Thomas, dich kennen noch viele von deinem Solo-Projekt „Effi“. Wie kam es dann zur Gründung von Granada?

Thomas Petritsch: 2015 bekam ich den Auftrag, den Titelsong für den österreichischen Film „Planet Ottakring“ zu komponieren. Nachdem ich viele Demos in Englisch aufgenommen hatte, meinte das Filmteam, sie hätten lieber etwas in Deutsch. Ich begann zu schreiben, habe mich aber nicht nur auf die eine Nummer konzentriert. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema von „Planet Ottakring“, dem 16. Bezirk und seiner Lebenswelt, ist gleich mehr Material entstanden. Daraus ist die Band Granada entstanden.

War die Umstellung statt in Englisch in Deutsch zu schreiben schwierig?

Thomas: Am Anfang war das schon ungewohnt. Zu Beginn war es fast schwieriger in Deutsch zu schreiben, weil es die Muttersprache ist, und Deutsch fast ein bisschen komplexer ist als Englisch. Es war nicht so leicht, sich da richtig auszudrücken. Ein schwieriges Thema war auch die Findung des richtigen Dialekts. In dem Film geht es um Ottakring, welchen Dialekt soll ich da verwenden? Ich habe mich schließlich darauf festgelegt, dass ich aus der Position des Außenstehenden darüber singe und eine Art urbanen Mischdialekt verwende. Heutzutage sprechen ja die wenigsten Menschen ur-wienerisch oder ur-grazerisch. Es ist immer eine Art Misch-Masch.

Wie ging es weiter?

Thomas: Zu Beginn waren nur die Songs da. Ich habe dann die Musiker für die Band gesucht, und wir haben bei den ersten Proben schnell gemerkt, dass wir musikalisch gut harmonieren. Aber prinzipiell war es überhaupt nicht meine Intention eine Band zu gründen – das Ganze war Zufall! Mittlerweile sind wir beim dritten Album, und die Band besteht schon sechs Jahre.

Das neue Album heißt „Unter Umständen“. Bei vielen Künstlern ist in den durch die Corona-Pandemie bedingten Lockdowns neues Material entstanden? War das auch in eurem Fall so?

Thomas: Wir hatten schon vor Beginn der Lockdowns geplant, dass wir 2020 eine Auszeit nehmen, um uns auf das neue Album zu konzentrieren. So gesehen hat uns die Situation mit der Pandemie eigentlich in die Karten gespielt, so dass wir sehr viel Zeit hatten, uns intensiv mit den neuen Liedern zu beschäftigen. Jeder hat zuhause an den Songs gearbeitet und ein Mal pro Woche gab es eine Video-Konferenz, um den Stand der Dinge zu besprechen. Das war eine sehr produktive Zeit, in der insgesamt 30-40 neue Nummern entstanden sind. Wir mussten dann die 14 Tracks für das neue Album auswählen, es sollte kein Doppelalbum werden. So gesehen war die Lockdown-Zeit für uns als Band positiv.

Wie entsteht bei Granada ein neues Lied ?

Thomas: Im Produktionsprozess hat jeder von uns an neuen Liedern geschrieben. Jeden Samstag haben wir die neuen Sachen in eine „Cloud“ hochgeladen, und uns darüber ausgetauscht. So ist ein großer Pool an neuen Songs zusammengekommen, mit Skizzen, Ideen und teilweise auch schon ausformulierten Liedern. Da hat jeder in der Band mitgearbeitet, und so hat zum Beispiel unser Schlagzeuger Roland schon eine riesengroße Zahl unterschiedlicher Grooves zum Herumexperimentieren für das neue Material in drei Ordnern gesammelt.

Mir gefällt sehr, dass ihr auf „Unter Umständen“ auf fast jeder Nummer bei der Instrumentierung ein Akkordeon verwendet. Warum ist euch das wichtig?

Thomas: Schon 2015 bei den ersten Liedern für „Planet Ottakring“ war ein Akkordeon dabei, das war für den Sound notwendig. Das Akkordeon hat etwas von Weltmusik, und wird zum Beispiel in Frankreich, Italien oder auch in den Balkanländern und in Südamerika häufig gespielt. Diese Vielfalt wollten wir bei unserer Musik unbedingt dabei haben, noch dazu kann Alexander Christof aus der Band dieses Instrument wunderbar spielen. Deswegen haben wir diese Tradition mit dem Akkordeon auch für die nächsten Alben übernommen.

Ist es schwierig bei den Arrangements immer einen Platz für das Akkordeon zu finden?

Alexander Christof: Das ist ab und zu mal schwieriger, mal leichter. Schwieriger ist es eher bei rockigeren Nummern. Natürlich könnte man das Akkordeon auch so verwenden, wie bei anderen Produktionen Synthesizer, also als Hintergrund, der irgendwie eine Fläche gibt, aber das wollten wir nicht. Uns ist das Akkordeon einfach wichtig, weil es ein wunderschönes Klangbild gibt. Auch bei einem Song am neuen Album wie zum Beispiel „Lomarie“, wo das Akkordeon nur subtil im Hintergrund vorkommt. Trotzdem nimmt jeder unterbewusst wahr, dass das der typische „Granada“-Sound ist, eben aufgrund unserer Instrumentierung.

Die Nummer „Schembrun“ am neuen Album verwendet einen Text des legendären Wiener Dichters und Poeten H.C. Artmann, der dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Die Musik stammt von Gitarrist Lukacz Custos. Wie bist du mit H. C. Artmann in Kontakt gekommen?

Lukacz Custos: „Schembrun“ ist aus dem Gedichtband „Med ana schwoazzen dintn“, wo H.C. Artmann begonnen hat, mit dem Wiener Dialekt zu experimentieren. Das Buch ist Ende der 60er Jahre erschienen und war eine Art Befreiungsschlag für die Literatur in Österreich. Zusätzlich hat „Med ana schwoazzen dintn“ auch auf die damalige Popkultur in Österreich und Leute wie Ambros oder Danzer einen ziemlichen großen Einfluss gehabt. Ich bin mit H.C. Artmann erstmals durch Helmut Qualtinger und Ernst Kölz beziehungsweise durch das Album „Helmut Qualtinger singt schwarze Lieder“, das als eines der Klassiker des Austropop gilt, in Berührung gekommen. Dass wir dann den Text „Schembrun“ zu einem Song verarbeitet haben, war Zufall. Das Buch von H.C. Artmann lag auf meinem Schreibtisch, und ich habe immer wieder mal hineingeschaut. Ich hatte ein Musikstück ohne Text und irgendwie hat das stimmig mit dem Text zusammengepasst.

Zu euren Singles gibt es auch immer aufwendig gestaltete Musikvideos. Inwieweit seid ihr da in der kreativen Umsetzung der Musik direkt beteiligt?

Thomas: Wir arbeiten auch mit externen Leuten für die Videos zusammen, aber manche Ideen kommen direkt von uns. Das aktuelle Video zu „Zeit“ ist zum Beispiel auf meinem Mist gewachsen. Ich habe dafür selbst mit Bleistift Animationen gemacht, und dafür ca. 1000 Blätter Papier verbraucht. Das war echt viel Arbeit!
Lukacz: Das Video zu „Mei Velo“ war meine Idee. Ich wollte dabei das Thema „Fahrrad und öffentlicher Raum“ thematisieren. Bei den Recherchen bin ich auf Erich Schaber gestoßen, das ist ein Kunstradfahrer, der mit seinem Rad eine Blume aus Wasser auf den Asphalt malen kann, wie man im Video sehen kann. Ich wollte damit zeigen, dass auch so etwas im öffentlichen Raum möglich ist.

Das neue Album ist jetzt gerade erschienen. Was ist eurer Meinung nach am wichtigsten, um mit einem Album beziehungsweise mit einer Single erfolgreich zu werden? Ist heutzutage eher ein erfolgreiches Video auf Youtube, intensives Airplay im Radio und oder Streaming entscheidend?

Alexander: Früher war das vielleicht einmal das Airplay im Radio, mittlerweile gibt es ja da die Verlagerung auf Spotify und andere Streaming-Dienste. Ich vermute, es gibt extrem viel Musik, die gut im Streaming läuft, aber wenig Airplay in den Radios hat. Ganz wichtig sind auch die sogenannten Playlists der Streamingdienste. Ich glaube warum ein Album beziehungsweise ein Song aktuell erfolgreich ist, ist so komplex, dass man das gar nicht auf eine einfache Art erklären kann.
Thomas: Am wichtigsten ist eigentlich, abgesehen, ob du jetzt im Radio gespielt wirst oder nicht, dass die Leute zu den Konzerten kommen. Und vom dem her gesehen, haben wir bis jetzt sehr viel Glück gehabt und sind vom Publikum überall sehr wohlwollend aufgenommen worden. Und was ist besser als, wenn die Leute, die beim Konzert waren, anderen weitererzählen, wie cool das war?

Dialektmusik ist gerade wieder sehr angesagt. Künstler und Bands wie zum Beispiel der Nino aus Wien, Wanda oder Seiler & Speer werden extrem gehypt. Habt ihr das Gefühl, dass daneben auch noch Platz für andere Bands wie beispielsweise Granada ist?

Thomas: Platz ist immer da. Die Leute haben immer Lust auf neue Erfahrungen, egal ob das jetzt neue Musik, neue Filme oder neue Serien sind. Wenn man irgendetwas 1:1 kopiert, dann wird es nicht klappen. Wenn wir zum Beispiel versuchen würden, einen Sound wie die Rolling Stones zu machen, dann würden wir kläglich scheitern, weil es diese Band eben schon gibt. Ich glaube aber, so lange man sich selbst treu bleibt und authentisch ist, und versucht an seinem Herzensprojekt dran zu bleiben, in diesem Fall ist das unsere Band, dann wird das schon was. Das zeigt uns auch der Zuspruch des Publikums, wenn wir live unterwegs sind in Österreich oder Deutschland und dafür sind wir sehr dankbar. Wir freuen uns schon sehr auf die nächsten Konzerte im Frühjahr 2022, wo wir das neue Album live präsentieren werden.

Homepage:
www.granadamusik.com

Zur Band:
Granada wurden 2015 in Graz gegründet. Der Name der Gruppe ist vom Automobil Ford Granada abgeleitet. Zur fixen Besetzung gehören Thomas Petritsch (Gesang), Lukasz Custos (Gitarre), Alexander Christof (Akkordeon), Jürgen Schmidt (Bass) und Roland Hanslmeier (Schlagzeug). 2017 und 2019 waren Granada jeweils in der Kategorie „Alternative“ für einen Amadeus-Award nominiert. Das neue Album „Unter Umständen“ ist bei Sony Music erschienen.

Titelbild: v.li.n.re: Jürgen Schmidt, Alexander Christof, Lukacz Custos (liegend), Thomas Petritsch und Roland Hanslmeier © Stella Kage

Geschrieben von Robert Fischer