Blicke in die Vergangenheit beleuchten, dass trotz des tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels und den weitreichenden technischen wie medizinischen Fortschritten in den letzten beiden Jahrhunderten viele Parallelen in den Auswirkungen als auch Maßnahmen gegen die Pandemien bestehen. Damals wie heute – etwa im Rahmen der Pestepidemie 1678/79 in Wien – wurde vorerst von vielen Menschen die Krankheit nicht ernst genommen, errichtete die Obrigkeit – so wie heute in einigen europäischen Ländern – viel zu spät Barrieren gegen die um sich greifende Seuche.

In der Historie Wiens sind in den vergangenen rund 700 Jahren rund ein Dutzend Pestepidemien verzeichnet. Jene von 1349 gilt heute als die schwerste während des Mittelalters. Fast ein Drittel der Bevölkerung Wiens starb an der Seuche. Die Stadt verzeichnete täglich zwischen knapp 500 und 700 durch die Pest ausgelöste Todesfälle. Da die Friedhöfe bald überfüllt waren, ging man dazu über, die Verstorbenen in Massengräbern vor der Stadt zu beerdigen. So wie heute bei der Corona-Seuche waren die Folgen für das Wirtschaftsgeschehen enorm. Infolge der extrem hohen Mortalitätsrate fehlten nicht nur in der Residenzstadt Wien, sondern im ganzen Land Arbeitskräfte, vor allem in der Landwirtschaft. Um überhaupt Arbeitskräfte zu bekommen mussten diese hoch entlohnt werden. Heute suchen landwirtschaftliche Betriebe, allerdings aus anderen Gründen wie unter anderem die deutliche Verringerung der Zahl der Arbeitskräfte aus dem Ausland, nahezu verzweifelnd Mitarbeiter, um die landwirtschaftlichen Produkte, wie beispielsweise das Frühjahrsgemüse Spargel, zu ernten.

Die Pest – Plage des Mittelalters

Pest und Cholera waren im Spätmittelalter und der Neuzeit nahezu Dauergäste. Die Chronik berichtet von großen Pest-Erkrankungswellen hierzulande in den Jahren 1381 und 1436, bei letzterer starben 15.000 Menschen. Von den darauffolgenden Epidemien waren jene von 1541 und die besonders langanhaltende von 1653-1656 sowie jene von 1678/80 und von 1713 besonders schwer. 1671 ausgehend vom damaligen Osmanischen Reich breitete sich die Pestwelle über Ungarn und ab 1678 über Ostösterreich aus. Im November dieses Jahres gab es in Wien das erste Todesopfer, rund 12.000 sollten damaligen Zählungen bis April 1680 folgen, in Wirklichkeit dürfte die Sterblichkeitsrate deutlich höher gelegen sein und ein Fünftel der Einwohner Wiens betroffen haben.

Ignoranz durch Behörden

Fatal – und für die hohe Zahl an Infizierten und letztlich Toten verantwortlich – war die Ignoranz der Behörden und deren zu spätes Handeln. Trotz aller Warnungen seitens der Ärzte, hauptsächlich vom Hofmedikus und Begrübder der ersten medizinischen Bibliothek an der Universität, Paul de Sorbait, gegenüber der niederösterreichischen Landesregierung wurde der Ausbruch der Seuche bis Juli 1679 (!) von der Obrigkeit ignoriert. Auch das weckt Assoziationen an den lange Zeit in einigen Ländern recht sorglosen Umgang mit der in Wirklichkeit besorgniserregenden durch Corona ausgelösten Problem-Situation.

Der „liebe Augustin“ als „Pest-Stehaufmanderl“          

Diese Pestepidemie 1678-80 ist im Gedächtnis der WienerInnen deshalb besonders verankert, weil sie mit der Person des Bänkelsängers und Stadtoriginals Markus Augustin – der „Liebe Ausgustin“ – eng verbunden ist. Der Dudelsack pfeifende Bon Vivant stürzte der Legende zufolge in der Gosse infolge eines offenbar mächtigen Alkohol-Rausches in tiefe Bewusstlosigkeit, die „Schnapsleiche“ wurde als ein weiterer angeblich an der Pest Verstorbener von „Siech-Knechten“ auf einen Karren gehievt und in der Vorstadt in ein noch offenes Massengrab transportiert. Dort wachte er am nächsten Tag wohl weitgehend ausgenüchtert auf, stieg unversehrt und von der Pest verschont aus dem Grab und begann mit seinem Dudelsack – so als wäre nichts gewesen – musikalische Weisen zum Besten zu geben.

In medizinischer Hinsicht irreführend, weil grundlegend falsch, war jedenfalls die sich danach hartnäckig haltende Ansicht zahlreicher Bewohner Wiens, man müsse nur viel Alkohol konsumieren, um die Erkrankung mit Pest zu vermeiden. Der vom Volksmund als der „Liebe Augustin“ bezeichnete, lebte nach seinem im wahrsten Sinn des Wortes absolvierten unglaublichen Abenteuer noch einige Jahre bis er schließlich um 1685 im Alter von 42 Jahren – damals sogar etwas höher als das durchschnittliche Sterbealter – das Zeitliche segnete.

Eine schwere Prüfung nach der anderen

Als ob die Prüfung für die Stadt und ihre Bevölkerung mit der Pest nicht schwer genug gewesen wäre, wurde die Donaumetropole gleich drei Jahre später mit einem neuen Albtraum konfrontiert – der Belagerung durch das Osmanische Heer unter dem Feldherrn Kara Mustafa. Auch diese gewaltige Herausforderung wurde erfolgreich überwunden. Die kaiserliche Residenzstadt erwies sich – auch infolge der Solidarität anderer Staaten – als unüberwindliches Bollwerk. Im Sommer 1683 brach im belagerten Wien eine Ruhrepidemie aus, einer der Belagerung folgende Typhusepidemie fielen im Herbst 1683 ebenfalls zahlreiche Einwohner zum Opfer. Genaue Opferzahlen sind allerdings unbekannt.

Nach der Pest von 1713 bekam man die Seuche langsam in den Griff zu bekommen, allerdings machte sich im 19. Jahrhundert eine neue Epidemie in Europa breit – die Cholera. In Wien wütete die durch das Grundwasser übertragene Krankheit in den Jahren 1836, 1849, 1854/55, 1866 und schließlich 1873 – just im Jahr der Weltausstellung. Das vielversprechende Event geriet zum Flop – viele verließen panisch das Land. Eine Wirtschaftskrise machte die Situation in Folge nicht leichter.

Die „Spanische Grippe“ aus Amerika

Im 20. Jahrhundert wütete gegen Ende des Ersten Weltkrieges die bis dahin schwersten Grippeepidemie. Die so genannte Spanische Grippe. Die Spanische Grippe, die bis heute unter diesen Namen bekannt ist, brach höchstwahrscheinlich allerdings zuerst in Amerika aus und sollte in Folge insgesamt über 25 Millionen Menschen – mehr als im Ersten Weltkrieg – das Leben kosten.

Die Seuche hatte sich schnell auf allen Kontinenten verbreitet. Alleine in Europa starben über zwei Millionen Menschen. In Österreich (erneut liegen ob fehlender Anzeigepflicht für Wien keine exakten Daten vor) stieg die Zahl der im Jahr 1918 an Spanischer Grippe Verstorbenen auf 18.500, zu Beginn des Jahres 1919 verstarben weitere 2.400 Personen an der Pandemie.

Lahmlegung des öffentlichen Lebens

Wie Corona führte die Spanische Grippe in weiten Teilen – Schulen, Kirchen und andere öffentliche Einrichtungen wurden geschlossen – zu einer Lahmlegung des öffentlichen Lebens. In Gegensatz zu heute kam allerdings der Postverkehr zum Erliegen. In Wien waren derart viele Schaffner und Straßenbahnfahrer an Grippe erkrankt, dass auch der Straßenbahnbetrieb deutlich eingeschränkt werden musste. Zu spät kam es zu Maßnahmen der Eindämmung. Wien war bereits seit September 1918 von der Pandemie betroffen zu einer Schließung der Schulen kam es allerdings erst im Oktober. Zu den zahlreichen Opfern, welche die Spanische Grippe in Österreich-Ungarn forderte, zählte übrigens auch Egon Schiele.

Anlass zur Hoffnung

Nun gilt es in einer weiteren Kraftanstrengung, die von allen Österreichern getragen werden muss, die aktuelle Corona-Pandemie zu überwinden. Rezepte dafür gibt es zuhauf, doch wären sie alle Makulatur, wenn die Bevölkerung nicht geschlossen an deren Einhaltung teilnehmen würde. Die jüngsten Zahlen über die Corona-Erkrankungen geben jedenfalls Anlass zu Hoffnung.  

© Tietelbild: Austria und die Cholera: Allegorie auf die Bedrohung Wiens durch die Choleraepidemie 1831/32, Aquarell von Leopold Bucher, 1832 – © Österreichische Nationalbibliothek

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Maul- und Klauenseuche in Schärding.

Geschrieben von Sandra Schäfer und Stefan Weinbeisser