Hart‘sche Linie oder Bartholin-Drüse: Namen männlicher Forscher haben sich bis in die weiblichen Geschlechtsteile eingeschrieben. Jahrhundertelang hatten Frauen nicht nur keine politischen Rechte, sondern auch nichts mitzureden, wenn es um ihren eigenen Körper und dessen Wahrnehmung ging. Nur allzu gerne wurden ihre Leiden als Ausprägungen von Hysterie abgetan. Die Frau als hysterisches Wesen ist eine Charakterisierung, die nach wie vor auch im 21. Jahrhundert noch präsent ist. Es dürfte zudem vermutlich kaum eine weibliche Person geben, die nicht zumindest einmal im Leben eine von einem Mediziner scherzhaft gemeinte, doch verletzende Aussage (man sollte diese einmal sammeln) entgegengeschmettert bekommen hätte. Nicht selten bohren sich diese tief in unser Bewusstsein. Mit über Humor verfügen oder nicht, hat dies im Übrigen wenig zu tun.

Auch Texterin und Schauspielerin Carmen Kirschner hat eine dieser Aussagen – die ärgern bevor sie einen zum langen darüber Nachdenken bringen – zu Gehör bekommen. Die junge Theatermacherin hat aus eben einer solch flapsig hingeworfenen Bemerkung ein Stück kreiert – ein äußerst unterhaltsames wohlgemerkt. Auf der Bühne schlüpft Kirschner als Schauspielerin in die Rolle der Eidechse Rea, ihren abgeschnittenen Eidechsenschwanz (das wunderbare Kostüm stammt von Hana Ramujkic) stets in unmittelbarer Nähe. Nachwachsen wird dieser den gesamten Abend nicht. „Sie sind ja keine Eidechse“ lautete einst die Bemerkung eines Gynäkologen auf die Frage, ob ein weggeschnittener Gebärmutterhals sich nachbilden könne, anders ausgedrückt: es gibt keinen neuen oder Ersatz-Gebärmutterhals für Patientinnen, die wie die Hauptfigur an einer Vorstufe von Krebs erkrankt sind.

Doch was würde geschehen, wenn manche von uns doch Eidechsen wären? Wäre man eine Vertreterin der Eidechsenart „Heteronotia binoei“, wie Rea, dann könnte man seinen Nachwuchs ohne männliche Echsen problemlos selbst produzieren. Befreundet wäre man als solche möglicherweise mit einem Vogel namens Mo (Josefine Reich). Klingt alles sehr fantastisch, ist es jedoch nicht – hat oder hätte nicht jede/r von uns gerne ein Alter Ego in irgendeiner Form?

Kirschner und Anna Kirstine Linke (Regie) behandeln mit ihrem Stück nicht nur das für viele Frauen sehr reale Thema wie Gebärmutterhalskrebs, sondern kommen auch auf Vulvodynie – Juckreiz, Brennen, Stechen und Schmerzen in der Vulva – Endometriose und die Wahrnehmung der kranken Frau in der Geschichte zu sprechen. Kurz gesagt: „Es geht um dich und dein Becken“. Denn „nur du weißt, was in deiner Unterhose abgeht“. Mehrere Wörtchen mitzusingen hat bei diesen Themen allerdings auch ein medizinisches Gerät namens Spekulum. Alle diejenigen, die den Text des „Spekulum-Songs“ während der Aufführung nicht verstanden haben – sei es aufgrund des verwendeten Dialekts oder der Akustik – im Programmheft befindet sich ein Abdruck desselbigen. Wissenswertes zu erfahren, gibt es im Laufe des Abends außerdem über Tampons und Hexen(verfolgung) – dargeboten in bunter Manier, mit Videoeinspielungen und Verweisen auf die Popkultur. Auch wenn der Name des Stückes etwas sperrig klingt: mit „DIPPEL. DIAGNOSE CIN 3. gyn health for lizards“ beweisen Kirschner und ihr Team, dass auch ernste Themen gute Unterhaltung bieten und das Publikum zum Schmunzeln bringen können. Die Besucher*innen erwartet ein kurzweiliger Abend, der einen einigen Stoff zum Grübeln – mitunter auch das eine oder andere seltsame Bild im Kopf von Penissen, die in Käfigen mit Körnern gefüttert werden – mit auf den Nachhauseweg gibt.

DIPPEL. DIAGNOSE CIN 3
gyn health for lizards

von Carmen Kirschner
Weitere Termine: 11. bis 13. Okt., 20:00 Uhr
Kosmos Theater
Siebensterngasse 42, 1070 WIEN
www.kosmostheater.at

Geschrieben von Sandra Schäfer