Das zweite Studioalbum des Indie-Folk-Duos Alpine Dweller „Native Fluorescence“ ist soeben erschienen und basiert auf dem fantasievollen Gesamtkonzept einer Reise durch verschiedene reale und imaginäre Orte. Um ihre Klangideen zu verwirklichen luden Matthias Schinnerl und Joana Karácsonyi viele großartige Gastmusiker*innen ein.

Matthias und Joana, warum war es euch wichtig für euer neues Album mit vielen unterschiedlichen Musikerinnen und Musikern zusammenzuarbeiten?

Matthias Schinnerl: Unser jetziges Stamminstrumentarium sind Cello, Gitarre, Ukulele und unsere Stimmen. Mit den vielen Gastspielen verleihen wir den Stücken die Tiefe, die sie verdienen. Bombastische Instrumente verwoben zu einem Orchester und viele kleine glitzernde Details sind das Ergebnis. Wir lieben große aber auch minimale Klangkonstrukte. Für „Native Fluorescence“ war es uns wichtig, den Kammermusikensemblestatus abzulegen um den Stücken teilweise orchestrale Dimensionen zu verleihen. 

Könntet ihr das Gesamtkonzept des Albums – die Reise durch verschiedene Orte in der Realität oder der Fantasie – etwas näher erklären? Seit der Veröffentlichung von eurem ersten Album „Among Others“ haben sich einige Veränderungen ergeben. Ihr seid jetzt zu zweit …

Matthias Schinnerl: Es stimmt, zu Beginn der Aufnahmen von „Native Fluorescence“ waren wir noch zu dritt. Weitergearbeitet und fertiggestellt haben wir die Lieder dann allerdings zu zweit. Es gab bei jedem einzelnen von uns große Veränderungen. Dieses Meer an neuer Lebenserfahrung trägt dazu bei, dass sich auch an unserer musikalischen Herangehensweise vieles geändert hat. Die Kompositionen sind um viele fantastische musikalische Elemente ergänzt.

Joana Karácsonyi: Das Album ist wie ein musikalisches Tagebuch, eine Sammlung von Gedanken, die wir auf unseren vielen verschiedenen Touren mitgenommen haben. Inspiriert haben uns dabei verschiedene Orte in der realen Welt, aber auch in unseren Gedankenwelten. Musikalische Landschaftsarchitektur inklusive Naturklängen (Wald) und Kulturklängen (März/Kairo). Das Gesamtkonzept gibt diese Sammlung wieder und stellt auch die Zusammengehörigkeit der einzelnen Kurzgeschichten zu einer Gesamtgeschichte dar. Es geht um die (Um-)Welt, die wir uns vorstellen, wie sie funktionieren könnte ohne Ausbeutung, Ressourcenverschwendung, menschlichen Dummheiten – das alles ist eher abstrakt in den Texten zu finden. Die unzugänglichen Orte liegen auch in einem selbst. Diese zu ergründen dauert vielleicht ein ganzes Leben lang. Die Songs drehen sich aber auch um mangelnde Selbstsicherheit, die Wichtigkeit des Vertrauens und das Träumen.

Um die Aufnahmen im Studio und den Mix des neuen Albums hat sich David Furrer gekümmert – was war darüber hinaus sein Input und seine Rolle bei eurem neuen Album?

Joana Karácsonyi: Mit David Furrer haben wir die einzelnen Stücke im Studio aufgenommen. Er hat, so wie schon bei unserem Debüt, die Aufnahmeleitung übernommen und später alles in unseren favorisierten Sound gegossen. Bei dem Hidden Track jammen wir außerdem live aufgenommen gemeinsam mit David an der Gitarre. Mit ihm wurden als Koproduzent alle gemeinsamen Vorstellungen für das Album wahr. Wir passen gut zusammen! Es ist immer wieder toll mit so fantastischen Leuten wie ihm zusammenarbeiten zu dürfen.

Zu einigen Songs wie zum Beispiel „Planets“ gibt es feine Videos auf YouTube. Könntet ihr etwas über die Entstehung erzählen: Wo und mit wem habt ihr gedreht?

Matthias Schinnerl: Das Musikvideo „Planets“ hatten wir schon lange geplant – es gab im Laufe der Zeit allerdings ein paar verschiedene Storyboards, die sich mit der Corona-Pandemie wieder komplett geändert haben. Schließlich haben wir das Video gemeinsam mit der Filmfirma „Blendwerk“ im Kunsthaus Grünbach am Schneeberg / Urhof20 umgesetzt. Die dort leitende Managerin Bea von Schrader unterstützte uns bei der Umsetzung und bereitete uns nebenbei auch einen tollen Aufenthalt im Kunsthaus. Wir haben in einem großen Saal ein kleines Sonnensystem geschaffen – mit von Vera Gawitsch gemalten Planetenstrukturen, die von Paul Janisch auf riesige Trägerscheiben projiziert wurden. Im Video stellen wir das riesige, unendliche Universum mikroskopisch kleinen Dingen gegenüber. Alte Bilder von Zellaufnahmen und auch Archivaufnahmen von Exkursionen zu Vulkanen, etc. stellen das Gegenstück zu den Planeten dar. Etwas Gemeinsames haben die Musikvideos schon – sie sind verträumt und surreal aber doch echt und DIY, außerdem spielt Licht oft eine wichtige Rolle. 

Welche heimischen oder internationalen Künstler*nnen und Bands sind aktuell auf euren Playlists zu finden?

Joana Karácsonyi: Das ist eine gute Frage, denn ich hab das Gefühl, dass Musiker*innen und Musikgruppen sich hierzulande gegenseitig unterstützen. In meiner heimischen Playlist ist immer „Soap&Skin“ zu finden, aber auch „GLAM“, Ankathie Koi, Sir Tralala, Millycent, „Hidden By the Grapes“, Maraskino und viele der anderen üblichen Verdächtigen. Nur, es gibt eigentlich keine Playlist, sondern ich schalte ein, was mir in den Sinn kommt – mir gefällt vieles, deswegen ist es immer die Qual der Wahl. Aktuell wieder Joe Zawinul, Britney Spears und Eminem. Tja. 

Matthias Schinnerl: Es gibt eigentlich nichts, was ich nicht hören kann. Ihr staunt vielleicht aber auch Schlager sind ab und zu bei mir auf dem Teller. In Summe ändert sich mein Hörverhalten von Tag zu Tag, je nach Stimmungslage. Mal ist es impulsiv, auch aggressiv mit Techno und Drum and Bass. Andere Male und das macht sicher den Großteil aus, brauche ich es super ruhig. Ich höre keine Playlists, auch wenn das vielleicht praktisch wäre, bleibe ich gerne bei der guten alten Platte. In letzter Zeit habe ich viel von Anaïs Mitchell gehört, da geht mir immer wieder das Herz auf. Auch Bon Iver oder Ani DiFranco darf oft nicht fehlen. Wenn es etwas von „daheim“ ist dann höre ich gerne in Neuigkeiten von Kolleginnen und Kollegen hinein. Das sind meistens Acts, die ich auch persönlich kenne. 

Wie lauten eure künstlerischen Zukunftspläne?

Joana Karácsonyi: Es wird natürlich – eh klar – ein Release Konzert zum neuesten Album geben. Dieses wird im Frühjahr 2024 in Wien in der zwischengenutzten Semmelweisklink stattfinden. Außerdem arbeiten wir bereits wieder an neuer Musik. Einfach nur ruhig rumsitzen geht für uns gar nicht. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

Native Fluorescence bei ‎No Fear Records (Vertrieb: Hoanzl)

Alpine Dweller Live
Sa 24.02.2024, 17.00 Uhr
Semmelweisklinik, Hockeg. 37, 1180 Wien
https://www.semmelweisklinik.at/
https://www.alpinedweller.com/

Alpine Dweller wurde 2015 von Matthias Franz Elias Schinnerl, Joana Marialena Karácsonyi und Flora Marlene Dorothea Geißelbrecht gegründet. Das Trio machte sich vor allem durch ihre Live-Auftritte einen Namen. Im Jahr vor Veröffentlichung des ersten Langspieleralbums „Among Others (2019), spielten „Alpine Dweller“ Tourneen von Europa über Nordafrika bis Asien. Im selben Jahr gründete das Ensemble das Künstler- und Indie-Label „NFR". 
2020 produzierten Alpine Dweller mit Ö1 unter der Leitung von Musikjournalist Helmut Jasbar eine Radiosession im Wiener Radiokulturhaus auf Vinyl und CD. 

Der Stil der Gruppe definiert sich als weltmusikalisch orientiertes Kunstlied - ein englischsprachiger Folk-Pop mit Einflüssen von Kammer- beziehungsweise Volksmusik. Zum Einsatz kommen hauptsächlich die Instrumente Gitarre, Ukulele, Cello, Bratsche und Harfe. Die oftmals dreistimmig vorgetragenen Lieder werden von „Alpine Dweller" selbst unter dem Begriff der „imaginären Folklore“ gefasst. Im September 2023 wurde das neue Album „Native Fluorescence" bei ‎No Fear Records (Vertrieb: Hoanzl) veröffentlicht.

Titelbild: Alpine Dweller © Andrea Lehsiak

Geschrieben von Robert Fischer