Handlung. Bei dem Unfall 2015 an einer Eisenbahnkreuzung bei Allentsteig mit einem LKW verstarb der Lokführer, bei jenem im Jahr 2017 im Bahnhofsbereich von Kritzendorf nahe Wien stießen ein Personenzug und eine S-Bahn-Garnitur seitlich zusammen (eine sogenannte „Flankenfahrt“), es gab keine Todesfälle, aber dennoch 20 teils schwer verletze Fahrgäste zu beklagen.
Wird die Renaissance der Eisenbahn Realität?
Die Eisenbahn ist und bleibt allerdings trotz aller nicht ganz zu vermeidbaren Zwischenfälle das weitaus sicherste Verkehrsmittel. Bleibt nur zu hoffen, dass die nun auch hierzulande im Zuge der Klimadebatte neuerlich verbal bekundete große Renaissance der Schiene tatsächlich ihre Früchte tragen wird und damit auch die Franz Josefs-Bahn in eine gute, besonders fahrgastfreundliche Zukunft fahren und viele weitere namhafte Jubiläen begehen kann.
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