Affen, Maden, Ratten und Kaninchen: sie alle bevölkerten in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Stücken die Bühne des Schubert Theaters Wien. Doch was tun, wenn die Zeit des großen Auftritts hinter einem liegt und man als einstiger Publikumsliebling nur noch leblos herumhängt? Ganz einfach: man begibt sich in den Wahlkampf. Reden halten und das Volk auf seine Seite ziehen: damit ist nicht nur für neuerliche Beschäftigung des (tierischen) Ensembles gesorgt, sondern auch noch beste Unterhaltung für das Publikum garantiert. Als Teil eines solchen hat man nach dem circa 80minütigen „Spaziergang für die Figur“ vom Hof des Theaters in den Arne-Carlsson-Park und wieder zurück gar die Qual der Wahl. Wem soll man bei diesem „Wahlkampf der Tiere“ seine Stimme schenken? Zur Auswahl stehen von der Made – die sich während der Wahlrede genüsslich an den Speiseresten der verängstigten vom Absturz bedrohten Wohlstandsgesellschaft labt – bis hin zum Wildschwein ganz unterschiedliche Kandidaten.

Sorgte besagter Paarhufer beispielsweise in seiner Rolle als General des chinesischen Kaisers im Stück „Go West“ bereits für Aufmerksamkeit, so schreckt er als Kandidat im aktuellen Stück auch nicht davor zurück, die eigene Verwandtschaft zwecks Bestechung im vermeintlichen (Kultur-)Kampf zwischen „mia san mia“ und den Anderen anzubieten. Die hier zum Besten gegebene Volksfest-Mentalität dürfte zwar einigen Wählern nicht so ganz munden, der zu Leberkäse verarbeitete „Onkel“ tut es allerdings allemal – auch wenn es nur kleine Stückchen sind, die man aufgefordert ist zu nehmen: „Krümel für alle!“. So lautet die Devise von Rot, einem weiteren Kandidaten, der aus dem Wiener Untergrund kommt, um das Wort zu erheben. Warum sollen sich nur die Eichhörnchen in der Sonne von Baumwipfel zu Baumwipfel schwingen während die Ratten in der Sch… leben, tönt es in seiner Rede in Lautsprecherakustik durch den Park. Mit jenen an die bis zu fünf Millionen in Wien lebenden Ratten (so erfährt man zu Beginn des Stücks) kann er zumindest aus einem großen Wählerpool schöpfen. Demgegenüber dürfte es das weiße Kaninchen etwas schwerer haben. Der Phantast unter den Kandidaten ist nach seinem Auftritt im Stück „Alice im Wunderland“ als Quereinsteiger in den Wahlkampf gekommen, redet schwer verständlich aber scheinbar gescheit und ist dabei auch noch recht entzückend anzusehen.

Die Chancen, dass die Mehrheit der Zuschauer*innen dem weißen Kaninchen folgt, dürften – geht man von der Erfahrung zur Premiere aus – allerdings nicht schlecht stehen. Ob es für den Sieg reicht, was die anderen Kandidaten so im petto haben und welcher Affentanz noch veranstaltet wird, können Interessierte noch bis Ende Juni in Erfahrung bringen. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Vor allem nicht zuletzt aufgrund der hervorragenden Leistungen der menschlichen „Assistenten“ (Soffi Povo, Angelo Konzett und Markus-Peter Gössler), die sich hinter Mauern, Büschen und Mistkübeln „getarnt“ nicht nur als geschickt im Umgang mit der Figur, sondern noch dazu betont musikalisch erweisen. Besser kann die Sommertheatersaison kaum eingeläutet werden.

Wahlkampf der Tiere. Spaziergang für die Figur II
Weitere Termine: 11., 12., 18., 19., 25. und 26. Juni 2022, 14:30 und 17:30 Uhr (samstags), 11:00 und 15 Uhr (sonntags)
Schubert Theater
Währinger Straße 46
1090 Wien
www.schuberttheater.at

Geschrieben von Sandra Schäfer