Madeleine Joel, eine junge Sängerin und preisgekrönte Saxofonistin aus Linz präsentiert auf dem Album „Alles Oder Nichts“ eine faszinierende Hommage mit ideenreichen, jazzigen Neu-Interpretationen der Songs von Hildegard Knef. Robert Fischer hat die junge Musikerin interviewt.


Wann bist Du zum ersten Mal mit Hildegard Knef beziehungsweise Ihren Liedern in Kontakt gekommen?

Ich bin mit Anfang 20 zufällig im Rahmen einer Konzertvorbereitung auf Hildegard Knef gestoßen. Damals habe ich für das Publikum als Überraschungseinlage „Für mich soll´s rote Rosen regnen“ gesungen, weil ich sicher war, das würde gut ankommen. Im Zuge der Vorbereitung habe ich zu „Youtube“-Aufnahmen von Hildegard Knef dazu gesungen, und wie es halt auf dieser Plattform so ist, der Algorithmus hat mir gleich die nächsten Lieder angeboten – so bin ich reingekippt. Viele Stücke sind sehr jazzig, auch wie es die Knef damals schon gesungen hat beziehungsweise wie die Titel damals komponiert und arrangiert wurden. Das hat mich als Jazz-Musikerin und Jazz-Fan, der vor allem den Big-Band-Sound liebt, total begeistert und in den Bann dieser Musik gezogen.

Was macht das Werk der 2002 in Berlin verstorbenen deutschen Sängerin, Schauspielerin und Autorin für Dich auch heute noch aktuell?

Mich beeindruckt die Stimme von Hildegard Knef, ihre Interpretation und ihre Ehrlichkeit beim Singen, das ist so authentisch in der Kombination mit der Musik. Ich habe Hildegard Knef und ihre Musik vor circa sieben Jahren entdeckt – die Begeisterung hält bis heute an. Auch die Texte der Songs sind zeitlos, jede Person kann sich damit auf eine bestimmte Art und Weise identifizieren. Die Knef hat ja auch viel aus ihrem eigenen Leben – voller Höhen und Tiefen erzählt: vom Liebeskummer, über Trennungsschmerz oder Krisen im Leben, bei denen man an sich selbst zweifelt. Das kennen wir alle und darum bleibt das Werk von Hildegard Knef aktuell. Wenn man dann noch dazu zählt, dass die Knef bei den Aufnahmen ihrer Lieder mit vielen berühmten Komponisten und Arrangeuren ihrer Zeit zusammengearbeitet hat, verleiht das im Gesamtpaket ihrem Werk diese besondere Bedeutung.

Nachdem das Feuer sozusagen entfacht war, wie hast Du Dich dann weiter mit dem Werk von Hildegard Knef beschäftigt?

Hildegard Knef hatte bekanntermaßen ein umfangreiches Repertoire und ich habe mich in den nächsten Jahren erst einmal durchgehört, es sind über 100 Lieder, die sie im Laufe ihrer langen Karriere aufgenommen hat. Das dauert seine Zeit, bis man fertig ist. Auch mit den Texten der Lieder habe ich mich intensiv beschäftigt und durch diese langjährige Recherche könnte ich jetzt bei vielen Songs spontan mitsingen. Ich würde mich, da ich auch mehrere Bücher über das Leben von Hildegard Knef gelesen beziehungsweise Filme angesehen habe, schon fast als Knef-Expertin bezeichnen (schmunzelt).

War es schwer aus dieser Fülle von Material eine Auswahl für Deine Hommage „Alles Oder Nichts“ zu treffen?

Nein. Ich habe mir für das Album kein großes Konzept überlegt, sondern einfach nach meinem Gefühl ausgewählt. Einfach jene zehn Lieder, die mir am besten gefallen, und da sind auch einige dabei, die nicht so bekannt sind. Ein besonderer Aspekt bei der Auswahl war auch der Text, weil es mir auch wichtig ist, dass ich den Text des Stücks gut verstehe, aber trotzdem meine eigene Geschichte dabei erzählen kann. Sprich der Text muss auch zu mir passen und zu meiner Lebenserfahrung, damit ich das Stück authentisch auf die Bühne bringen kann.

Warum war es Dir bei den Aufnahmen im Studio wichtig die Lieder der Knef bewusst nicht im Original-Arrangement zu belassen, sondern neu zu interpretieren?

Es sollte auf keinen Fall eine Karaoke-CD werden, im Sinne von ich singe die Lieder 1:1 nach, wie man sie ohnehin schon von der Knef kennt. Das würde ich extrem langweilig finden. Mein Motto war: wenn ich das probiere, dann mache ich etwas Neues daraus. Was wir nicht verändert haben sind Text und Melodie, aber das Rundherum der Stücke ist völlig neu. Wir haben beim Aufbau der Stücke mit anderen Stilen und teilweise auch anderen Instrumenten gearbeitet. Man könnte es auch unter dem Begriff der Reharmonisation zusammenfassen. Mir war auch wichtig, dass meine Bandkollegen Platz zum Solieren haben. Wenn man sich die Originalaufnahmen aus den Sechziger-, Siebziger und Achtzigerjahren anhört, da ist der Text meistens so im Zentrum gestanden, dass es keinen Platz für instrumentale Solos gab.

Zu Deiner Band „The Hildeguards“, gehört neben Herwig Gradischnig am Saxophon und Johannes Herrlich an der Posaune unter anderem auch der großartige US-Pianist Rob Bargad, der schon mit Größen wie Lionel Hampton, Little Jimmy Scott, Nat Adderley oder Roy Hargrove auf der Bühne gestanden ist. Ich nehme an, er hat Dich vor allem bei den Arrangements unterstützt?

Genau! Zum einen teilt Rob meine Vorliebe zur Musik von Hildegard Knef, das ist natürlich sehr fein. Als ich ihm dann von meiner Idee einige Lieder der Knef neu zu interpretieren erzählt und anfragt habe, ob er für das Projekt als Pianist und Arrangeur dabei sein möchte, hat Rob sofort begeistert zugesagt. Auch in Bezug auf meine ersten groben Ideen für das Projekt waren wir gleich auf einer Wellenlänge. Das waren Sachen wie in welche Richtung soll´s gehen? Wie will ich dieses oder jenes Lied haben? Welche Stilistik bedienen wir? Und wo kommt ein Posaunensolo? etc. Rob hat mich gleich intuitiv gut verstanden und das alles zu Papier gebracht. Er hat ein wunderbares Gefühl für Stil und Eleganz in der Musik, und darum bin ich auch von seinen Arrangements auf dieser CD begeistert.

Hildegard Knef war neben Ihrer Tätigkeit als Sängerin und Schauspielerin auch eine aufregende und schillernde Persönlichkeit. Viele ihrer Lieder sind stark mit ihr als Mensch verbunden und können als Autobiografie ihres zerrissenen Lebens verstanden werden. Gibt es, wenn man sich an so berühmte Vorbilder wagt, nicht auch ein gewisses Risiko zu scheitern?

Natürlich kann so etwas auch leicht in die Hose gehen. Wenn man mit zu wenig Respekt an die Sache herangeht oder die Stücke gewaltvoll verdrehen will, kann man sich schon leicht einen „Shitstorm“ von langgedienten Fans einhandeln (schmunzelt). Vor allem die Generation an Fans, die Hildegard Knef und ihre Musik noch aus eigener Erinnerung kennen, sind da im ersten Moment sicher besonders kritisch. Mir war in der Vorbereitung des Knef-Projekts durchaus stark bewusst, dass ich mir für dieses Album vielleicht auch viel Kritik anhören werde müssen. Zum Beispiel haben wir aus dem vielleicht größten Hit von Knef „Für mich soll´s rote Rosen regnen“ etwas ganz anderes gemacht. In unserer Version ist das Stück eher melancholisch, sehr jazzig und ein bisschen an John Coltranes berühmtes „A Love Supreme“ angelehnt. Aber generell habe ich – jetzt nach dem Release im Frühjahr – sehr viel gutes Feedback für die CD erhalten und auch die Arrangements von Rob Bargad sind zumeist sehr gelobt worden.

Gab es bei den neuen Arrangements trotzdem auch Ideen von Rob Bargad, die Du abgelehnt hast?

Witzigerweise wollte ich dieses neue Arrangement von „Rote Rosen…“ anfangs gar nicht singen. Rob hat mich gebeten, drei Tage abzuwarten und dem Ganzen eine Chance zu geben. Falls es mir dann immer noch nicht gefallen würde, hätten wir etwas anderes ausprobiert. Doch nach den drei Tagen habe ich wirklich meine Meinung geändert und jetzt bin ich von dieser Version begeistert.

Hast Du ein Stück auf dem Album, das Dir besonders am Herzen liegt?

Neben dem schon zuvor erwähnten „Für mich soll´s rote Rosen regnen“ in diesem eher ungewöhnlichen Arrangement mag ich besonders „Wo ist mein Lachen geblieben“. Diesen Song hat Knef zu einer Zeit geschrieben, als sie in ihrem Leben mit vielen Schicksalsschlägen konfrontiert gewesen ist, als Mensch sozusagen gebrochen war. Es geht um Probleme in der Partnerschaft beziehungsweise Betrug. Ich habe dieses Lied in einer Phase kennengelernt, wo es mir persönlich auch nicht gut gegangen ist und ich mich ähnlich fühlte wie im Lied beschrieben. Das Stück hat mich sehr berührt. Ich habe es eine Zeit lang rauf- und runtergehört und es hat mich wirklich dazu inspiriert, meine persönliche Lebenssituation zu verändern. „Wo ist mein Lachen geblieben“ von Hildegard Knef hat mir also selbst geholfen eine Krise zu bewältigen. Jetzt freue ich mich sehr auf die anstehenden Live-Konzerte, um das Album vor Publikum zu präsentieren.

Danke für das Gespräch!

MADELEINE JOEL & THE HILDEGUARDS: „ALLES ODER NICHTS “ ( MADELEINE JOEL RECORDS / HOANZL 2022)

Zur Person:
Geboren 1994 in Linz, studierte Madeleine Joel ab 2010 Jazz-Saxofon an der dortigen Anton-Bruckner-Privatuniversität (bei Harry Sokal) sowie später an der Musik- und Kunst-Privatuniversität Wien (bei Andy Middleton) und ebenda am erwähnten Jam Music Lab (bei Thomas Kugi). Seit Herbst 2016 wohnt sie dauerhaft in Wien. Als Tenorsaxofonistin und Vokalistin hat sie in mehreren eigenen Bands ihr Talent erprobt: etwa im „Dexter Gordon Tribute Quartett“, der Musik eines ihrer Saxofonisten-Idole gewidmet, sowie mit „Madeleine & the Hildeguards“, einem mit prominenten Szenecracks (u. a. Rob Bargard, Herwig Gradischnig, Klemens Marktl) besetzten Sextett, in dem sich Madeleine Kaindl, die als Sängerin unter anderem Anita O’Day und Sarah Vaughan als persönliche Leitsterne nennt, den Liedern Hildegard Knefs widmet. Im Frühjahr 2022 ist nun das Album „Alles Oder Nichts“ mit Neuinterpretationen der Lieder von Hildegard Knef veröffentlicht worden.

www.madeleine-joel.com

Termine:
Madeleine Joel Live:
22.06.22 / Wien / Theater am Spittelberg
23.06.22 / Wien / Zwe (Jazz-Special)
24.06.22 / Mödling / Stadtgalerie (NÖ)
25.06.22 / Purkersdorf / Bühne (NÖ)
26.06.22 / Oberaich / Jazzfestival (STMK)

Titelbild: Madeleine Joel © Lukas Beck

Geschrieben von Robert Fischer