Umweltkatastrophen wie Tornados über dem Waldviertel und Weinernten zerstörender Hagel im Burgenland, ein Raumschiff über Graz oder Replikanten, die eine Blutspur durch die steirische Gasthauslandschaft ziehen. Auch wenn dies alles Szenarien sind, die sich hierzulande niemand wünschen mag, so ist es doch interessant das ABC amerikanischer Dystopien auch im heimischen Zusammenhang serviert zu bekommen. Abkupfern bei den großen Blockbustern aus Hollywood? Was im Film gang und gäbe ist, sieht man im Theater (abgesehen von Musical- und Kinderproduktionen) eher selten. Zumindest aber einmal im Jahr, wenn Ernst Kurt Weigel und sein Team, wohl gemerkt, weniger abkupfern, sondern vielmehr Inspiration finden bei den (ganz) Großen der amerikanischen Filmbranche.

Seit 2011 werden im Off Theater in der Kirchengasse äußerst erfolgreich internationale Kultfilme mit Klassikern der österreichischen Bühne verschränkt. Wurden in der Vergangenheit bereits Werke von Schnitzler mit Lynch und Bernhard mit Carpenter zum – wie Weigel es nennt – Mash-up montiert, so nimmt man sich im zehnten Jahr einer weiteren Liaison an. Aktuell treffen „Holden und Pris“ aus Ridley Scotts „Blade Runner“ auf der Bühne auf Werner Schwabs Hasi, Schweindi und Fotzi aus dessen 1991 uraufgeführten Stück „Übergewicht: unwichtig: Unform“ – „Blade.Unwichtig“ eben. Manche mögen es schon ahnen: für Zartbesaitete ist das nichts. Ging es bei „Taxi Speiber“ (dem Mash-up aus Qualtingers „Herr Karl“ und Martin Scorseses „Taxi Driver“) schon derb zu, so begeben wir uns hier noch eine weitere Stufe hinunter in die Niederungen der menschlichen Seele.

Hoffend, überfordert, vegetierend

Primitive Worte aus dem Munde primitiver Individuen? Ganz so einfach sollte man es sich bei seiner Verurteilung dieser in einem heruntergekommenen Wirtshaus auf einem heruntergekommenen Planeten gestrandeten und dahinvegetierenden Seelen nicht machen. Denn egal wie groß sich der Ekelfaktor – sei es aufgrund so manch verbaler Äußerung oder des Vorkommens von (Achtung Spoiler!) Kannibalismus – auch gestalten mag, ein bisschen etwas von Hasi, Fotzi & Co. steckt wohl in jedem von uns. Wer träumt nicht von einer besseren Welt (auf dem Mars)? Wer will nicht schön und begehrenswert sein (wie ein – als Sex-Roboter geschaffener – makelloser Replikant)? Und wer ist nicht manchmal mit seinem Leben überfordert, schielt eifersüchtig auf andere und lässt seine Wut auch mal an seinen Mitmenschen aus (Kannibalismus)?
Kurzum: Es wird viel gefickt und geschlagen – dazwischen nach Erlösung gesucht. Vor allem Yvonne Brandstetter zeigt akrobatische Talente und meistert ihre Doppelrolle als mit stark ausländischem Akzent sprechender Macho-Replikant Holden und als Wirtshausschlampe Fotzi den Abend schauspielerisch ausgezeichnet. Weigel ist als ehemaliger Replikantenjäger Richi auf der Bühne keine Minute nüchtern. Das Trauma von der kaputten Gesellschaft in sich tragend. Hin- und wieder eruptiert er. Man hat in der Vergangenheit hier schon Besseres gesehen – interessant ist der Abend allemal.

BLADE.UNWICHTIG
Ein Mash-up nach Werner Schwabs „ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM“
und Ridley Scotts „Blade Runner“

Mit: Kristina Bangert, Yvonne Brandstetter, Sophie Resch, Kajetan Dick, Gerald Walsberger und Ernst Kurt Weigel
Weitere Termine: 19., 20., 23., 26., 27. und 30. November sowie
3., 4. und 7. Dezember 2021, 20:00 Uhr
Das Off-Theater
Kirchengasse 41
1070 Wien
www.off-theater.at

Geschrieben von Sandra Schäfer