„Manchmal bewegt sich einer nicht, das heißt aber nicht, dass er tot ist“, lässt Regisseur Arne Feldhusen seinen Hauptprotagonisten Karl Schmidt (Charly Hübner) zu Beginn sagen. Seit Karl aus der Nervenheilanstalt entlassen wurde, kümmert dieser sich als Hausmeister in einem Kinderheim unter anderem um die Fütterung der Krokodile im therapeutischen Zoo. Aber nicht nur die im Wasser liegenden Amphibien führen ein Leben auf Sparflamme – auch Karl, der den Zuschauern noch als gescheiterter Künstler aus Leander Haußmanns Verfilmung von Sven Regeners Roman „Herr Lehmann“ bekannt sein dürfte, verbringt seine Tage in einer Art Warteschleife. Das ändert sich als plötzlich sein alter Freund Ferdi (Detlev Buck) anruft und Karl aka Charlie, bittet ihn und seine Freunde von „Bumm Bumm Records“ bei einer Tour durch Deutschland zu begleiten. Als ehemaliger, nun cleaner Drogensüchtiger soll Charlie die Techno-DJs überwachen und so für den reibungslosen Ablauf der Tour sorgen. Wird Charlie die partysüchtige Meute bändigen können und weiterhin bei geistiger Gesundheit bleiben?

Es ist nicht zu viel verraten; für den vom Leben Gezeichneten wird es nicht immer leicht die Situation zu meistern. Doch wer die Bücher von Sven Regener, der den Stoff für den Film lieferte und zudem für das Drehbuch gewonnen werden konnte, kennt, ahnt: Egal welche Steine einem das Leben in den Weg legt, mit Humor geht es leichter. Kaum eine Szene, die einem nicht zum Schmunzeln bringt.

Back to the 90ies

Auch wenn „Magical Mystery“ mit ziemlicher Sicherheit nicht jener Hype zuteil wird, der einst „Herr Lehmann“ widerfuhr, so bietet der Film doch reichlich Kultiges. Alleine Detlev Buck in 90er Jahre Trainingsjacke ist ein Hingucker.

Erfolgreich lassen Kostümbildnerin Anette Guther und Szenenbildnerin Vicky von Minckwitz den „Rave-Spirit“ in Deutschland der 90er Jahre wieder lebendig werden. Ob man als Zuseher die Szene kennt oder nicht, spielt für den Filmgenuss keine Rolle. Ebenso wenig für die Protagonisten – war es im damaligen Rave-Zirkus im Vergleich zu anderen Szenen relativ gleichgültig was man machte oder welche politische Einstellung man pflegte: „Da feierten Leute jeglichen Hintergrunds gemeinsam, obwohl sie wenig miteinander gemein hatten, außer dass sie den Techno-Sound gut fanden“, betont beispielsweise auch DJ Hans Nieswand, der – neben anderen Größen der damaligen Techno-Szene, darunter Justus Köhncke, den Voigt Brüdern oder Westbam – einen Cameo-Auftritt hinlegt. Auf ein Rave zu gehen hieß für viele – zumindest für die Zeit im Club – Teil einer großen glücklichen Familie zu sein. Auch für Charlie wird die Truppe mit der Zeit zur Ersatzfamilie, in der sich sogar ein Meerschweinchen zu den Mitgliedern zählen darf. Es gehört zu den bewegendsten (und zugleich lustigsten) Szenen, in der Charlie des toten (an Altersschwäche gestorbenen) Nagers Bolek gedenkt. Doch das Leben für die Truppe geht weiter. Bevor es wieder zurück nach Berlin geht, muss noch ein Mega-Event über die Bühne gebracht werden.

Für den richtigen Sound sorgt Charlotte Goltermann. Die Inhaberin des Ladomat-Labels setzte bei dem Musik-Konzept für den gesamten Film allerdings keineswegs ausschließlich auf elektronische Klassiker. Musik von Avantgardisten wie Glenn Branca oder Sonic Youth lassen sich in „Magical Mystery“ – so lautet im Übrigen der Name der Tour der Chaoten – ebenso finden wie Klänge von Iggy Pop und Mary Chain. Man darf im Kino getrost mit dem Fuß wippen. Und auch Charlie gelingt es im Laufe der Handlung frisch verliebt wieder neuen Schwung in sein Leben zu bringen. Langsam erwacht der von Schicksalsschlägen gezeichnete wieder aus seiner Starre.

Magical Mystery. Ein Film von Arne Feldhusen. Mit Charly Hübner, Detlev Buck, Marc Hosemann, Annika Meier, Bjarne Mädel uvm. Deutschland 2017. 111 Minuten.

Kinostart: 31. August 2017

Geschrieben von Sandra Schäfer