Rund 20.000 Bänke (exakt 19.884) gibt es allein in Wiens Parkanlagen. Während man heute ohne weiteres auf ihnen Platz nehmen kann, musste man bis Ende der 50er-Jahre beziehungsweise Anfang der 60er-Jahre noch eine kleine Gebühr entrichten. Eingehoben wurde diese von sogenannten Sesselfrauen, die für die Vergabe und Pflege besagter Sitzmöbel sorgten (die Österreichischen Bundesgärten verzeichnen in ihren Personalakten bis 1961 Sesselfrauen). Mit einem umgerechnet von den Bundesgärten angegebenen Mietbetrag von 20 Cent für eine Sesselkarte im Jahr 1907 hielten sich die Kosten für die zu mietende Sitzgelegenheit allerdings in Grenzen. Heute können die gleichen Modelle der Firma „Hutter & Schrantz“ kostenfrei in Anspruch genommen werden. Auch wenn die historischen (über den Winter neuerlich in Stand gesetzten) Modelle nach wie vor hübsch anzusehen sind, für längeres Sitzen empfiehlt es sich eher auf einer der benachbarten Parkbänke Platz zu nehmen.
Während man hier noch ein einigermaßen bequemes Sitzgefühl verspürt, lässt der Sitzkomfort anderenorts in der Stadt unter Umständen massiv zu wünschen übrig – und das mit Absicht.

Hostile Design

Auch in der österreichischen Hauptstadt arbeitet man mittlerweile mit sogenannten „Hostile Designs“. Vornehmlich an Bahnhöfen oder auch vor Sozialämter aufgestellt, sollen diese, bewusst unbequem gestalteten Sitzgelegenheiten, ein längeres Verweilen verhindern. Ein Vorgehen, das in Amerika in den 80er-Jahren seinen Anfang nahm als man begann, Sitzmöbel unter anderem gegen Obdachlose zu entwickeln. Für Anastasiya Yarovenko – die sich in ihren künstlerischen Arbeiten beständig mit dem Thema auseinandersetzt – stellt dies ein Form des Design dar, bei dem im öffentlichen Raum „aus unserem Geld Sachen entwickelt werden, die sich gegen Menschen richten. New York ist heute keine Stadt für alte Menschen mehr. Man kann dort nur mehr durchgehen“, erzählt Yarovenko. Für die Ausstellung im MUSA „Nehmen Sie Platz!“ schuf die in Wien lebende Künstlerin Schaumstoffformen mit Mustern, die zwar unbequem aussehen, jedoch entgegen ihrem ersten Eindruck zum Sitzen einladen.

Yarovenko ist eine von mehreren Kunstschaffenden, die von dem jungen Kuratorenteam Alina Strmljan und Vincent Elias Weisl eingeladen wurden, einen Beitrag für die Ausstellung zu leisten. Insgesamt sieben Projekte nehmen sich dem Thema in der für die Stargalerie des MUSA auf unterschiedliche Weise an. Während die russische Künstlerin Anna Jermolaewa – die einzige Arbeit, die aus dem Bestand des MUSA stammt und nicht eigens für die Ausstellung angefertigt wurde – sich wie Yarovenko dem unbequemen Sitzen widmet (Jermolaewa stellt in ihrem Video die erste Nacht ihrer Ankunft auf dem Wiener Westbahnhof vor mehreren Jahren nach, als sie vergeblich versuchte auf einer der hier aufgestellten Sitzgelegenheiten Ruhe/ Schlaf zu finden), erinnert Moritz Matschke mit seiner „Sandbank“ an alte, mittlerweile ausgetauschte Sitzgelegenheiten. Zu sehen sind Fotografien von Bänken, die der Künstler mit Sand am ursprünglichen Aufstellungsort nachgebaut hat. Zurückgreifen konnte Matschke für seine Arbeit auf das in den 90er-Jahren entstandene Foto-Parkbankarchiv von Laudius Foltin. Der Mitarbeiter der MA 19 hat darin diverse Sitzmöbel der Stadt festgehalten.

Nach alt kommt neu

Heute informiert die sogenannte „Sitzfibel“ – ein von der Stadt regelmäßig herausgegebenes Informationsblatt – über sämtliche Sitzmöglichkeiten im öffentlichen Raum. Aktuell zählt die letzte Ausgabe von 2021 75 Modelle. Nicht explizit angeführt wird darin eine von der Firma „miramondo“ entwickelte Einzelbank, die von Aurianne Chevandier & Gerd Sulzenbacher zum Ausgangspunkt ihres Projekts über (kreative) Sitzgelegenheiten in der Stadt wurde. Das als „La Strada“ bezeichnete Stadtmöbel befindet sich für die Dauer der Ausstellung im Eingangsbereich auf der Straße vor dem Museum. Ebenfalls hier, nicht nur zu bestaunen und zu benutzen, ist ein klassisches Parkbankmodel, das Parkbank-Laien vor allem durch seine überhohen Füße verwundert. Kurator Weisl weiß jedoch aufzuklären: Die sonst anzutreffende normale Sitzhöhe bildet sich dadurch, dass die Beine im Normalfall in die Erde eingegraben oder einbetoniert werden. Ein wie man sich vorstellen kann aufwendiger Prozess, bei dem die alten Bänke oftmals zerstört werden. Der junge Wiener Künstler Leopold Kessler dokumentierte im Jahr 2006 einen Austausch diverser alter Bänke am Donaukanal. Einmal aus dem Boden gerissenen, werden die Bänke zumeist zugleich ausgemustert. Was dem einen Müll ist dem anderen, wie man an der Ausstellung erkennen kann, (kulturhistorischer) Schatz.

Nehmen Sie Platz!
Die Parkbank als soziale Skulptur
7. Juli 2022 bis 23. Oktober 2022

Wien Museum
MUSA
Startgalerie Neu
1010 Wien, Felderstraße 6–8
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10 bis 18 Uhr

www.wienmuseum.at

Geschrieben von Sandra Schäfer