Langsam bewegte sich ein Zug von Trompetern vom Graben über den Kohlmarkt in die Burg und rief zum Turnier. Es war der 2. Juni 1560. Verkündet wurde ein Rennen über die Planken. Noch heute sind wir über das Ereignis, das am 17. Juni im heutigen Inneren Burghof stattfand, einigermaßen gut unterrichtet. Es war eines der großartigsten Feste aus der Zeit der Renaissance. Veranstaltet wurde es von dem späteren Kaiser Maximilian II. zu Ehren seines Vaters Ferdinand I. und seines Schwagers Herzog Albrecht von Bayern. Unter den Teilnehmern des Turniers befand sich auch Herzog Ernst von Österreich, des Kaisers siebenjähriger Sohn. Getragen wurde zu diesem Anlass – wie sollte es damals anders sein – Ritterrüstung beziehungsweise Harnisch, wie das Kleidungsstück in Fachkreisen bezeichnet wird. Einen Überblick über derlei prachtvolle Harnische – vom Kindermodell bis hin zum Funeralhelm – können sich Interessierte im Normalfall in der Wiener Rüstungskammer (die weltweit zu den bedeutendsten zählt) holen.
 
Für die aktuelle Schau „Iron Men“, die im benachbarten Kunsthistorischen Museum noch bis Ende Juni zu sehen ist, wurde eine, zum Teil eigens für die Präsentation restaurierte Auswahl, in noch nie gesehener Lebendigkeit in Szene gesetzt. Die Inszenierung der kostbaren Harnische sei, so Sabine Haag, Generaldirektorin des KHM-Museumsverbandes, bei dieser Ausstellung von besonderer Bedeutung gewesen. Was damit gemeint ist, davon können sich die Besucher*innen gleich im Eingangsbereich ein Bild machen. In der zentralen Vitrine „begrüßt“ erhaben der Feldharnisch der Adlergarnitur Erzherzog Ferdinands II. von Tirol die Besucher*innen. Geschmückt ist der Helm mit prächtigen roten Federn. Es fällt leicht, sich vorzustellen, welchen Eindruck ein solcher Aufzug auch auf die Zeitgenossen gemacht haben muss. Aus bis zu 200 Einzelteilen zusammengesetzt verschaffte der 20 bis 30 Kilo schwere Schutzanzug – entgegen unserer heutigen (zumeist von diversen Filmen beeinflussten) Vorstellung – seinem Träger eine relativ gute Beweglichkeit.

Im Harnisch zum Fest

Getragen wurden solch prachtvolle Harnische nicht nur bei Gefechten und Turnieren, sondern auch bei festlichen Umzügen. Gerne inszenierte man sich auch im Hause Habsburg als Nachfolger antiker Helden. In der Sammlung erhalten hat sich unter anderem eine romanische Rüstung für Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, die in antiker Manier gestaltet wurde.
Seinen Blick sollte man beim Betrachten dieser Prunkgewänder oftmals auch auf das eine oder andere Detail legen. So findet sich in der Ausstellung beispielsweise eine Sturmhaube im antiken Stil mit an den Ohrläppchen angebrachten Löcher für das Anbringen von Ohrringen. Ebenfalls zu sehen sind im alla-turca-Stil gefertigte Waffen und Harnische, die bei Festen angelegt wurden.

Dass prachtvolle Rüstungen wie diese jedoch auch als diplomatische Geschenke eine Rolle spielten, davon kann man sich auch am Harnisch – mit eingearbeiteter Fleur de Lille – für den französischen König Franz I. überzeugen. Dieser wusste Zeit seines Lebens jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nichts von dem prachtvollen Stück. Aufgrund der Verschlechterung der Verhältnisse zwischen den beiden Herrscherhäusern, kam das kostbare Geschenk, an dem ein Plattner rund ein Jahr arbeitete, nie in Frankreich an und befindet sich dementsprechend nach wie vor in der Wiener Sammlung.

Insgesamt können im Rahmen der Ausstellung an die 170 Objekte (Harnische, Gemälde, Textilien und Skulpturen) bewundert werden. Die Ausstellung gestaltet sich ein bisschen wie eine Zeitreise in das späte Mittelalter und in die Renaissance, eine Zeit, in der Ritterrüstungen zum wesentlichen Bestandteil im Leben eines Mannes im Umfeld der ritterlich-höfischen Kultur zählten.

Dass sich dieses Leben am Hofe mitunter auch genderfluid gestaltete, verbildlicht eine Reihe von Drucken. Im Freydal, dem Turnierbuch Kaiser Maximilians I., findet sich beispielsweise eine Darstellung von Männern beim Tanz im Frauenkostüm. Nicht weiter ungewöhnlich. So war es beispielsweise üblich Rüstungen nicht nur mit Federn, sondern auch mit Textilien in Form von Röcken zu bestücken. Der Mann von Welt trug Rock und das – wie ein Fußturnierharnisch der Adlergarnitur Erzherzog Ferdinands II. von Tirol zeigt – mitunter auch in stählerner Form.

Iron Men. Mode aus Stahl
Noch bis 26. Juni 2022
Kunsthistorisches Museum Wien
Maria-Theresien-Platz, 1010 Wien
Öffnungszeiten: täglich 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr
www.khm.at

Titelbild: Landsknecht-Harnisch für Wilhelm von Rogendorf (1481–1541) (741 KB) Kolman Helmschmid, Augsburg, datiert 1523. Kunsthistorisches Museum Wien, Hofjagd- und Rüstkammer © KHM-Museumsverbandwww.khm.at

Geschrieben von Sandra Schäfer