Gerald, kannst du bitte erzählen, wie du mit Christine Nöstlinger in Kontakt gekommen bist beziehungsweise welche Texte von Christine Nöstlinger du für deine CD „A schenes Lem!“ verwendet hast?

Christine Nöstlinger hat seit den Siebziger- und Achziger-Jahren mit „Iba de gaunz oamen Leit“ keine Dialektgedichte mehr geschrieben. Die „oamen Leit“ hat das Rabenhofttheater vor circa zehn Jahren auf die Bühne gebracht und ich durfte – da waren wir noch in der Probenzeit – ihr ein Lied daraus vorsingen. Das war im Rahmen einer Ehrung im Ministerium. Da haben wir uns kennengelernt und über die Jahre immer wieder gesehen und ausgetauscht. Sprache und Dialekt waren da immer wieder Thema. Eines Tages hat sie diese 22 Zetteln hervorgezaubert und wir haben sie gemeinsam gelesen. Leider nur mehr einmal. (Anm. d. Red. 2019 erschienen diese Texte in Buchform posthum unter dem Titel „Ned, dasi ned gean do warat“im Residenz-Verlag)

Macht es für dich einen Unterschied, ob du eigene oder fremde Texte vertonst?

Die Melodien und Rhythmik in den Gedichten waren schon beim ersten Mal Lesen spürbar. Gedichte sind sowieso Lieder. Der Prozess, musikalisch in diese Textwelt zu gehen, war und ist schön und natürlich auch traurig, teilweise auch schwierig – irgendwie oag. Die Gedichte erzählen über die Stadt und ihre Menschen in ihren unangenehmsten Zonen, von Konflikten und Polarisierungen, Hoffnungslosigkeit bis zu Gewalt. Neid und Missgunst. Zwischen „bes“ und „bled“, arm und reich und auch Mann und Frau. Lustige Menschen sind schon auch dabei. „Da Fredl mid seine drei Valobtn und via Affean“ oder „de Jasmin vun da Vira-Schdiagn mit da rosan Beruckn“. Gegen Ende dann die Texte, die den Tod reflektieren. Ich hätte ihr wirklich gerne die Lieder noch vorgespielt.

Was schätzt du besonders an diesen Texten von Christine Nöstlinger?

Wenn ich mich kurzfassen muss: die Poesie und sprachliche Eleganz auf dieser kleinen Reise durch ein paar ausgesuchte Orte in Wien mit seinen Szenerien und Figuren. Das wird gleich so lebendig. Und drinen ist der leise Nöstlinger-Humor, der zwinkernde, unbestechliche Blick der Autorin.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Maria Petrova (Schlagzeug, Perkussion) und Walther Soyka (Akkordeon) für das neue Album?

Wir haben bereits in den Singspielen von und mit dem Labelchef Ernst Molden im Rabenhoftheater gemeinsam gespielt und musiziert. Als wäre das die beste Vorbereitung für die Konzerte gewesen. Das war der größte Wunsch von mir, mit Walther, der auch am Album spielt, aber eben auch mit Maria, die Lieder auf die Bühne zu bringen. Live darf das auch noch einmal einen Schritt aus sich herausgehen. Das ist mehr eine gemeinschaftliche Erfahrung, so ein Konzert – im Gegensatz zum Album. Maria und Walther haben einen Sound, eine musikalische Sprache und Haltung, die solche Geschichten und Texte sehr einzigartig erzählen und Stimmungen und Emotionen dazu zaubern können. Und sie sind beide Menschen, mit denen ich sowieso gerne zusammen bin und Zeit verbringe.

Gab es auch Texte von Christine Nöstlinger, die sich gegen eine Vertonung gewehrt haben?

Nein.

Ich nehme an, du liest generell gerne? Hast du besondere Lieblingsbücher?

Ich lese sehr gerne Bücher – also ohne Bildschirm. Lieblingsbücher habe ich viele. In den letzten Monaten habe ich auch Bücher gelesen, die unsere speziellen Zeiten etwas greifbarer machen, zum Beispiel „Das große Welttheater“ von Philipp Blom. „Nerds retten die Welt“ die Gespräche, die Sibylle Berg mit WissenschaftlerInnen führt, sind durchaus erhellend. Teresa Präauer und Clemens Setz liegen auch am Büchertisch.

Du bist auch Schauspieler. Durch die Pandemie beziehungsweise die diversen Lockdowns waren viele Theater lange geschlossen. Wie hast du diese Zeit erlebt?

Als Schauspieler hab ich zwischendrin in der Zeit auf Bühnen im Waldviertel und Zillertal gespielt. Ich freue mich, dass das möglich war. Die Einschränkungen, besonders in der Kultur, sind in meinem Leben einzigartig neu und sehr unangenehm. Wer war schon auf so etwas vorbereitet? Verordnete Stagnation mit gleichzeitig unbalancierter Geldverteilung; einerseits Gift für jede künstlerische Entwicklung und andererseits kann und muss es Motor sein, aus sich selbst heraus zu arbeiten und neue Möglichkeiten zu erfinden.

Wie lauten deine Zukunftspläne, auch abseits der Musik?

Ich bin nicht sehr talentiert, allzu weit zu planen. 2022 werden einige Konzerte stattfinden. Musik bleibt wichtig. Bissl a Theater wird sein. Aber auch ein paar zurückgezogene Wochen. Und es wird wieder Neues beginnen.

Zum Abschluss: welche drei Alben würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Diese Antwort könnte stündlich wechseln, je nach Tagesverfassung. Hier und jetzt wären es:
Billie Holiday – „Songs For Distingué Lovers“
Talk Talk – „Spirit of Eden“
Gustav – „Verlass die Stadt“

Danke für das Interview!

Zur Person:
Gerald Votava wurde in Wien als Sohn des damals bekannten ORF-Moderators Kurt Votava geboren. Er besuchte das Humanistische Gymnasium im Kollegium Kalksburg, wo er maturierte. In Wien studierte er Jus und Psychologie. Seit 1994 arbeitet er als Radiomoderator (bekannt vor allem durch „Projekt X“), Kabarettist und Schauspieler. Seit 2009 widmete er sich verstärkt der Schauspielerei und der Musik. Seit 2014 ist er mit Manuel Rubey, Gunkl, Clara Luzia, Cathi Priemer-Humpl und Boris Fiala Mitglied der All-Star-Band Familie "Lässig". Das Album  "A schenes Lem!" ist 2021 auf Bader Molden Recordings erschienen.

Geschrieben von Robert Fischer