David, einer der ersten Musiker, der im Jazz Synthesizer im großen Stil eingesetzt hat, war der österreichische Pianist, Komponist, Bandleader und Arrangeur Joe Zawinul. Was hat ihn dabei von anderen Musikern wie zum Beispiel Herbie Hancock oder Chick Corea unterschieden?

Auch viele andere Musiker haben in den frühen 1970er Jahren begonnen, Keyboards im Jazz und anderen Genres einzusetzen, aber der Unterschied zu Joe war der Sound. Joe Zawinul hat das Keyboard nicht einfach als eine Erweiterung des Klaviers, sondern als eigenes Instrument betrachtet. Er hat am Synthesizer einen sehr warmen, menschlichen Sound gefunden. Bei Leuten wie Herbie Hancock oder Chick Corea hat man immer ein bisschen das Gefühlt gehabt, als wie wenn gelernte Pianisten auf das Keyboard umsteigen, bei Joe Zawinul war das immer etwas ganz Eigenes.

Zusätzlich hat Joe Zawinul bei Kompositionen für seine Band Syndicate, die von 1988 bis 2007 in unterschiedlichen Besetzungen bestanden hat, immer auch Einflüsse von World Music aus Afrika und anderen exotischen Ländern verarbeitet. Auch das war zu dieser Zeit im Jazz eher sehr etwas Ungewöhnliches richtig?

Definitiv. Das hat mich als junger Musiker immer sehr beeindruckt. Joe Zawninul war diese Mischung von Jazz und World Music sehr wichtig. Sein Motto war, dass quasi die ganze Welt bei ihm auf der Bühne steht und alle kommen gut klar, weil man über die Musik die gleiche Sprache spricht.

Auf deinem neuen Album „Austrian Syndicate“ sind Kompositionen angelehnt an Joe Zawinul zu hören. Was hast du an Ihm und seiner Musik besonders geschätzt?

Es war mir von Anfang an klar, dass ich für das neue Projekt keine Zawinul-Coverband zusammenstellen will, sondern es ging viel eher darum, ein Album mit eigenen Kompositionen einzuspielen, welches vom musikalischen Erbe von Zawinul inspiriert ist beziehungsweise daran anknüpft. Bei „Austrian Syndicate“ haben wir schon zu Beginn die Entscheidung getroffen, dass diesmal mein Kollege Peter Madsen am Klavier sitzen würde und ich in der Band viele meiner Synthesizer verwenden würde. Zur Band gehören noch Herbert Pirker (drums), Raphael Preuschl (bass) und Claudio Spieler (percussion). Wenn du als Pianist mit Synthesizern arbeitest, bist du sofort mit Joe Zawinul konfrontiert. Joe ist eine Art Maßstab für diese Art von Musik könnte man sagen! Ich bin großer Fan von Joe Zawinul, habe viele seiner Interviews gelesen, und es gibt auch sehr interessante Bücher über sein Leben beziehungsweise Werk. Das ein Wiener Musiker aus einfachen Verhältnissen in die USA emigriert, und dort eine Weltkarriere als Pianist und später auch als Komponist, Bandleader und Arrangeur startet, ist schon etwas ganz Besonderes. 

Du bist auf der neuen CD zum ersten Mal ausschließlich an elektronischen Tasteninstrumenten zu hören. Was macht für dich den Unterschied aus, wenn du Klavier oder Synthesizer spielst?

Reines Klavierspiel war mir immer ein bisschen zu wenig, ich habe immer eher nach Sounds gesucht,  ähnlich wie Joe Zawinul. Ich versuche am Klavier beispielsweise mit dem Abdämpfen von Tasten, perkussivem Spiel oder ähnlichen zu experimentieren. Joe Zawinul hat ja schon als junger Musiker in Wien die Tasten von seinem Akkordeon abgeklebt, um nach besonderen Sounds zu suchen. Insofern war es bei der „Austrian Syndicate“- CD für mich eine logische Entwicklung, Peter Madsen das Klavier zu überlassen und selbst an neuen Synthesizer-Sounds zu tüfteln.

Würdest du bei zwei Kompositionen des Albums näher auf Ihre Entstehung eingehen?

Ich finde besonders die Balladen sind gut gelungen, wie zum Beispiel das Stück „We Need Some Help Down Here“ von Peter Madsen. Oder meine Komposition „Ballad for Schönenbach“. Schönenbach ist ein wunderschönes Ort in Vorarlberg im Bregenzer Wald, da ist es eigentlich schon recht abgelegen und dann fährt man noch ca. zwanzig Minuten durch den Wald vorbei an einem Bach, bis man zu dem Platz kommt. Irgendwie hat der Ort etwas Magisches, ich habe dort auch geheiratet. Darum habe ich das Stück diesem Ort gewidmet.

Mit „Komm, lieber Mai und mache“ ist auf dem neuen Album auch ein Stück von Mozart mit der portugiesische Sängerin Maria Joa als Gast zu hören. Wie hat das in dein Konzept reingepasst?

Ich hatte die Idee, neben unseren eignen Kompositionen und einem Stück von Joe Zawinul auch ein Lied von Mozart in das Programm aufzunehmen, um noch einen anderen, großen Komponisten mit Österreich-Bezug zu featuren. Auch in Bezug auf den Bandnamen „Austrian Syndicate“ fand ich das stimmig. Für das Lied Maria Joao als Gast einzuladen, war eigentlich reine Intuition. Zuvor hatte ich auch andere Sängerinnen kontaktiert, aber sie konnten mit Mozart nicht so viel anfangen. Dann kam mir spontan Maria in den Sinn, sie sagte auch gleich zu, und war sehr offen. Obwohl „Komm, lieber Mai und mache“ ja von Mozart ist, hat es auch etwas von einem Volkslied. Wenn jemand wie Maria Joao, die ja aus einem ganz anderen Genre kommt, Mozart singt, finde ich das sehr spannend und lustig.

Welche anderen Gäste hast du für das „Austrian Syndicate“-Album noch eingeladen?

Eigentlich ist das ganze Album eine bunte Mischung vieler Einflüsse: Unser Percussionist Claudio Spieler studiert viel mit einem indischen Meister, deshalb gibt es mit „Grundbira Dance“ einen Track mit indischem Sprechgesang. Der tunesische Oud-Spieler Dhaffer Youssef war zur Zeit der Studioaufnahmen gerade in Wien und ist im Porgy&Bess aufgetreten. Ich habe ihn spontan eingeladen, auf dem Stück „Hymn to Vienna“ mitzuspielen und das hat gleich sehr gut funktioniert. Auch James Brown-Weggefährte Fred Wesley an der Posaune und der legendäre Perkussionist Alex Acuna, der auf unzähligen Alben zu hören ist und mit Joe Zawinul bei der Band„Weather Report“ zusammengespielt hat, sind beim Album mit von der Partie.

Ich habe in deiner Biografie gelesen, dass du schon mit sechs Jahren begonnen hast Klavier zu spielen. Wie bist du dann zum Jazz gekommen?

Ich hatte schon als Kind in der Musikschule in Feldkirch glücklicherweise eine sehr coole, an vielen Genres interessierte Klavierlehrerin. Mit elf, zwölf Jahren bin ich dann ans Jazzseminar Dornbirn gewechselt, eine Schule mit speziellem Fokus auf Jazz. Dort lernte ich meinen ersten Lehrer für Jazzklavier kennen, der gleichzeitig auch großer Prince-Fan war. Mit dieser Begeisterung für Prince hat er mich gleich angesteckt. Pianist Peter Madsen ist nach Vorarlberg gezogen, als ich circa sechszehn Jahre alt war. Peter hat auch am Jazzseminar unterrichtet und wurde bald zu einem meiner wichtigsten Förderer und Mentoren. Parallel habe ich dann am Konservatorium noch Klassik studiert, aber in punkto Jazz und auch in Themen wie Philosophie etc. war Peter zu dieser Zeit mein wichtigster Ansprechpartner.

Was war das erste Jazzkonzert, das du selbst besucht hast?

Mein Vater war auch Musiker und hat mich als Kind einmal zu einem Konzert des französischen Pianisten Michel Petrucciani mitgenommen. Zawinul und sein Syndicate habe ich später mit ungefähr zehn, elf Jahren live gehört. Joe Zawinul hat in Rankweil in Vorarlberg im „Alten Kino“ gute Freunde gehabt, und deswegen ist er praktisch auf jeder Tour zwischen Konzerten in Paris und Wien auch immer in Rankweil aufgetreten. Später war ich mit einer meiner frühen Bands auch einmal als Vorgruppe bei einem Auftritt von Joe Zawinul im „Alten Kino“ gebucht, und danach haben wir uns persönlich kennengelernt.

Ist die Veröffentlichung eines neuen Tonträgers für dich eigentlich auch finanziell wichtig oder fallen da deine zahlreichen Live-Konzerte in unterschiedlichen Formationen mehr ins Gewicht?

Ich würde so weit gehen, zu sagen, dass die CD eigentlich nur eine teure Visitenkarte ist. Es ist zwar ein kleines Zusatzbrot, aber viel verdiene ich an einer CD nicht. Wenn man bedenkt, was es kostet, so eine Aufnahme zu produzieren, bleibt dann am Schluss von den Verkäufen nicht viel übrig. Aber man braucht den physischen Tonträger trotzdem, um zum Beispiel an Veranstalter heranzutreten und zu Konzerten eingeladen zu werden. Für meinen Lebensunterhalt sind die die Live-Konzerte wichtiger.

Was sind deine nächsten Pläne?

Ich werde in den nächsten Monaten mit dem „Austrian Syndicate“-Album viel auf Tour sein, sowohl in ganz Österreich als auch im benachbarten Ausland. Im Jänner 2024 werde ich vierzig Jahre alt und aus diesem Anlass wird im Porgy&Bess ein dreitägiges Festival stattfinden, wo ich unter anderem auch im Trio und mit dem Austrian Syndicate auftreten werde. Ich möchte zum Festival auch viele musikalische Freunde als Gäste einladen.

Danke für das Gespräch!

David Helbock – 40er-Geburtstagsfestival
26. Januar 2024, 20:30
David Helbocks Random/Control feat. Fola Dada (A/D)
 https://www.porgy.at/events/11681/

Sa 27. Januar 2024, 20:30
Iiro Rantala / David Helbock Duo (FIN/A)
https://www.porgy.at/events/11682/

So 28. Januar 2024, 20:30
David Helbock Solo/Duos/Trios / Austrian Syndicate (A/F/USA)
https://www.porgy.at/events/11683/

Das Album „Austrian Sydnicate“ ist am 25. August 2023 bei ACT Music erschienen.

David Helbock wurde 1984 in Vorarlberg geboren, begann im Alter von sechs Jahren Klavier zu spielen. Nach einigen Jahren Klavierunterricht an der Musikschule Feldkirch und am Jazzseminar Dornbirn wechselte er 1998 ans Konservatorium Feldkirch, um bei Prof. Ferenc Bognar klassisches Klavier zu studieren, wo er 2005 sein Konzertfach-Diplom mit Auszeichnung abschloss. Zusätzlich nahm David Helbock von 2000 bis 2008 Unterricht beim New Yorker Jazzpianisten Peter Madsen (bekannt für seine Arbeit mit Stan Getz, Joe Lovano, Fred Wesley und anderen), der sein Lehrer, Mentor und Freund wurde. Sie spielen auch heute noch zusammen in Madsens Ensemble "Collective of Improvising Artists (CIA)" und gründeten 2023 das gemeinsame Projekt "Austrian Syndicate". Während seiner gesamten musikalischen Laufbahn war David Helbock auch als Komponist aktiv. Neben Auftragskompositionen für beispielsweise Streichorchester, Kammermusik, Chöre oder Big Bands zählt ein großes "Jahreskompositionsprojekt" zu seinen Werken, in dem er ein Jahr lang jeden Tag ein neues Stück schrieb. David Helbock hat bisher fast 25 Alben unter eigenem Namen als Bandleader veröffentlicht. Auf den bisher veröffentlichten Alben von David Helbock sind insgesamt über 100 Eigenkompositionen erschienen, die weltweit aufgeführt werden. David Helbock hat Konzerte mit seinen eigenen Ensembles in Ländern wie den USA, Kanada, Mexiko, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, China, Mongolei, Südkorea, den Philippinen, Indonesien, Malaysia, Singapur, Indien, Südafrika, Äthiopien, Kenia, Senegal, Marokko, Tunesien, Israel, Iran, Brasilien, Argentinien, Chile, Australien und in ganz Europa gespielt. 
www.davidhellbock.com

Titelbild: © Severin Koller

Geschrieben von Robert Fischer