Ruinen, aber auch original rekonstruierte Villen und Gärten sowie das größte Römermuseum Österreichs vermitteln auf dem Gebiet der ehemaligen Provinzhauptstadt Carnuntum (seine Überreste erstrecken sich zwischen den Ortschaften Petronell und Deutsch Altenburg) einen markanten Eindruck davon wie es war als die Römer noch hier siedelten.

Dabei fällt auf: Es lebte sich damals offenkundig nicht schlecht. Zumindest was die reichen Bürger der Zivilstadt anbelangte: Fußbodenheizung, Gemüse- und Kräutergärten sowie Sklaven für diverse Küchen- und Hausarbeiten versüßten das Leben auch im damaligen Oberpannonien, weitab der Weltstadt Rom. Einen Eindruck vom vermeintlichen „dolce vita“ in der römischen Provinz, die im Rahmen der Eroberungsfeldzüge der Römer 15. v. Chr. zum Teil des Reiches wurde, kann man sich im Freilichtmuseum in Petronell verschaffen. Hier, in der ehemaligen Zivilstadt am einstigen Donaulimes, ist römische Geschichte nicht nur studier-, sondern dank mittels experimenteller Archäologie rekonstruierter Bauwerke auch erlebbar. Von Ende März bis Oktober heißt es für Besucherinnen und Besucher ungeniert sowohl ehemaliges Privateigentum sowie eine römische Therme mit funktionierendem Wassersystem zu betreten und erkunden.

Willkommen bei der „civitas“, der Gemeinschaft der römischen BürgerInnen

Ein eindrucksvolles Zeugnis des hohen Wohnstandards der römischen Bürger liefert beispielsweise das Haus des Tuchhändlers Lucius Maticeius Clemens. Es wurde wie alle rekonstruierten Gebäude auf Original-Mauerresten erbaut und entspricht damit in Größe und Form exakt seinem rund 1.700 Jahre älteren originalen Vorgänger. Dass es sich bei dem einstigen Inhaber des Hauses um einen Tuchhändler handelt, wird von den Archäologen aufgrund eines großzügig gestalteten Schauraums angenommen. Während der Hausherr in seiner Werkstatt die Kunden bediente, sorgten die Sklaven in der Küche für das leibliche Wohl ihres Herrn und seiner Familie. Zu essen gab es sowohl Fleisch als auch reichlich Gemüse – vor allem Hülsenfrüchte, die man im hauseigenen Gemüsegarten ebenso wie Kräuter zog. Während die römischen Männer im Liegen ihre Gerichte verzehrten, mussten die Frauen diese im Sitzen auf einem kleinen Esstisch zu sich nehmen. Für Feste verwendete man den Wintergarten des Hauses.

Ein besonders prunkvoller Festsaal mit bunten Wandbemalungen ist im benachbarten Stadtpalais eines offensichtlich besonders wohlhabenden Bürgers zu bewundern. Generell galt damals: je bunter die Wände und höher die Stiegen, die zum Eingang führen, desto reicher die Bewohner. Ein Portier begrüßte die Ankommenden und eine Sklavin geleitete diese zum Hausherrn. Der Festsaal, der auch für Vereinsversammlungen benötigt wurde, hat die Form einer Basilika und erinnert an die späteren Kirchengebäude der Christen. Die Glockenform versinnbildlicht das Universum, als dessen Herrscher sich die Römer sahen. Die so genannte villa urbana verfügte zudem auch über eine Fußbodenheizung. Eine weitere römische Errungenschaft, die Therme, lädt wenige Gehminuten weiter zu einer eindrucksvollen Zeitreise ein. Leider ist Baden hier verboten.

Über das Militärleben

Für die Besucher heißt es vielmehr in der neuesten Attraktion – die 2011 entdeckte Gladiatorenschule – des Archäologieparks zu schwitzen. Das Gelände wurde in den letzten Jahren erfolgreich freigelegt und rekonstruiert und wird heute erneut für „Spiele“ benutzt.

Wer mehr über die Geschichte und Lebensart des römischen Militärs erfahren will, hat außerdem die Möglichkeit die im März 2017 eröffnete Sonderausstellung „Der Adler Roms – Carnuntum und die Armee der Cäsaren“ im Museum Carnuntinum in Deutsch Altenburg zu besuchen und Näheres über die Aufgabe und Vorgehensweise der in Carnuntum beherbergten Legionen und Hilfstruppen zu lernen. Ihnen oblag, sowie den Stationierten aller Lager, die entlang des Donaulimes errichtet wurden, die Sicherung der Grenzregion gegen die Einfälle den Römern feindlich gesinnter Stämme. Neben der aktuellen Sonderausstellung bietet das 1904 von Kaiser Franz Joseph eröffnete Museum im Stil einer Römervilla auch Essgeschirr, wertvolle Mosaike und Götterstatuen zur Besichtigung.

Ungefähr 500 Meter vom Museum entfernt befinden sich die Überreste eines großen Amphietheaters als sichtbares Zeichen der ehemaligen Militärstadt Carnuntum, die um das Legionslager 50 n. Chr. errichtet worden war. Zu jener Zeit begann auch der Aufstieg Carnuntums, das 106 n. Chr. zur Hauptstadt Oberpannoniens und Sitz des Stadthalters ausgerufen wurde. Drei Kaiser sollten in weitere Folge die Geschichte Carnuntums wesentlich prägen: Marc Aurel, der rund vier Jahre hier verbrachte und während dieser Zeit auch den zweiten Band seiner Selbstbetrachtungen verfasste, Septimius Severus, der in Carnuntum von seinen Soldaten zum neuen Kaiser Roms ausgerufen wurde, sowie Konstantin, unter dem es zur großen Kaiserkonferenz von 308 n. Chr. kommen sollte. In seiner Blütezeit wies Carnuntum eine Bevölkerungszahl von rund 50.000 Menschen auf. Als die Hunnen Mitte des 5. Jahrhunderts die Macht in der Region übernahmen sank die Stadt jedoch zur Bedeutungslosigkeit herab. Daran sollte sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nichts ändern. Damals begannen Wissenschafter mit Grabungen und machten so den Anfang zur Wiederentdeckung des römischen Lebens in der Region.

Info:
Römerstadt Carnuntum – Römisches Stadtviertel
Hauptstraße 1A, 2404 Petronell-Carnuntum
Öffnungszeiten: 19. März – 19. November 2009, täglich 9.00-17.00 Uhr

Führungen: Wochenende: 10.00 | 12.00 | 14.00 | 15.30 Uhr (einstündig)
An den Wochenenden findet um 12.00 Uhr die Zeitreiseführung mit den Carnuntiner Bürgern Lucius und Julia im Römischen Stadtviertel statt.
Preis: 3 Euro

Museum Carnuntum
Sonderausstellung „Der Adler Roms – Carnuntum und die Armee der Cäsaren“
19. März 2017 bis 22. November 2020
Badgasse 40 – 46, 2405 Bad Deutsch-Altenburg
Öffnungszeiten 2017: 19. März bis 19. November 2017 täglich 9.00 bis 17.00 Uhr

Amphitheater Bad Deutsch-Altenburg
Wiener Straße 52
2405 Bad Deutsch-Altenburg
Eintritt: Carnuntum Ticket: Euro 11 / ermäßigt Euro 9
Gültig für den einmaligen Eintritt in das Römisches Stadtviertel, Museum Carnuntinum, Amphitheater Militärstadt bis Saisonende 2017

Nähere Informationen unter: www.carnuntum.at/de

Veranstaltungs-Tipps:

Römerfestival 2017
10.  Juni 2017 09 00 Uhr
11.  Juni 2017 09 00 Uhr
17.  Juni 2017 09 00 Uhr
18.  Juni 2017 09 00 Uhr
Legionäre, Gladiatoren, szenische Darstellungen, Handwerker, Händler, Barbaren, Kinderaktivitäten u.v.m. erwecken an vier Festtagen die Römerwelt wieder zum Leben.

Termine:
Carnuntum 333. Festival der Spätantike
12. August 2017 09.00 Uhr bis 15. August 2017 17.00 Uhr
100 Reenactors von knapp 20 unterschiedlichen Gruppen aus Österreich, Ungarn, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und der Schweiz werden von 12. bis 15. August spätantikes Leben live in Carnuntum nachempfinden.

Römische Gaumenfreuden
Termine: 29. Juli, 19. August, 26. August und 9. September 2017
Erstklassige Köche verwöhnen Gourmets mit römischen Originalrezepten. Zwischen den kommentierten Menügängen können die Gäste bei der Speisenzubereitung zusehen.

Geschrieben von Sandra Schäfer