„An den größten, mächtigen Gott Soknopaios von Asklepiades, dem Sohn des Areios. Wenn mir nicht vergönnt ist, dass ich Tapetheus, die Tochter des Marres, heirate, und nicht, dass sie meine Frau wird, zeig es mir an und gib mir diesen Zettel. Früher war Tapetheus die Frau des Horion. Im 35. Regierungsjahr des Caesar, am 1. Pachon.“
Diese Nachricht aus der Vergangenheit stammt aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. Auch wenn wir nicht wissen, ob es Asklepiades tatsächlich vergönnt war, seine Auserwählte zu heiraten, so wissen wir immerhin, „dass der Gott die Frage positiv beantwortet hat“, erklärt Prof. Palme, Direktor des Anfang Mai wiedereröffneten Papyrusmuseums. Der Zettel mit der negativen Antwort verblieb im Tempel und befindet sich heute in den Museumsräumlichkeiten im Untergeschoß der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB). Rund 400 Objekte können Neugierige in den Vitrinen (im Original bestaunen). Dokumente wie jenes Losorakel für Asklepiades werden den Besucherinnen und Besuchern in einem das Thema in mehreren Perspektiven beleuchteten Zeitungsformat präsentiert.

Eine Brücke schlagen

Eine von mehreren Modernisierungen: „Ausstellungsgestaltung heißt eine Brücke schlagen“, erzählt Johann Moser vom für die Neugestaltung zuständigen Architekturbüro BWM. Wer in den Keller steigt, wird zunächst durch groß an die Wände affichierten ägyptischen Traumbildern eingestimmt bevor er seinen Blick auf die Jahrhunderte alten Handschriften werfen kann. Neben ausgeklügelter Farbgestaltung der Wände (zu sehen ist auch ein Bild eines römischen Mosaiks) setzte man vor allem auf eine Modernisierung des virtuellen Angebots. Nach 20 Jahren – das Museum wurde 1999 eröffnet – hat der „Zahn der Zeit an der Präsentation genagt“, erklärt Johanna Rachinger, Generaldirektorin der ÖNB. So erhalten die BesucherInnen am neuen Medientisch unter anderem Einblicke in die Arbeit von Papyrologen – jenen Wissenschaftlern, die sich mit der Erforschung von Texten auf Papyrus beschäftigen. Wie sich ein solches Papyrusblatt anfühlt, lässt sich im Vergleich mit Pergament, Ton, Holz und Papier an einer Taststation erkunden. Papyrologen haben ihren Namen zum Trotz immer wieder auch mit Schriften auf unterschiedlichen Materialen zu tun. Auch die Sprachen, in der diese abgefasst wurden, sind zahlreich: in der rund 180.000 Stück umfassenden, seit 2001 zum Weltdokumentenerbe der UNESCO zählenden Sammlung der Nationalbibliothek befinden sich Dokumente in Hieratisch, Griechisch und Latein bis hin zu Koptisch, Aramäisch und Arabisch aus einem Zeitraum von über 3.000 Jahren.

Totenbuch des Sesostris – © Österreichische Nationalbibliothek

Die meisten dieser Dokumente hätten sich aus 300 v. bis 300 n. Chr. erhalten, klärt Professor Palme Neugierige auf. Überwiegend seien dies vor allem Texte beziehungsweise Urkunden des Alltags – darunter Privatbriefe aus der römischen oder hellenistischen Periode sowie Korrespondenzen aus der Rechtskultur. Diese liefern wertvolle Einblicke wie sich das Leben im Land am Nil über die Jahrhunderte gestaltete.

Im Papyrusmuseum zu bewundern sind beispielsweise ein Vertrag mit einem Flötenspieler, der zur Weinernte aufspielen soll sowie ein Handelsvertrag über eine Handelsreise nach Muziris in Indien aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. „Wir kennen die Route, die Waren, die transportiert wurden, und ihren Wert“, so Palme. Wie weit diese Reise tatsächlich war, lässt sich im Museum mit Hilfe der „Tabula Peutingeriana“ erahnen. Auf dieser mittelalterlichen Kopie einer antiken Straßenkarte, die zu den besonderen Schätzen der ÖNB zählt, ist Muziris ganz am östlichen äußeren Ende eingezeichnet.
Ebenfalls eine lange beschwerliche Reise nahm eine Delegation der Stadt Antinoupolis auf sich. Diese reiste im 3. Jahrhundert n. Chr. nach Rom, um sich vom Kaiser ihre Privilegien – darunter beispielsweise die Befreiung von Handelszöllen beim Import von Waren für den Eigenbedarf – bestätigen zu lassen.
Alle diese Dokumente bieten wertvolle Einblicke, wie sich das Leben im frühen und mittelalterlichen Ägypten gestaltete. „Man kann die Menschen der Antike aus diesen Texten sprechen hören“, weiß Palme.

Das Buch der Toten – ein „Must“ auf der letzten Reise

Es wäre jedoch nicht die ägyptische Kultur, würde man nicht eben so viel über den Tod wie über das Leben erfahren. Keine andere Kultur hat ein derartig reiches Erbe an Totengedenken und Jenseitsvorstellungen, Bestattungsformen und Grabgestaltungen hervorgebracht und ihrer Nachwelt überliefert. Das Jenseits stellten sich die Ägypter als eine Ansammlung von fruchtbaren Feldern vor, über die der Gott Osiris seine schützende Hand hielt. Um dorthin zu gelangen musste der Verstorbene jedoch diverse Prüfungen bestehen. Dabei half ihm das Buch der Toten, das die Hinterbliebenen dem mumifizierten Körper mit in den Sarkophag legten. Auch im Wiener Papyrusmuseum haben sich mehrere Totenbücher erhalten. Ein besonderes ist das Totenbuch des Sesostris, das mit einem Alter von 3.400 Jahren das älteste in der ÖNB verwahrte Dokument ist. Rund sechs Meter konnten bis heute bewahrt werden und sind im dunklen Raum in einer Vitrine beinahe schwebend zu bewundern. Wer sich in der Übersetzung üben möchte, der hat einen Raum weiter die Gelegenheit den Stein von Rosetta zu studieren. Hobbypapyrologen können die verkleinerte Steinreplik mittels bereitgestelltem Papier abrubbeln und zum Forschen mit nachhause nehmen. Mumienbilder; Amulette und Holzetiketten, die zur Identifizierung der Mumien dienten, zeigen was man für das Leben nach dem Tod alles benötigte.

Die Geschichte der Sammlung
Mit rund 180.000 Objekten aus einem Zeitraum von über 3.000 Jahren ist die von Erzherzog Rainer ab 1883 angekaufte Sammlung eine der bedeutendsten Sammlungen antiker Schriftstücke weltweit. 1899 schenke Erzherzog Rainer seinem Onkel Kaiser Franz Josef die Sammlung zum Geburtstag. Dieser wies sie der Hofbibliothek, der Vorgängerinstitution der Österreichischen Nationalbibliothek, zu. Die Sammlung ist zudem eng mit der Pionierzeit der Papyrologie und ihrer Entwicklung als akademische Disziplin verbunden sowie eine wichtige internationale Forschungsstätte. Aktuell laufen unter anderem Projekte zur Digitalisierung sowie zur Erforschung der frühen Entwicklung des Notarwesens.

Papyrusmuseum
Neue Burg
Heldenplatz
1010 Wien
Öffnungszeiten: 10.00 bis 18.00 Uhr
www.onb.ac.at/museen/papyrusmuseum

Geschrieben von Sandra Schäfer