Die Donaumetropole ist die einzige Millionenstadt weltweit mit nennenswertem Weinbau. Mittendrin und doch irgendwie am Rande in der zelebrierten Weinkultur ist der Bezirk Ottakring, der 16. Wiener „Hieb“.

Paradies Alt-Ottakring

Der alte Ortskern erinnert auch heute noch an die Zeiten als Alt-Ottakring ebenfalls eines Liedes zufolge „A Ortschaft mit ganz klane Gasserln“ war, der „Wein aus dem Fasserl“ gekommen ist und in der Weinseligkeit Alt-Ottakring gleich als „Paradies“ apostrophiert wurde. Alles fließt bekanntlich. Natürlich auch der Wein, der heutzutage in der Regel auch in Ottakring nicht mehr aus dem Fasserl, sondern meistens aus der Bouteille ausgeschenkt wird.
Erstmals urkundlich erwähnt wird der Ort um 1150. Schwere Zeiten erlebte Ottakring unter anderem durch die beiden Türkenbelagerungen 1529 und 1683, beide Male wurde das Dorf zerstört. Großen Aufschwung zum Weinhauerdorf konnte die Gemeinde durch die von Josef II. 1784 kundgemachte Verordnung „jedem die Freiheit, die von ihm erzeugten Lebensmittel, Wein und Obstmost zu allen Zeiten des Jahres, wann und zu welchem Preis er will, zu verkaufen und auszuschenken“, verzeichnen. Seitdem besteht eine Symbiose zwischen dem Rebensaft und dem Bezirk.

Klein, aber fein

Andere Wein- und Heurigenregionen in Wien mögen bei Weinliebhabern und Milieuverbundenen zwar einen höheren Bekanntheitsgrad haben, doch bekanntlich blüht das Wahre oftmals im Nischenbereich. Ottakring ist ein Beispiel dafür. Wer Wien mit Wein assoziiert, denkt meistens zuallererst an Grinzing, Neustift am Walde, Sievering, Mauer oder Stammersdorf. Erst am Ende der Reihe fällt dann bei Insidern der Name Ottakring.
Klein, aber dennoch fein. Nur mehr rund sechs Hektar Weingärten, am Hang des Wilhelminenberges und auf der Baumgartner Höhe gelegen, befinden sich heute noch im 16, Bezirk. Das ist weniger als ein Prozent der rund 700 Hektar sämtlicher Wiener Weingärten. Zurückgegangen ist zudem der Zahl der Ottrakringer Heurigen in den letzten Jahrzehnten.

Starker Heurigenschwund

Heute wird diese spezielle, für Wien charakteristische Form der Gastronomie im Bezirk nur mehr von rund einem Dutzend Betreibern wahrgenommen. Parallel dazu die Entwicklung in ganz Wien: Gab es vor rund fünfzig Jahren noch klassische 300 Heurige in der Bundeshauptstadt so sind es heute nur mehr rund 100. Doch nun gibt es Licht am Horizont – das große Heurigensterben scheint gestoppt. Nicht zuletzt durch den ausgezeichneten Ruf, den sich der Wiener Wein in den letzten Jahren weit über die Stadtgrenzen hinaus erworben hat sowie die engagierte Arbeit der Winzer und Heurigenbetreiber. Der traditionelle Wiener Gemischte Satz, der Veltliner und der Riesling sind die herausragenden Vertreter der neuen Weinphilosophie – Klasse statt Masse.

Weinseligkeit im Spiegel der Wienerlieder

Wer den wahren Wiener Heurigencharakter sucht, der findet diesen nicht zuletzt auch in Ottakring sowie verbal in Form zahlreicher Texte von beim Heurigen zum Besten gegebenen Wienerliedern. Einige weisen auf die einstige große Bedeutung des Weinbaus in Ottakring hin. Die Komposition „Alt-Ottakring“, mit dem Hinweis schon als Buberl in der 10er Marie gewissermaßen Stammgast gewesen zu sein, ist ein Beispiel dafür. Auch wenn heute – im Gegensatz zu vergangenen Zeiten – nur mehr wenige Heurige das Wienerlied ihren Gästen bieten, so haben sich doch viele der Melodien und Texte in den Gedanken festgesetzt. Nicht zuletzt auch durch das Schaffen des unvergessenen Ottakringers Karl Hodina. Sein „Hergott aus Sta“ aus der Speckbachergasse hat unter Genrefreunden Kultstatus erlangt. Der Akkordeon-Virtuose Hodina hat mit einigen anderen Komponisten und Präsentatoren das alte Wienerliedgut nicht nur bewahrt, sondern diesem Genre mit neuen Kreationen unleugbare Lebens-Impulse gegeben.

10er Marie ältester Wiener Heuriger

Weinliebhaber sind in Ottakring jedenfalls gut aufgehoben. So auch beim ältesten Heurigen Wiens, der 10er Marie, in der Ottakringer Straße. Ein ausgiebiger Gastgarten im Sommer, die liebevoll gestalteten Innenräume sowie nicht zuletzt die „guten Tropfen“ sowie das umfangreiche wie ebenso schmackhafte Buffet laden zum Verweilen ein.

In Steinwurfweite von der „Marie“ ist der Heurige Stippert (Eigendefinition: „Heuriger für die Leut‘ von nebenan“) situiert. In dem mit Weinranken durchwachsenen Innenhof lässt sich gut mit der Seele baumeln, guter Wein und ausgezeichnete Wiener Küche nach Oma-Art halten auch hier Leib und Seele zusammen.

Ebenfalls in der Ottakringer Straße befindet sich „Gitti´s Heuriger“, der durch ein optisch auffälliges gelbes Minihäuschen nicht zu übersehen ist. In dem urigen, von den Besitzern als „Ottakringer Wohlfühlplatzerl“ tituliertem Lokal trifft man nicht selten auf weinselige Bezirks-Originale, der Wiener Schmäh rennt nach besten Kräften.

Durch einen kleinen Marsch bergauf ist der unterhalb des Wilhelminenschlosses gelegene „Heurige Leitner“ am Sprengersteig zu erreichen. Belohnt für die kleine Aufstiegsmühe wird der Heurigengast mit einer schönen Aussicht von der Terrasse über Wien und die unmittelbare Nähe zu den Weingärten. Weinangebot und Speisen sind es ebenfalls wert hervorgehoben zu werden.

Zurück in den geografischen Niederungen des Bezirks lädt der Heurige „Herrgott aus Sta“ in der Speckbachergasse zum Verweilen und Genießen ein. Von Frühling bis Herbst bietet der schöne Innenhof unter Bäumen einen Ort des Erholens. Auch die Innenräume sind einladend gestaltet, das Essen und der angebotene Rebensaft sehr gut und für Hungrige üppige Portionen garantiert. Beim Hergott aus Sta wird nicht zuletzt das Wienerlied gepflegt.

In wenigen Minuten Gehzeit von öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist der Heurige von „Sissi Huber“ in der Roterdstraße. Neben Stammgästen älterer Semester sind dort auch zahlreiche junge Weinliebhaber zu Gast. Wohl nicht nur wegen des gepflegten Weinangebots, des umfangreichen wie ebenso köstlichen Buffets, sondern auch wegen des klassischen, dennoch modernen Ambientes. Platz genommen kann nicht nur in den Innenräumen des Lokals, sondern auch im überdachten Salettl oder im einladenden Gastgarten werden.

Romantisch geht´s beim Heurigen „Hermann“ in der Johann-Staud-Straße zu. Für viel Gäste „Ein Heuriger wie er sein sollte“. In der gleichen Straße befindet sich die Weinschenke zur „Blauen Nos´n“, eine Namensgebung, die durchaus auf die Folgen übermäßigen Weingenusses Bezug nehmen könnte.

Summa summarum: Manchmal fühlt sich so manche Weingenießerin beziehungsweise so mancher Weingenießer nach der Einkehr in einem der Ottakringer Heurigen zwar nicht im erdumspannenden, doch zumindest eine Zeit lang im individuellen Himmel der Glückseligkeit. Womit sich letztlich auf gewisse Weise bestätigt, dass Wien und der Wein doch ein Stück vom Himmel sein müssen.

Heuriger 10er Marie
Ottakringer Str. 224
Tel.: 01 4894647
https://10ermarie.at/

Heuriger Stippert
Ottakringer Straße 225
Tel.: 01 4868917
https://stippert.at/

Heuriger Herrgott aus Sta
Speckbachergasse 14
Tel.: 01 4860230
www.herrgottaussta.at

Heuriger Sissi Huber
Roterdstraße 5
Tel.: 01 4858180
https://sissi-huber.at/

Gitti’s Heuriger
Ottakringer Str. 177
Tel.: 01 4862541
www.gittis-heuriger.at

Weinbau Leitner
Sprengersteig 68
Tel.: 01 4800139
www.weinbau-leitner.at/leitner.html

Weinbau Herrmann
Johann-Staud-Straße 51
Tel.: 01 9148161
www.weinbau-herrmann.com

Weinschenke zur Blauen Nos’n
Johann-Staud-Straße 9
Tel.: 01 9148158

Geschrieben von Stefan Weinbeisser