H.C. Artmann, Allen Ginsberg, Falco, Blixa Bargeld, Nick Cave, Marlene Streeruwitz, Robert Schindel oder Anne Waldman – sie alle haben in den vergangenen 30 Jahren an der Wiener Schule für Dichtung gearbeitet. Doch selbst wenn man die Möglichkeit bekommt von derartigen internationalen Größen der Poesie Unterricht zu erhalten – ist Dichtung etwas, das man überhaupt lernen kann?
Nicht ohne Talent, meint dazu Fritz Ostermayer. Möglich sei es allerdings, jenen, die das Interesse und die Fähigkeiten besitzen, die richtigen Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um sich weiterentwickeln zu können. Ostermayer selbst arbeitet seit Jahren als Autor, Journalist und Musiker. Die Leitung der Schule für Dichtung hat er 2012 nach dem Tod von Ide Hintze übernommen.

Weitgefasster Poesiebegriff

Der österreichische Multimediapoet und Aktionskünstler hatte die Schule 1991 nach dem Vorbild der „Jack Kerouac School of Disembodied Poetics“ gegründet. Anfangs noch skeptisch, war nach einem Besuch in Amerika in ihm der Wunsch aufgekommen, auch in Wien etwas derartiges ins Leben zu rufen. Mit H.C. Artmann und Wolfgang Bauer gelang es Hintze bekannte Persönlichkeiten mit an Bord zu holen. 1992 nahm die Wiener Schule für Dichtung mit zwölf Klassen, darunter eine der amerikanischen Beat-Poetin Anne Waldman, ihren Betrieb auf. Berühmtheiten wie Allen Ginsberg folgten als Gäste nach Wien nach.

Für Ostermayer wurde früher „durchaus ein gewisser Geniekult zelebriert“. Ihm sei es wichtiger gewesen eine gewisse Hierarchielosigkeit Einzug halten zu lassen. Nicht selten lädt er junge Autoren ein, an der Schule für Dichtung zu unterrichten: „Man geht leichter auf einen Menschen zu, wenn dieser noch nicht so einen Kanon hat“, ist Ostermayer überzeugt. „Ich suche mir leidenschaftliche Lehrende statt arrivierte Professoren.“ Zu nennen wären Teresa Präauer und Raphaela Edelbauer oder beispielsweise Timo Brandt. Im Programm befindet sich demnächst beispielsweise auch eine mehrsprachige Rapklasse.

Auf den deutschen Sprachraum beziehungsweise die deutsche Sprache oder auf ein bestimmtes Genre beschränken wollten sich weder Hintze noch Ostermayer. Bereits die amerikanische „School of Disembodied Poetics“ war damals geprägt von oralen Traditionen wie unter anderem die Verbindung von Poetry mit Performance oder Jazz. Der Begriff der Poesie ist dementsprechend auch bei der Schule für Dichtung ein sehr weit gefasster, Musik – in diversen Ausprägungen – spielt seit Anbeginn eine große Rolle. So gab es 2020 unter anderem auch eine so genannte Friedhofsklasse mit Voodoo Jürgens, deren Ziel es war nach Spaziergängen über Friedhöfe – auf den Spuren von H.C. Artmann – einen eigenen Song kreiert zu haben. Erfolgreich war auch die Gstanzl-Klasse mit Attwenger. „Da war wirklich von 15 bis 75 jede Altersstufe vertreten“, erinnert sich Ostermayer.

Von analog bis digital

Auch international ist man nach wie vor gut vernetzt – die sfd ist unter anderem Gründungsmitglied der „european association of creative writing programmes (eacwp)“. Zudem begann man bei der Schule für Dichtung schon früh das Internet zu nutzen. Lange vor Corona fanden erstmals 1997 virtuelle Klassen statt. Dabei handelt es sich um reine Textklassen, bei denen ein Autor ein Thema vorgibt und das Eingelangte kommentiert. Der Zugang ist betont niederschwellig – einen einfacheren Kontakt und Austausch mit Autoren zu erlangen, kann es wohl kaum geben.

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Titelbild: shutterstock

Geschrieben von Sandra Schäfer