Seit 1994 sorgt das Tschechische Zentrum in der Herrengasse für die Bekanntmachung und Verbreitung tschechischer Kultur in Wien. Wandte man sich bereits mit der Präsentation über tschechische Kinderbuchliteratur im vergangenen Jahr an ein jüngeres Publikum, so geht es mit der aktuellen Ausstellung weiter in die Adoleszenz – und zwar mitten hinein in die Subkultur. Obwohl mittlerweile inmitten der Gesellschaft angekommen, nimmt „die Kunst des Tätowierens“ – so der Titel der aktuellen Schau – im Kunstbetrieb immer noch eine Randposition ein. Riskiert man allerdings einen genaueren Blick in das Genre fällt auf: immer mehr TätowiererInnen können sich heutzutage auch AbsolventInnen von Kunsthochschulen nennen. Viele fahren zudem zweigleisig. Unter ihnen auch die 1988 geborene Julia Chocola. Mit ihren Bildern ist die junge tschechische Künstlerin in diversen Ausstellungen vertreten – als eine der interessantesten Tattoo-Künstlerinnen des Landes zieren ihre Werke die Haut diverser KundInnen. Im Tschechischen Zentrum findet sich Platz für beides. Gemeinsam mit Monika Martykánová (neben ihrer Profession als Tätowiererin haucht die Absolventin der „Akademie der Künste, Architektur und Design“ in Prag der Kunst der Keramik neues Leben ein) ist sie als eine von zwei Frauen in der Ausstellung im Tschechischen Zentrum zu Gast. Tätowieren ist eben längst nicht nur Männersache.

Ungewöhnlich und begehrt

Auch was die Kunden betrifft, stehen Frauen Männern in keiner Weise nach. Doch ob männlich oder weiblich, will man einen Termin bei einem bekannten Tätowierer bekommen, muss man sich oft auf wochen- oder gar monatelange Wartezeiten einstellen. Hoch begehrt sind mittlerweile beispielsweise auch die Arbeiten der tschechischen Tattoo-Künstler Jan Mráz und Martin Routa. Während Mráz für seine grafisch wirkende Anhäufung von schwarzen Linien bekannt ist, ist Routa einer der wenigen Künstler, der seine eigenen Nadeln herstellt. Die selbst erzeugten Tätowierwerkzeuge finden auch in seinen Gemälden Anwendung. Eine kleine in den Raum hängende Vitrine zeigt die „süßen“ Folterwerkzeuge. Nicht minder ungewöhnlich sind auch die Arbeiten von Ondrej Konupcikaka aka Ondrashh, der vor allem für seinen, die Aquarellmalerei nachahmenden Stil bekannt wurde. Zusammen mit dem Künstler Radim Kaspárek erfand er zudem eine Technik, die es ihm ermöglicht direkt auf eine nasse Leinwand zu malen.

Einen Überblick über seine sowie die Arbeiten der anderen KünstlerInnen auf Leinwand (und Keramik) kann man sich in der Ausstellungshalle im Obergeschoß holen. Wer mehr über die Werke auf Haut wissen will, der muss allerdings – begleitet von den anwesenden Vermittlern – in den Keller hinabsteigen. Ein wahrlich einzigartiges Erlebnis. In einem alten Tunnel, der noch über Originalschienen zu den Tresoren und Depots der hier einst im Palais ansässigen Nationalbank verfügt, heißt es sich zum Summen der aus den 70er Jahren stammenden Diaprojektoren einen Eindruck von der Vielfalt der modernen Tätowierkunst zu verschaffen. Bitte mehr davon!

Die Kunst des Tätowierens
Noch bis 15. Jänner 2020
Tschechisches Zentrum Wien
Herrengasse 17
A – 1010 Wien
Tel.: +43-1-535 23 60
www.tschechischeszentrum.at

Geschrieben von Sandra Schäfer