Sie fungieren längst nicht mehr als das, als was sie früher von angeblichen Witzbolden gedacht waren – die Burgenländer-Witze, Lachnummern-Schenkelklopfer für angebliche Rückständigkeit. Das österreichische Bundesland mit seinen Grenzen zu Niederösterreich, der Steiermark, Ungarn, Slowakei und Slowenien ist heute aus dem Konzert der erfolgreichen Bundesländer nicht mehr wegzureden. Es ist eine Story des erfolgreichen Wandels vom reinen Agrarland zu einer auch mit hochtechnisierten Unternehmen bestückten Region, die auch im Tourismus-, im Freizeit- und Gesundheitssegment eine bedeutende überregionale Rolle spielt.

Von Ungarn zu Österreich

Dabei war der Erfolgsweg dem Land jedenfalls nicht in die Wiege gelegt. So wie das Gebiet des heutigen Mitteleuropa war das Land in der Vergangenheit Schauplatz von Auseinandersetzungen der unterschiedlichsten Mächte, u.a. des Osmanischen Reiches, war Jahrhunderte ein Teil Ungarns, vor seiner offiziellen Zugehörigkeit zu Österreich als Deutsch-Westungarn bezeichnet und Aufmarschgebiet ungarischer Freischärler, die die Abtrennung des Landes von Ungarn infolge des von den alliierten Siegermächten diktierten Vertrags von St. Germain 1919 und letztlich von Trianon 1920 teilweise mit Waffengewalt verhindern wollten. Bei der 1921 durchgeführten Volksabstimmung in Ödenburg (heute Sopron) sowie in umliegenden Dörfern votierte eine Mehrheit für den Verbleib bei Ungarn. Die Absicht des neuen österreichischen Staates, Ödenburg zur Hauptstadt des Burgenlandes zu machen, war damit obsolet. Schließlich fiel die Wahl auf die damals recht unbedeutende Gemeinde Eisenstadt, die seither politisches und Verwaltungszentrum des Landes ist. Mit rund 15.000 Einwohnern ist sie die bevölkerungsmäßig kleinste Hauptstadt der Bundesländer.

1938 von der Landkarte getilgt

Zwischen 1938 und 1945 existierte das Burgendland nicht, es wurde von den nationalsozialistischen Machthabern von der Landkarte gelöscht und auf die Reichsgaue Niederdonau und Steiermark aufgeteilt. Von den Pogromen der Nazis blieb auch das Burgenland nicht verschont. Sämtliche jüdische Mitbürger wurden enteignet und aus dem Burgenland vertrieben. Gegen Ende des Krieges wurde auch Burgenland von den Kämpfen zwischen der Deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und den sowjetischen Truppen schwer getroffen.

Politische Zäsur in den sechziger Jahren

Vor allem in der Zwischenkriegszeit und noch einige Jahre nach der Errichtung der Zweiten Republik galt das Burgenland als wirtschaftlicher Nachzügler, als Armenhaus der Republik. Das änderte sich Zug um Zug nach der Übernahme progressiver politischer Kräfte im Jahr 1964, als die jahrzehntelang regierende konservative ÖVP durch eine von der SPÖ geführten Regierung unter Landeshauptmann Hans Bögl abgelöst wurde. Diese Zäsur wird nicht nur von zahlreichen Historikern als Weichenstellung, als Aufbruch in das moderne Burgenland angesehen, sondern auch von den meisten BurgenländerInnen selbst so empfunden. Die SPÖ stellt mittlerweile durchgehend den Landeshauptmann, derzeit übt diese Funktion Hans Peter Doskozil aus. Bei der jüngsten Wahl im Jahr 2020 konnte die SPÖ die absolute Mandatsmehrheit erringen.

Profiteur von EU-Beitritt

Ab Mitte der sechziger Jahre wurden verstärkt Industriebetriebe u. a. mit Förderungen seitens des Landes angesiedelt, die Infrastruktureinrichtungen, wie u.a. das Straßennetz, zügig ausgebaut. In seiner Eigenschaft als Grenzregion, die jahrzehntelang durch die Randlage zum kommunistischen Machtbereich und der damit verbundenen Abschottung definiert wurde, konnte das Land nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 namhafte Förderungen seitens der Staatengemeinschaft in Anspruch nehmen. Der Strukturfonds der EU und der Europäische Sozialfonds spielten und spielen dabei zweifellos eine wichtige Rolle. Viele neue Arbeitsplätze wurden geschaffen, dennoch pendeln Tausende Burgenländer (ca. 50.000) zu ihren Arbeitsplätzen in anderen Bundesländern – vor allem in die Metropole Wien (ca. 25.000). Andererseits pendeln rund 20.000 ArbeitnehmerInnen aus Ungarn, der Slowakei und Slowenien zu ihren Arbeitsplätzen in das Burgenland.

Hohes Qualitätsniveau im Weinbau

Trotz des industriellen und technologischen Aufschwungs und der Schaffung der damit verbundenen hochqualifizierten Arbeitsplätze ist das Burgenland weiterhin ein bedeutendes Agrarland. Vor allem der Weinbau genießt dabei hohen Stellenwert. Derzeit wird im Burgenland eine Rebfläche von 16.500 ha von ca. 8.000 Betrieben bewirtschaftet. Das Qualitätsbewusstsein hat vor allem in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Heute zählen vor allem die burgenländischen Rotweine zur Weltspitze, aber auch bei den Weißweinen wurde ein bemerkenswertes Qualitätsniveau erreicht. Spezielle Sorten, wie u.a. der Ruster Ausbruch oder der Furmint sowie der südburgenländische Direktträger Uhudler, haben ihren Siegeszug weit über die Grenzen des Landes angetreten.

Breites Freizeitangebot

Das Burgenland hat sich aber auch zur Destination mit exzellenten Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung entwickelt. Nicht zuletzt durch das Steppengewässer Neusiedlersee (das „Meer der Wiener“) und die so genannte „Lacken“ im Seewinkel zieht es jährlich hunderttausende Touristen aus aller Herren Länder an die Gewässergestade, die ihrerseits eine Fülle an sportlicher Betätigung bieten. Zahlreiche Burgen und Schlösser sowie reizvolle Kellergassen, wie zum Beispiel jene in Heiligenbrunn, geben einen historischen Einblick in die Geschichte des Landes. Ein ausgedehntes Netz von Radwegen mit einer Länge von über 2.500 Kilometern bietet auch „Pedalrittern“ Gelegenheit ihrem Hobby zu frönen. Hand in Hand mit dem touristischen Aufschwung erlebte und erlebt die Gastronomie einen Höhenflug. Die burgenländische (pannonische) Küche bietet eine breite Palette an Köstlichkeiten. Nicht zufällig wurde deshalb der in Purbach seine Kochkünste entfaltende Max Stiegl zum Koch des Jahres 2021 gekürt.

Das Land der Thermen

In den letzten drei Jahrzehnten hat sich das Land zudem als Thermenregion fest etabliert. Medical Wellness hat im Burgenland Tradition. Die heißen Quellen aus dem Untergrund ermöglichen, dass de facto ganzjährig diese Sparte genützt werden kann. Gesundheit in Form von Heilbädern und Freizeitgestaltung gehen eine angenehme Symbiose ein. Über ein Dutzend Heilbäder und Wellnesshotels in nahezu allen Teilen des Landes stehen den Gästen zur Verfügung.

Zusammenleben der Volksgruppen funktioniert

Das Zusammenleben der Menschen zwischen Parndorf im Norden und Heiligenbrunn im Süden funktioniert. Wahrscheinlich auch deshalb, weil die unterschiedlichen Volksgruppen im Land, von denen jene der burgenländischen Kroaten zahlenmäßig am stärksten vertretenen ist, gut harmonieren. Frei nach dem Motto: Zusammenhalten, denn gemeinsam sind wir stark. Es bleibt zu hoffen, dass sich daran auch in den nächsten 100 Jahren nichts ändern wird.

„Wir sind 100″

Für das Jubiläumsjahr wurden eine Vielzahl von Veranstaltungen geplant. Eröffnet wurde der bunte Reigen im Jänner mit mehreren Radiosendungen. Seit Februar ist nun auch die (noch online eröffnete) Ausstellung „Zeichen der Zeit“ in der Landesgalerie Burgenland zu sehen. Die Schau begibt sich auf die Spuren der Künstlergruppe „kgb polychrom“, die, vor 65 Jahren gegründet, das Burgenland (damals skandalträchtig) mit zeitgenössischer Kunst konfrontierte. Bis heute ist es ein Anliegen der mittlerweile 14 Mitglieder, Netzwerke zu forcieren und die Kunst im Burgenland mit starken Gegenwartsbezug zu stärken. Nicht minder aktuell nehmen sich dementsprechend auch die Themen aus, die von den KünstlerInnen der Gruppe – sowie Mitgliedern, die kurz vor der Aufnahme stehen – in der Ausstellung thematisiert werden. Flüchtlingspolitik der EU (Ilse Lichtenberger), unser Umgang mit den sozialen Medien (Fria Elfen) oder der Versuch die Vergangenheit mittels digitalen Medien festzuhalten und zu rekonstruieren (Michaela Putz) fanden als Themen ebenso Eingang in die Präsentation wie Florian Langs Blick auf unsere Gesellschaft vor und nach der Corona-Krise und Klaus Ludwig Kerstingers Portrait der Großmutter seiner Frau („Urli“). Die rüstig wirkende Dame begeht gleich dem Burgenland dieses Jahr den 100. Geburtstag.
Für weitere Veranstaltungen im Jubiläumsjahr (darunter das Liszt-Festival in Raiding, eine Sonderausstellung auf der Burg Güssing sowie diverse Sommertheater und eine Schau mit Fotos aus dem Landesarchiv im Wiener Fotomuseum WestLicht) empfielt sich ein Blick auf die Homepage: https://www.wirsind100.at/terminkalender/

Titelbild: Ziehbrunnen bei der Langen Lacke © Burgenland Tourismus / Peter-Podpera

Geschrieben von Sandra Schäfer und Stefan Weinbeisser