Sogar der Kaiser blieb stehen und unterhielt sich mit der Künstlerin. Als Olga Wisinger-Florian 1886 im Wiener Künstlerhaus ausstellte hatte sie sich als Malerin bereits einen Namen gemacht. In nur wenigen Jahren war es der Künstlerin gelungen sich mit Talent und Fleiß – wie sie selbst die Formel ihres Erfolgs definierte – eine Käuferschicht ihrer Bilder zu lukrieren und ein Leben als unabhängige Künstlerin zu bestreiten. Nötig gehabt hätte sie die Einkünfte als Gattin eines wohlhabenden Apothekers nicht, doch die 1844 in Wien als einziges Kind eines Regierungsrats geborene „Tochter aus gutem Hause“ strebte nach Unabhängigkeit. Hatte sie sich zunächst der Musik zugewandt und eine Ausbildung zur Pianistin absolviert, machte ihr ein Leiden des Handgelenks zunächst einen Strich durch die Rechnung. Als Spätberufene begann sie sich mit dreißig Jahren der Malerei zuzuwenden. Nach ersten Lehrjahren bei Landschaftsmalern wie Melchior Fritsch und August Schaeffer wurde sie ab den 1880er Jahren Schülerin bei Emil Jakob Schindler. Das Lehrer-Schülerinnen-Verhältnis währte jedoch nicht lange, war sie ihm bald zur ernsthaften Konkurrentin geworden und man trennte sich einvernehmlich. Von nun an stand Wisinger-Florian auf eigenen Füßen. Als kluge und willensstarke Frau, die sich mühelos am gesellschaftlichen Parkett zu bewegen wusste, gelang es ihr sich bald mit ihren Bildern auch am Kunstmarkt zu profilieren. Vorsorglich hatte sie sich bereits in den Anfangsjahren in ihrem Haus in der Wienzeile ein Atelier eingerichtet, wo sie fortan als freie Künstlerin unterrichtete und Leute empfing. Zu ihren Gästen zählte unter anderem Prinzregent Luitpold von Bayern, der im Atelier gerne die eine oder andere Zigarette geraucht haben soll. Aber auch Baron Wertheim, Fürst Albert von Thun und Taxis oder Erzherzogin Clotilde, Prinzessin von Sachsen-Coburg sowie Fürst Ferdinand von Bulgarien waren Teil der illustren Runde der Sammler ihrer Gemälde. Letzterer lud die Künstlerin 1906 gar in seine Sommerresidenz, wo sie neue Inspiration fand. Jene berühmte Ulmenallee im Park des Klosters Euxinograd bei Varna am Schwarzen Meer sollte sie zu mehreren erfolgreichen Gemälden inspirieren. Darunter auch ihr letztes großformatiges Bild, das sie 1911 malte bevor sie zu erblinden begann.

„Flower-Power der Moderne“

Als Schlussstein ihres reichhaltigen Werkes ziert es derzeit gemeinsam mit 70 anderen Gemälden noch bis Mitte Oktober im Rahmen der ersten (von Marianne Hussl-Hörmann kuratierten) Einzelausstellung, die der Künstlerin nach 70 Jahren erneut gewidmet wurde, die Wände des Leopold Museum. Obwohl die Preise für die Bilder von Wisinger-Florian am Kunstmarkt im Bereich der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts über die Jahre konstant in der obersten Liga lagen, wurde sie im Ausstellungsbetrieb der letzten Jahrzehnte vornehmlich als Schülerin Schindlers oder im Kreise anderer österreichischer Künstlerinnen wie Tina Blau und Marie Egner präsentiert. Eine Rezeption, die es mit der Ausstellung im Leopold Museum aufgrund von neuesten Forschungsergebnissen zu korrigieren beziehungsweise zu erweitern gilt.

In drei großen Themenbereichen verdeutlicht die Schau den Weg der ehrgeizigen Malerin von der talentierten jungen Frau über eine Vertreterin des Stimmungsimpressionismus, den sie bei Schindler erlernte, bis hin zu ihrem späteren Werk, das sie zur Vorreiterin des Farbexpressionismus werden lies. Dazwischen liegen (mit dem ulkigen „großem Katzenbild“) Ausflüge in die Genremalerei und eine Reihe beeindruckender „Fingerübungen“ in Öl, die sie von den Eindrücken ihrer Reise 1894 anfertigte.

Mitte der 80er Jahre verlies Wisinger-Florian endgültig ihr Atelier, um sich der Malerei im Freien zuzuwenden. Zu den bekanntesten Arbeiten zählt ein Rosenbild, das ihr 1897 die Österreichische Staatsmedaille einbrachte. Nicht die einzige Auszeichnung, die sie im Laufe ihres Lebens mit nach Hause nehmen konnte. Medaillen erhielt sie auch bei den Weltausstellungen in Paris und Chicago, wo sie mit Werken vertreten war. Letztere bereiste sie mit ihren Sohn. Zu sehen war ihr Werk in einem Pavillon, der dem Schaffen von Frauen gewidmet war. Wisinger-Florian, die sich gemeinsam mit Bertha von Suttner auch in der Friedensbewegung engagierte, setzte sie sich Zeit ihres Lebens auch – unter anderem in ihrer Funktion als Präsidentin des 1885 gegründeten Vereins der Schriftstellerinnen- und Künstlerinnen – für die bessere Sichtbarkeit von Künstlerinnen ein. Ihr eigenes Schaffen wurde im Laufe der Jahre immer wieder mit männlichen Attributen bedacht. So soll Hans Makart (der im Übrigen während seiner Präsidentschaft im Künstlerhaus keine Frauen zu Ausstellungseröffnungen zuließ) beim Anblick eines ihrer Bilder ausgerufen haben „dass eine Frau so malen kann“.
Diesen Ausspruch mag man für chauvinistisch halten, allerdings ist zu bedenken, dass es der Künstlerin zu verdanken ist, das Blumenbildnis vom Ruf das Werk dilettierender weiblicher Kunstschaffender befreit und in neue Gefilde geführt zu haben. Ihr Weg führte sie dabei vom Stillleben in biedermeierlicher Manier, die sie im Atelier auf die Leinwand band hin zu Blumendarstellungen in der freien Natur. Dem Bilderzyklus der zwölf Monate, in dem sie die Natur im Wandel der Jahreszeiten festhält, folgten im Pinselstrich energischere Arbeiten bis hin zu ihren letzten intensiv farbigen Bilder von Gärten, Feldern und Alleen, die die Besucher noch heute ins Bild und in den Bann ziehen.

OLGA WISINGER-FLORIAN, Ulmenallee am Schwarzen Meer, 1911 © Privatsammlung, Oberösterreich Foto: Enzlmüller Fotografie, Pettenbach

OLGA WISINGER-FLORIAN, Ulmenallee am Schwarzen Meer, 1911 © Privatsammlung, Oberösterreich Foto: Enzlmüller Fotografie, Pettenbach

Olga Wisinger-Florian
Flower-Power der Moderne
Noch bis 21. Oktober 2019
Leopold Museum
MuseumsQuartier, Museumsplatz 1
1070 Wien
Öffnungszeiten: täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis 21.00 Uhr
www.leopoldmuseum.org

Zur Ausstellung erschienen ist ein umfangreicher Katalog:
Olga Wisinger-Florian. Flower-Power der Moderne. Hrsg. Marianne Hussl-Hörmann, Hans-Peter Wipplinger. Leopold Museum: Wien 2019

Geschrieben von Sandra Schäfer