Flimmernde Schwarz-Weiß-Bilder einer Autofahrt – die vorbeiziehende Landschaft strahlt etwas Bedrohliches aus. Eine Bedrohung, die nur wenig später in Form eines Autounfalls für Hanna und Jura zur Realität geworden ist. Was nach dem Unfall folgt, ist nicht minder hässlich. „Ugly“, so der Titel des ersten Spielfilms von Juri Rechinsky, der mit seinem Dokumentarfilm „Sickfuckpeole“ über eine Gruppe von obdachlosen Jugendlichen in der Ukraine erstmals 2013 Aufsehen erregte (u.a. „Herz von Sarajevo“).

Schmerz und Verlust prägen auch in „Ugly“ das Leben der Protagonisten. Vielleicht wäre „Pain“ im Endeffekt der bessere Titel gewesen. Das Zitat, nach dem der Film benannt wurde, fiel letztendlich dem Schneidetisch zum Opfer. Begriffe, die in der Regel einen unangenehmen Zustand beschreiben, sind beide und letztendlich für das Verständnis ohnehin nicht relevant. Worte erklingen in den 90 Minuten kaum. Musik wird spärlich eingesetzt. Im Film dominieren lange Einstellungen. In den richtigen Rahmen gerückt wurden sie von Sebastian und Wolfgang Thaler. Letzterer: Haus- und Hof-Kameramann bei Ulrich Seidl (der „Ugly“ koproduziert hat) und bestens geschult am Tableau vivant. Trotz einer gewissen Ähnlichkeit – auch Seidl richtet seinen Blick auf das, wo andere gerne wegschauen – wählt Rechinsky einen weitaus poetischeren Zugang. Fotografische Aufnahmen von Gräsern im Wind oder ein Boot, das auf dem Wasser treibt – die Elemente sind gegenwärtig. Und mitten drinnen der Mensch aus Fleisch und Blut, verletzlich am Körper und in der Seele.

Im Kampf mit Tod und Vergessen

Während Hanna nach dem Unfall ihre Tage in einem ukrainischen Krankenhaus mit Schmerzensschreien verbringt und Jura dem Ganzen hilflos gegenübersteht, muss Josef (Raimund Wallisch) in Wien mitansehen wie seine Lebensgefährtin Martha von der Alzheimer-Krankheit zerfressen wird. Als Alzheimer-Kranke brilliert Maria Hofstätter. Hofstätter – den meisten aus Seidls Film „Paradies: Glaube“ vermutlich in bester Erinnerung – besuchte im Vorfeld regelmäßig Alzheimer-Patienten, um sich auf ihre Rolle vorzubereiten. Ihre Leistung im Film ist bedrückend realistisch. Erzählt wird nicht linear – die Handlung springt zwischen beiden Paaren und den Ereignissen in der Zeit hin und her. In einer Szene versucht sich Martha unter größter Mühe zu erinnern, welcher Monat auf Jänner folgt, in einer anderen steht die Bemühung mit einer Party das Vergessen zu vergessen. Tochter Hanna windet sich dazwischen im spartanisch eingerichteten Krankenhauszimmer – der Tod wird jedoch jemand anderen ereilen.
Ein kalter Körper, zugedeckt mit einem wärmenden Mantel. Es sind Bilder wie diese, die sich einen als Zuschauer ins Hirn brennen. Offensichtlich eine Spezialität des Regisseurs. Schon in „Sickfuckpeople“ gelang es Rechinsky soziales Elend eingebettet in die Natur bildgewaltig in Szene zu setzen. Schwere Kost, ästhetisch serviert. Betroffenheitskino sieht allerdings anders aus. Rührseliges sucht man in den Filmen des in Wien lebenden Ukrainers vergebens. Die Welt ist brutal und schön. Das Leben bedrohlich und endlich. Doch es will gelebt werden. Am Ende des Films erstrahlt ein Hoffnungsschimmer. Er kommt in Form eines neuen Lebens daher.

Ugly. Ein Film von Juri Rechinsky. Mit Angela Gregovic (Hanna), Dimitriy Bogdan (Jura), Maria Hofstätter (Martha), Raimund Wallisch (Josef), Larysa Rusnak (Mutter Jura), Vlad Troitskyi (Vater Jura). Österreich/Ukraine 2017. 90 Minuten.

Kinostart: 2. März 2018

© Fotos: Thimfilm / Novotny Film

Geschrieben von Sandra Schäfer