Für wie viele (Handy-)Filmaufnahmen Wien im vergangenen Jahr Touristen als Kulisse diente lässt sich nicht bestimmen. Fest steht, dass die „Vienna Film Commission“ 2022 für 624 Filmprojekte 1102 Anträge für Drehgenehmigungen gestellt hat. Die „Vienna Film Commission“ fungiert als Schnittstelle zwischen Filmschaffenden und den zuständigen Wiener Magistraten. Sie stellt Empfehlungsschreiben aus und setzt sich mit den zuständigen Stellen – von der Magistratsabteilung für Verkehr bis hin zur MA 49 für Forst- und Landwirtschaft – in Verbindung. Wer auf Wiens Straßen, Parks oder Märkten einen Film drehen will, dem steht die „Vienna Film Commission“ seit 2009 hilfreich zur Seite.

Gute Zusammenarbeit

Mit welchen Herausforderungen die Arbeit mit Filmteams für die Wiener Magistratsabteilungen mitunter verbunden ist, lässt sich an einer von der Leiterin der „Vienna Film Commission“, Marijana Stoisits, dargebotenen Anekdote rund um die Dreharbeiten zur Netflix-Serie „The Recruit“ im April 2022 verdeutlichen. Aufgrund der wechselnden Wetterverhältnisse musste der für den Sprung des Hauptdarstellers von der Aspernbrücke benötigte Kran ein zweites Mal (nachts) von der zuständigen Magistratsabteilung herangeschafft werden. Eine Drehgenehmigung musste jedoch nicht nochmals beantragt werden. Das Filmteam sei von der unkomplizierten Handhabung begeistert gewesen, so Stoisits.

Die Netflixproduktion „The Recruit“ war neben „Criminel“ und dem Blockbuster „Extraction 2“ (mit Chris Hemsworth in der Hauptrolle), bei dem mehrere Explosionen auf der Donauplatte in Szene gesetzt wurden, eine von insgesamt 102 internationalen Filmproduktionen, die 2022 in Wien über die Bühne gingen. Die Produktion profitierte bereits von dem neuen „Vienna Film Incentive“ – eine zwei Millionen Euro umfassende internationale Filmförderung, die mit Chance auf Verlängerung bis Ende 2023 ins Leben gerufen wurde. Insgesamt sei der Anteil an internationalen Produktionen im vergangenen Jahr um 21 Prozent gestiegen. Die Tendenz für das nächste Jahr sieht man weiter steigend. Grund für den Optimismus bietet, nach dem Vorbreschen Wiens, ein neues österreichisches Anreizsystem, das seit 1. Jänner 2023 in Kraft ist.

Neues Fördermodell FISA+

Bis vergangenes Jahr waren zahlreiche Großprojekte an dem Umstand gescheitert, dass Österreichs Nachbarländer attraktivere Fördermodelle anboten. Das neue Fördermodell FISA+ verfügt nun erstmals über keine Deckelung. Bis zu 35 Prozent der in Österreich investierten Mittel können refundiert werden. In Anspruch genommen werden kann das Modell von unabhängigen Produktionsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Österreich, die mit der Herstellung eines Films oder erstmals auch eines Produktionsteils (wie beispielsweise Aufnahme von Filmmusik oder Special Effects für Produktionen) beauftragt wurden. Neu ist ebenfalls, dass auch österreichische, nicht im Auftrag von Sendern oder Videoabrufdiensten hergestellte Fernseh-, Streaming- und Virtual-Reality-Produktionen über 1,8 Millionen Gesamtbudget sowie internationale Serviceproduktionen aus den Bereichen Kino, TV und Streaming Zuschüsse erhalten. Damit soll Österreich zukünftig auch für die global agierenden Streaming-Konzerne vermehrt in den Fokus rücken.

Die im Jänner und Februar in Wien durchgeführten Dreharbeiten zur HBO-Produktion „The Palace“ mit Kate Winslet und Hugh Grant (Regie: Stephen Frears) wurden von vielen Medien bereits als ein Vorbote gesehen, dass das neue System seine Wirkung entfalte. Gedreht wurde – wie bereits Anfang Februar im Standard zu lesen war – unter anderem im Gartenpalais Liechtenstein im Bezirk Alsergrund. Weitere Drehorte sind bis zum Serienstart noch geheim. Das Team sei, so versichert Stoisits, von Wien begeistert gewesen. Besichtigt hätte man vor allem imperiale Kulissen.

Absoluter Spitzenreiter in der Motivrangliste seien im vergangenen Jahr erneut die Stadtgärten sowie die Wiener Märkte und Brücken gewesen. Großer Beliebtheit für Anfragen erfreuten sich auch die „viadonau“ (zuständig unter anderem für die Donauinsel), Wiens Bäder sowie die Gemeindebauten.
Die Motivvielfalt Wiens nahmen 2022 neben einer Vielzahl von österreichischen Filmschaffenden vor allem deutsche Produktionen in Anspruch, gefolgt von Großbritannien, den USA, Frankreich und Australien.
Einen weiteren starken Impuls für die heimische Filmbranche verspricht man sich von den voraussichtlich Ende 2023 fertig gestellten „HQ7 Studios“ am Wiener Hafen. Die „grünen“ Studios mit einer Größe von jeweils 2000 und 1000 Quadratmetern sollen den neuesten technischen Standards entsprechen.

Bekannte internationale Produktionen, die in Österreich gedreht wurden
Von romantisch bis unheimlich – die Stadt Wien wurde im Laufe der Filmgeschichte schon von allen möglichen Seiten beleuchtet. Am düstersten wurde die österreichische Hauptstadt bis heute wohl in dem Filmklassiker „Der Dritte Mann“ mit Orson Welles auf Celluloid gebannt. Kein Wunder: Verlief ein Großteil der Dreharbeiten im Wiener Kanalsystem. Unvergessen ist bis heute auch die Szene im Wiener Prater. Im Jahr 1987 diente der ältesten Vergnügungsparks Europas dann erneut als Kulisse. Dieses Mal für den James Bond Film „Der Hauch des Todes“, dessen Drehorte sich wie ein klassisches Wiener Sightseeing Programm lesen: vom Schloss Schönbrunn über die Volksoper bis hin zum Gasometer.
Von seiner romantischen Seite präsentierte sich Wien 1995 in dem Richard Linklater Film „Before Sunrise“. Ethan Hawke und Julie Delpy schlendern durch verträumte Gassen, romantische Parkanlagen und machen dabei auch in Wiens alternativem Szenelokal Arena halt. Zwei Jahre zuvor war die Stadt für den Disney Film „Die drei Musketiere“ in die Rolle Frankreichs im 17. Jahrhundert geschlüpft. In der Vergangenheit kämpften mit Helen Mirren und Ryan Reynolds auch schon Ryan Reynolds und Helen Mirren (als Randy Schoenberg und Maria Altmann) in Wien um die Rückgabe eines wertvollen Klimt-Gemäldes. Der 2015 erschienene Film „Frau in Gold“ beruht auf der wahren Geschichte um die Restitution des Porträts „Adele Bloch-Bauer I“. Gedreht wurde unter anderem am Ulrichsplatz, in der Akademie am Schillerplatz, im Park des Belvedere, am Judenplatz und in der Domgasse sowie im Palais Auersperg, wo das Wohnzimmer, in der das Porträt „Adele Bloch-Bauer I“ hing, nachgestellt wurde. Für die Wiener*innen allerdings weitaus aufsehenerregender war der Dreh im Rathaus, der im Sommer 2015 über die Bühne ging und für den das Areal großflächig abgesperrt wurde. Über tausend KomparsInnen versammelten sich vor dem Rathaus, an dem (erneut) Hakenkreuzfahnen wehten.
Für Schlagzeilen sorgten aber auch die Dreharbeiten für „A Dangerous Method“ mit Keira Knightley und Michael Fassbender 2010 in der Berggasse sowie 2014 in der Wiener Staatsoper. Tom Cruise war im Sommer 2014 nach Wien gereist, um sich im Rahmen der Dreharbeiten für „Mission Impossible 5“ vom Dach abzuseilen. Noch größer war der Andrang als der Film in der Wiener Staatsoper auch seine Premiere feierte.

Titelbild: Filmdreh „Extraction 2“ auf der Donauplatte © Vienna Film Commission

Geschrieben von Sandra Schäfer