Blau blüht der Enzian, gelb leuchten die Sonnenblumen: im niederösterreichischen Freiluftmuseum Niedersulz ist Geschichte nicht nur begehbar, sondern besonders idyllisch gestaltet. Während die Bienen in den eigens für sie errichteten Futterfeldern ihre Arbeit verrichten, heißt es für die (jährlich bis zu 80.000) Besucher*innen das 22 Hektar große Museumsareal zu erkunden. Der Weg führt vorbei an Blumengärten und Obstbäumen entlang des Sulzbachs durch beschauliche Vorgärten mitten hinein in die weiß gekalkten Häuser und Hofanlagen: eine Wohltat besonders an heißen Tagen – bieten die dicken Mauern der Häuser doch eine willkommene Abkühlung.

Von Gott, Kaiser und Vaterland

Rund 80 Gebäude haben im Museumsdorf über die Jahre ihre (Neu-)Aufstellung erfahren. Eine Erfolgsgeschichte, die mit der Sammelleidenschaft von Professor Josef Geissler ihren Anfang nahm. 1979 stellte das Land Niederösterreich der stark angewachsenen Sammlung des Landwirtes und gelernten Kirchenmalers ein Grundstück zur Verfügung. Bewahrt wurden und werden hier vor allem Bauern- und Handwerkshäuser sowie kommunale Einrichtungen, die architektonische Merkmale der Baukultur des Weinviertels aufweisen. Liebevoll eingerichtet, liefern sie Zeugnis vom Leben im späten 18. und im 19. Jahrhundert. Eine Zeit, in der Treue zum Kaiserhaus, Liebe zum Vaterland und Gottesfürchtigkeit als unverzichtbar angesehen wurden. Unterrichtet wurden diese Tugenden – wie man anhand der aus dem Jahr 1808 aus Gaiselberg stammenden und 2008 im Museum Niedersulz neu aufgebauten Dorfschule sehen kann – bereits im Kindesalter. Auf Holztafeln lernten die Schüler*innen nicht nur Rechenaufgaben zu lösen, sondern auch die Kronländer richtig zu schreiben. Wer nicht gehorchte, bekam den Rohrstock zu spüren oder musste auf der so genannten Eselsbank Platz nehmen.

Auffallend an dem Schulgebäude sind zudem die hohen Wände, die vor allem der Familie des Lehrers, die die hinteren Räumlichkeiten des Schulhauses bewohnte, zugutekam. Einen Großteil der Lebensmittel bezog man aus dem neben der Schule befindlichen Garten. Der Weg zum Greissler wurde beispielsweise beschritten, wenn exotische Gewürze wie Zimt oder Petroleum zum Nachfüllen der Lampen benötigt wurde. Ob mancher bei seinem Einkauf etwas länger benötigte, darüber kann man spekulieren: untergebracht waren die Gemischtwarenhändler oftmals in der Hinterstube eines Wirtshauses – wie jenes im Museumsdorf, das ursprünglich aus Poysdorf stammt. Frauen betraten derlei Wirtsstuben allerdings eher selten. Lediglich zu Fasching oder an Kirtagen mischten sie sich unter das männliche Volk. Getrunken wurde zumeist Bier. Ein Großteil des angebauten Weines wurde in einer zwei Tage dauernden Fahrt nach Wien geliefert. Die zusammengeschobenen Bänke in den Gasthäusern wurden von den Reisenden „gerne“ als Nachtlager verwendet.

Ähnlich unbequem wirkt auch der Anblick eines Tafelbetts. Untertags ein Küchenschrank, der als Arbeitsfläche in Verwendung war, wurde er in der Nacht zur Schlafstelle für die „Kindsdirn“ umfunktioniert. Ein Exemplar befindet sich im Bürgermeisterhof aus Wildendürnbach. Im Hofinneren des als Doppelhakenhof angelegten Anwesens sind außerdem ein Hausbrunnen sowie das Plumpsklo und ein Mistplatz zu sehen. Letzterer, im Gegensatz zu heute, ein Prestigeobjekt – denn wer über viel Mist verfügte, konnte viele Tiere sein eigen nennen.

Schwein sein in Niedersulz

Freilich war es nicht jedem vergönnt sich durch Landbesitz zu ernähren: vom Leben der Handwerker lässt sich in diversen Werkstätten, wie jener des Schusters oder des Sattlers, ein Bild machen. Wer sich im Vorfeld über Termine informiert, wird vom Museumspersonal sogar in die eine oder andere Arbeitstechnik eingeführt. Wissenswertes über den seit 7.000 Jahren in der Region praktizierten Lehmbau erfährt man in der Lehmbauausstellung – eine von mehreren Ausstellungen, die sich von „Die Täufer im Weinviertel“ bis hin zum „Bauernleben im Wandel“ erstrecken. Ebenfalls zum Besuch lädt ein lebender Bauernhof ein, in dem die einstigen Ferkel-Stars der Ja-natürlich-Werbung, heute 300 Kilogramm schwer, ihren Lebensabend fristen. Nicht nur diese fühlen sich offensichtlich sauwohl in Niedersulz.

Während sich die Paarhufer in ihrer Lehmgrube suhlen, lässt es sich als Museumsbesucher*in besonders gut auch in auf dem Gelände aufgestellten Liegestühlen unter Obstbäumen chillen. Für Hungrige bietet das Dorfgasthaus Deftiges (unter anderem vom Schwein) und Süßes (Palatschinken oder Eis). Dolce vita eben in Niederösterreich.

Weinviertler Museumsdorf Niedersulz
9. April bis 1. November (täglich von 9:30 bis 18:00 Uhr – letzter Einlass 17:00 Uhr.
Ab 15. Oktober von 9:30 Uhr bis 17:00
A-2224 Niedersulz 250
Eintrittspreise 2022: Erwachsene: € 12,00, Kinder bis 18 Jahre: freier Eintritt, Ermäßigt: € 7,50, Senior*innen: € 10,00, Saisonkarte: € 29,00

www.museumsdorf.at

Geschrieben von Sandra Schäfer