Für die einen ist und war er eine Kultfigur, andere finden und fanden seine Werke verstörend. Seine Arbeiten über Aliens, biomechanischen Wesen und verunstalteten Babys haben seit den 70er Jahren stark polarisiert und sind vom Kunstbetrieb lange Zeit ausgeschlossen gewesen. Doch wen die Museen nicht ausstellen, der baut sich einfach sein eigenes. So geschehen Ende der 90er Jahre im Schweizer Kanton Freiburg (Fribourg) im kleinen Örtchen Gruyères.

Heute ist das im Festungsbereich des Chateau St. Germain untergebrachte Museum nicht nur Pilgerstätte für Gigerfans. Auch Wanderer, Reisegruppen und Filmfans tauchen regelmäßig in den dunkel gehaltenen Ausstellungshallen in die seltsamen Welten des „Alien“-Schöpfers ein. Bevor man allerdings ein Exemplar jenes berühmten Weltraummonsters zu Gesicht bekommt, das Giger für Ridley Scotts Kultfilm schuf, heißt es, wenn auch nicht die Erdumlaufbahn zu verlassen doch einiges an Höhenmetern zurückzulegen. Es hat schon etwas Eigentümliches, mitten in den Bergen aus dem Zug zu steigen, einen von Ziegen gesäumten Weg emporzuschreiten, um dann endlich nach der Überquerung eines mittelalterlichen Stadtplatzes mit dem Duft nach Käsefondue in der Nase vor eben jenen Museumspforten zu stehen. Doch vielleicht ist gerade auch das ein Faktor, der diesen Ort so besonders macht. Erschöpft lässt man sich zu einem Drink in einem für den Film „Dune“ designten Stuhl in der Giger Bar nieder. Wenig später – oder kurz davor – steht man den Originalen gegenüber.

Unterkühlte Erotik

Die Palette der im Museum gezeigten Objekte reicht von Skulpturen und Skizzen seiner Arbeiten zu Filmen wie „Species“, „Dune“, „Poltergeist“ und „Alien“ über seine frühen Bilder zur Biomechanik sowie der Passagen Serie. Ein kleiner Raum – mit Zutritt ab 18 Jahren – zeigt Neugierigen in rotes Licht getauchte, ausgeprägt obszöne Skizzen. Der Unterschied zu anderen großformatigen Werken von an Gebärmaschinen angeschlossenen mutierten Wesen nimmt sich allerdings nicht sonderlich groß aus. Als Element im Ausstellungsdesign hat es aber durchaus einen besonderen Reiz von Angesicht zu Angesicht im Kämmerchen einer wollüstigen Alienbüste gegenüberzustehen.

Obwohl Gigers Figuren allesamt etwas unterkühlt wirken und die Geschehnisse teilnahmslos über sich ergehen lassen, haftet den Bildern durchaus etwas Leidenschaftliches an. Das Gefühl beim Betrachten ließe sich wohl am besten mit der Anziehungskraft von Horrorfilmen vergleichen – eine die Nerven reizende Lust am Abartigen, der Lust am Ausloten der eigenen Grenzen. So gleicht ein Rundgang im Giger Museum in gewisser Weise einer Geisterbahnfahrt – einem Spaziergang an den Kanten zum Abgrund, inmitten im Sog einer ebenso verstörenden wie faszinierenden dunklen Ästhetik. Man müsste emotional schon sehr abgestumpft sein, um sich der Wirkung seiner Bilder zu entziehen.

Frühe Geisterbahn und phantastischer Realismus

Bereits seit seiner frühesten Kindheit war HR Giger von der Welt des Unheimlichen fasziniert. Der Sohn eines Apothekers, der 1940 in Chur geboren wurde, betrieb bereits als Schüler im Keller des Elternhauses eine Geisterbahn. Als Siebenjähriger verbrachte er seine Zeit viel im Museum, wo er sich fasziniert von der halb verfallenen Mumie einer ägyptischen Prinzessin zeigte. Später führte er ein Traumtagebuch, beschäftigte sich mit den Lehren des prominenten Psychoanalytikers Sigmund Freud und bannte seine in Träumen immer wieder kehrenden Ängste in seine Gemälde. Obwohl sich Giger im Laufe seiner Künstlerkarriere auch dem Okkulten näherte, war er doch alles andere als ein religiöser oder esoterischer Fanatiker. HR Giger schaffte es sich seine eigene Welt zu kreieren – und diese ist phantastisch, erschreckend und unheimlich ästhetisch zugleich.

Ergänzend zu seinen Welten sind im Dachgeschoß des Museums Werke aus der Privatsammlung des Künstlers zu sehen. Darunter auch Arbeiten von österreichischen Künstlern wie Ernst Fuchs und Gottfried Helnwein. Wer im Gegenzug übrigens eine Alienstatue in Wien sehen möchte, kann sich ins Phantastenmuseum im Palais Palffy begeben. Einen Ausflug ins Schweizer Giger Museum kann dieser Besuch freilich nicht ersetzten.

Museum HR Giger
Château St. Germain
1663 Gruyères
Öffnungszeiten: April bis Oktober täglich 10 – 18 Uhr, November bis März: Mittwoch bis Freitag: 13 – 17 Uhr, Samstag und Sonntag: 10-18 h; Montag und Dienstag geschlossen

http://www.hrgigermuseum.com/

Geschrieben von Sandra Schäfer