Als die kaiserlichen Sammlungen erstmals 1777 einer breiten Öffentlichkeit (kostenlos!) zugänglich gemacht wurde, war der Andrang groß. Anders als erwartet strömten jedoch nicht nur die höheren Klassen und Künstler in das ehemalige Schloss des Prinz Eugen, sondern auch Handwerksburschen und Dienstmädchen – manche gar mit Kindern auf den Armen. Ein Anblick, der offensichtlich nicht für jedermann war, so fühlte sich mancher dazu veranlasst, zu fordern Besuche zu reglementieren und nicht allen den Zutritt zu gestatten. Der Hof kam diesen Ansinnen jedoch nicht nach.

Dem Museum vorangegangen war der Beschluss Maria Theresias gemeinsam mit ihrem Sohn und Mitregenten Joseph II. die kaiserlichen Sammlungen von der Stallburg (die Erzherzog Leopold Wilhelm ab 1658 hier eingerichtet hatte) hierher zu transferieren. Die reiche Bildersammlung, die der Prinz im Laufe seines Lebens zusammengetragen hatte, war zu jenem Zeitpunkt bereits von seiner Nichte zum großen Teil nach Italien verkauft worden. Maria Theresia hatte das ehemalige Schloss von Prinz Eugen 1752 von der Nicht und Erbin, der Prinzessin Viktoria von Savoyen, erworben.

Weg zum Museum

Dass das Schloss einst im Auftrag des mächtigsten Feldherrn seiner Zeit bei Johann Lucas von Hildebrandt in Auftrag gegeben worden war, verrät noch heute ein Blick auf die mit Elementen aus dem Kriegshandwerk geschmückte Außenfassade sowie beispielsweise zu den Fresken links und rechts im Stiegenhaus. Eugen als ruhmreicher Feldherr und Förderer der schönen Künste – verkörpert durch Herkules und Apollo – prägten und prägen die Gestaltung der Anlage, zu der einst auch eine Menagerie gehörte. An den privaten Tiergarten des Prinzen Eugen erinnert heute hingegen nur mehr ein Stich von Salomon Kleiner, der im Garten als Schautafel reproduziert an jener Stelle (links vom Oberen Belvedere vom Garten des Unteren Belvedere kommend) aufgestellt wurde. Der wohl prominenteste Bewohner des Zoos war ein zahmer Löwe, der gelegentlich bei den Festen des Feldherrn aufgetaucht sein soll. Ein Teil des Tierbestandes fand im 1752 eröffneten in Schönbrunn von Franz Stephan von Lothringen eingerichteten Zoo in Schönbrunn Unterkunft.

Vor allem unter Maria Theresias Zeiten wurde nicht nur in Schönbrunn, sondern auch in der Schlossanlage des Belvederes manch prächtiges Fest gefeiert, bevor es erneut und endgültig zum Museum avancierte. 1891 waren die Kunstschätze der Habsburger vom Oberen Belvedere in das neu gegründete „Kunsthistorische Museum“ auf dem Ring übersiedelt worden. Doch schon nach dem Ende der Monarchie war mit der „Galerie des 19. Jahrhunderts“ eine öffentlich zugängliche Schausammlung in die Räumlichkeiten des Oberen Belvederes eingezogen. Bereits 1912 war die „Moderne Galerie“, die 1903 zunächst im Unteren Belvedere gegründet wurde, zur „k. k. Österreichischen Staatsgalerie“ erweitert worden. Zu den bekanntesten Ankäufen durch das „k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht“ in die Moderne Galerie zählt 1908 Gustav Klimts „Der Kuss“. Das Bild, das als Werbebotschafter für das Haus fungiert, ist nach wie vor in der Schausammlung im Oberen Belvedere zu bewundern. Zu den weiteren Highlights aus dem Umkreis der Secession, die in der Sammlung „Wien um 1900“ zu sehen sind, gehört auch Segantinis, „die böse Mutter“. Nicht die einzige Femme fatale, die in der Sammlung zu finden ist. Positiv anzumerken ist, dass im Rahmen der Neuaufstellung der Sammlung im Oberen Belvedere zum 300-jährigen Jubiläum nun auch vermehrt Künstlerinnen Platz eingeräumt wurde.
Aktuell ausgestellt ist aber auch ein Gemälde von Friedrich Alois Schönn aus dem Jahre 1883. Das Bild zeigt eine Ansicht jener Brücke in Sarajevo auf der über drei Jahrzehnte später Kronprinz Ferdinand und seine Frau erschossen wurden. Das Obere Belvedere diente der Familie, nachdem die Kunstsammlung in KHM übersiedelt wurde, als Wohnstätte.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde im Belvedere zudem ein Barockmuseum eingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es außerdem zur Eröffnung des „Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst“ gekommen.

800 Jahre Kunstgeschichte vom Mittelalter bis in Heute

Heute beherbergt das Belvedere 18.000 Einzelobjekte (plus 5.000 Objekte aus der Wotruba-Stiftung, die im Belvedere 21 untergebracht sind) aus 800 Jahren Kunstgeschichte. Zu den Highlights der Mittelaltersammlung, die komplett ausgestellt ist, zählt beispielsweise unter anderem der Znaimer Altar, bei dem im Übrigen noch viel von originalen Farbe erhalten ist.
Über große Beliebtheit erfreuen sich im Oberen Belvedere auch die berühmten „Charakterköpfe“ des Bildhauers, und als Sonderling in die Kunstgeschichte eingegangenen, Franz Xaver Messerschmidt. Messerschmidt zeichnet unter anderem auch für jene Statuen von Maria Theresia und ihrem Ehemann Franz Stephan verantwortlich, die die Besucher:innen im heutigen Eingangsbereich des Belvederes begrüßen. Noch im Original erhalten sind auch die wunderschönen Deckenfresken von Carlo Carlone im Carlone-Saal sowie im Marmorsaal.

Mit der Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrags am 15. Mai 1955 wurde im einstigen Empfangssaal Prinz Eugens ein wichtiges Kapitel der österreichischen Geschichte geschrieben. Eine bei Sergius Pauser in Auftrag gegebene bildliche Darstellung des Ereignisses wurde von Bundeskanzler Julius Raab angeblich entsetzt abgelehnt und ist aktuell als Leihgabe von der Artothek des Bundes in der bis Jänner nächsten Jahres zu sehenden Sonderausstellung zur Geschichte der Sammlung im Unteren Belvedere zu bewundern. An die Wand gehängt wurde hier auch das 1915 entstandene Ölgemälde von Herbert Boeckl, das seinen Freund Bruno Grimschitz – mit dem er im Ersten Weltkrieg diente – zeigt.
Grimschitz fungierte in den Jahren 1938 bis 1945 als Direktor der „Österreichischen Galerie“ und konnte in seiner Amtszeit „mehr als zweihundert Kunstwerke von Rang“ erwerben. Unerwähnt ließ der zur einflussreichsten Persönlichkeit im Kulturbetrieb der „Ostmark“ aufgestiegene Museumsleiter allerdings die Tatsache, dass es sich bei den Werken zum großen Teil um geraubtes Eigentum handelte. Neben der NS-Zeit gilt ein Schwerpunkt der Sonderausstellung somit auch der Restitutionen (prominentes Beispiel ist die Rückgabe von Klimts „Goldener Adele“ im Jahr 2006). Kritisch gesehen wird heute beispielsweise auch ein der barocken Manier entsprechendes Portrait von „Prinz Eugen von Savoyen als Feldherr“ von Johann Gottfried Auerbach, das auch einen jungen Pagen aus Afrika zeigt, der den Feldherrn bedient. Das Gemälde wurde 2016 von der ehemaligen Direktorin des Belvederes, Agnes Husslein-Arco, mit der Begründung des Mangels eines repräsentativen Portraits von Prinz Eugen für die Sammlung angekauft. Ein Bildtext verweist in der Ausstellung auf die stereotypisierte in rassistischer Bildtradition stehenden Darstellung. Gerade einmal 57 mal 47 Zentimeter groß versinnbildlicht die „Allegorie auf die Übertragung der kaiserlichen Galerie in das Belvedere“ des deutschen Künstlers Vinzenz Fischer die Entstehungsgeschichte des Museums. Das Gemälde aus dem Jahr 1781 zeigt Joseph II. als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, seinen Blick dem Finger der Göttin der Weisheit und Kunst, Minerva, folgend auf das höher gelegene Schloss Belvedere gerichtet. Zurück zu den Anfängen sozusagen.

Oberes Belvedere
Prinz Eugen-Straße 27
1030 Wien

Sonderausstellung
Das Belvedere. 300 Jahre Ort der Kunst
Unters Belvedere
Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr

www.belvedere.at

Titelbild: Außenansicht Oberes Belvedere © Lukas Schaller / Belvedere, Wien

Geschrieben von Sandra Schäfer