Das Waldviertel ist nicht nur wegen seines in weiten Flächen dichten Waldbestandes – nomen est omen – sondern auch wegen seiner geschichtsträchtigen Vergangenheit und seiner geologischen wie biologischen Besonderheiten eine besonders attraktive Region Österreichs.

Über vier Jahrzehnte lang bis 1990 war das „Viertel ober dem Manhartsberg“ – wie eine gängige frühere Bezeichnung bis Ende des 19. Jahrhunderts für das Waldviertel lautete – an den Rand der westlichen, demokratischen Welt gelegen. Mit zahlreichen negativen Folgen für die Region – fehlendes Hinterland, Industrie- und damit Bevölkerungsabwanderung, Handelshemmnisse, niedrige Einkommen, Pendlerströme usw. – zählte das mit 4.600 Quadratkilometern rund zehnmal so große Gebiet wie die Bundeshauptstadt Wien lange Zeit zu den so genannten „Armenhäusern“ der Zweiten Republik.

Vom Hemmnis Eiserner Vorhang zu neuen Ufern

Mit dem Zusammenbruch der kommunistischen Gesellschaftsordnung auch in der damaligen CSSR vor etwas mehr als drei Jahrzehnten trat ein unübersehbarer Wandel ein. Die offenen Grenzen belebten in vielen Bereichen die Kommunikation mit der neu geschaffenen „Ceska Republika“. Die ehemals habsburgischen Stadtjuwele wie beispielsweise Znojmo (Znaim), Jihlava (Iglau) oder Jindrichuv Hradec (Neuhaus) sowie die auf österreichischem Staatsgebiet situierten, Jahrhunderte alten, aus historischer und architektonischer Sicht prachtvollen Städte wie unter anderem Gmünd, Horn, Waidhofen/Thaya, Zwettl, Heidenreichstein, Weitra, Krems/Donau usw. verzeichneten rasch steigende Besucherzahlen aus beiden Ländern. Auch der grenznahe Handel blühte sowie in vergangenen Zeiten wieder auf. Das Waldviertel avancierte zudem zur beliebten Ferienregion vor allem der Stadtbewohner, vornehmlich Wienerinnen und Wiener, die die Ursprünglichkeit, die zahlreichen Erholungsmöglichkeiten, die grandiose Landschaft, die zahlreichen Teiche und Moore als Gegenpol zur Alltagshektik und damit als „Balsam für die Seele“ schätzen lernten – und sich nicht selten das Waldviertel als Zweitwohnsitz auserkorten. Durch ihren Lebenslauf zu den “bekennenden“ prominenten Waldviertlern zählten und zählen unter anderem der Komponist Gottfried von Einem, die Schriftstellerin Lotte Ingrisch, der Schriftsteller Josef Haslinger, der ehemalige Politiker und Wiener Vizebürgermeister Bernhard Görg, der Regisseur David Schalko sowie der Autorennfahrer Alexander Wurz.

Kunst- und Kultur mit Großbuchstaben

Neben dem einmaligen Landschaftsfeeling weist das Kultur- und Kunstangebot einen wesentlichen Stellenwert in der Beziehung der „Bodenständigen“, der Besucher als auch der „Zuagrast´n“ zum Waldviertel auf. Theaterfestivals nehmen in zahlreichen Gemeinden vor allem in den Sommermonaten breiten Raum ein. Weit über die Grenzen des Waldviertels hinaus hat sich zum Beispiel jenes in Litschau einen Namen gemacht. Kunst und Kultur mit Großbuchstaben. Unzählige historische Monumente, wie Burgen und Schlösser entlang des Grenzflusses Thaya (Hardegg, Feste Kaja) oder weiter im Landesinneren Rapottenstein legen Zeugnis von oftmals heiß umkämpften Gebieten. Schloss Rosenau mit seinem Freimaurer-Museum und das vom Renaissance-Baustil geprägte Schloss Greillenstein und natürlich das Barock-Gesamtkunstwerk Stift Melk (an der Grenze zum Mostviertel) sowie das Dürnsteiner Stift und dessen Kirche sind allemal Besuche wert. Weitere Highlights in der vielfältigen Stift- und Klosterlandschaft des Waldviertels sind zudem Stift Geras, Stift Zwettl, Stift Altenburg mit den berühmten Deckenfresken von Paul Troger. Sie allen stehen den Besuchern für ein zumindest kurzfristiges Eintauchen in die Welt des klösterlichen Lebens in Form von Führungen offen.

Die Wachau – ein landschaftliches wie kulinarisches Kleinod des Waldviertels

Wer glaubt, im Waldviertel fühlen sich wegen des doch etwas rauhen kontinentalen Hochflächenklimas Weinstöcke beziehungsweise Reben nicht wohl, hat die Rechnung ohne die Wachau gemacht. Denn auch diese einmalige Flusslandschaft mit seinen lieblichen Dörfern gehört beiderseits des Stromes in geologischer Hinsicht zur vom Granit- und Gneis-Gestein durchzogenen Böhmischen Masse im Waldviertel. In der Wachau mit seinen Weinterrassen und den aus den Trauben vergorenen exzellenten Weinen genießt dieser Teil des Waldviertels auch wegen seines vielfältigen kulinarischen Angebots einen ausgezeichneten Ruf unter den Gourmets. Wie überhaupt das kulinarische Angebot im Waldviertel insgesamt in den letzten Jahren einen Höhenflug angetreten hat. Das Angebot reicht von klassischer Küche – allen voran dem Schweinsbraten mit den speziellen Waldviertler Knödeln bis zu Gustostückerln aus der internationalen Küche auf Hauben- und Sterneniveau.

Zahlreiche Gesundheitseinrichtungen

Essen und Trinken halten bekanntlich Leib und Seele zusammen. Allerdings nur in Maßen genossen, denn Gesundheit ist das wesentlichste Wohlfühlelement des Menschen. Das Waldviertel bietet für letzteres eine Vielzahl von Einrichtungen, die dieser Erkenntnis Rechnung tragen. Ob im Moorheilbad Harbach, Lebens-Resort Ottenschlag, Herz-Kreislauf-Zentrum Groß Gerungs, Moorbad Bad Großpertholz, Gesundheitshotel Klosterberg, Kurhotel Leonardo, la pura women’s health resort kamptal, im VIVEA Gesundheitshotel Bad Traunstein und nicht zuletzt im Kloster Pernegg – in allen diesen Häusern steht die Bewahrung bzw. die Wiedererlangung von Gesundheit an erster Stelle.

Auf Schusters Rappen durch Wald und Flur

Ein besonders wichtiger Parameter im Gesundheitsbewusstsein ist die Bewegung. Wandern in gesunder Luft, in möglichst waldreicher und damit mit viel Sauerstoff angereicherter Gegend ist unbestreitbar dem körperlichen wie ebenso dem psychischen Wohlbefinden zuträglich. Gerade das Waldviertel bietet dafür reichlich Gelegenheit. Unzählige Wanderrouten ermöglichen es Erholungssuchenden die Landschaft und ihre Schönheit zu erkunden und gleichzeitig Gutes für die Gesundheit zu tun. Einer dieser nahezu unbeschreiblich attraktiven Wanderwege ist jener, der sich entlang des oberen Kamptals von Zwettl nach Roiten schlängelt. Der „Wasserwunderweg“ ist ein einzigartiger und kreativer Erholungswanderweg in idyllischer Natur. Mit einer Länge von 12 km in 3,5 Stunden ist er – da keine steilen Anstiege oder Felsformationen überwunden werden müssen – familienfreundlich. Moosumwitterte Findlinge und Granitrestlinge im Wasser wechseln mit Sandbänken, die auf verlockende Weise einladen, ein erfrischendes Fußbad zu nehmen. Unterbrochen wird die idyllische Ruhe einzig vom Zwitschern der Vögel und vom Rauschen des Wassers. Wer so richtig mit der Seele baumeln will ist hier am richtigen Ort.

Am Tisch am höchsten Berg des Waldviertels

Wer allerdings höher hinaus will, für den stehen einige interessante Routen zu den Gipfeln des Waldviertels bereit. Zum Beispiel auf den Tischberg, der höchste Punkt des Waldviertels auf 1.063 Meter. Der Berg liegt unweit der tschechischen Grenze bei Karlstift und lag früher mitten im Sperrgebiet des Eisernen Vorhangs. Vom Gipfel aus bietet sich dem Wanderer eine großartige Fernsicht. Eine familienfreundliche Route führt von Karlstift (Kirche) aus über den Weg 05 entlang der Aichelberg-Lifte. Ab den Liften geht es über den Weg 86 und einige Forststraßen weiter bis zum Felsen, der mit „Tischberg“ beschriftet ist. Apropos Karlstift: Diese Gemeinde ist nicht nur Ausgangspunkt für Touren von Wanderern auf Schusters Rappen, sondern weist auch eine kleine, dennoch feine Skistation auf. Weiteres, vor allem familientaugliches Skivergnügen im Waldviertel gibt es zudem bei Maria Laach am Jauerling, in Harmanschlag sowie in Kirchbach.

Von Findlingen und anderen Steinen

Der Aussichtsberg Nebelstein wiederum kann in Form eines 11 Kilometer langen Rundwanderweges erklommen werden. Sechs Erlebnisstationen entlang der Strecke sorgen für Spaß und Abwechslung. Ausgangspunkt der Tour ist Hirschenwies, Xsundwärts Parcours des Moorbades Harbach oder in Maißen, Parkplatz Nebelstein. Auch vom Gipfel des Nebelsteins – knapp unterhalb des Gipfels befindet sich die Nebelsteinhütte – genießt der Wanderer einen traumhaften Fernblick. Bekanntlich hat es das Waldviertel besonders ausgeprägt mit Steinen. Die mit riesigen Findlingen übersäte Blockheide bei Gmünd ist gewissermaßen ein Synonym dafür. Aber auch Bergnamen nehmen Bezug auf diesen geologischen Zustand. So auch der Mandelstein in der Nähe von Harbach. Der Ausblick von einer stählernen Plattform am etwas ausgesetzten, felsigen Gipfel reicht bis weit in das Nachbarland Tschechien.

Naturdenkmal Ysperklamm

Das südliche Waldviertel wird vom mächtigen Höhenzug des Ostrong dominiert. Der Große Peilstein (1.061 m) ist sein höchster Gipfel, das Gipfelkreuz steht am Kleinen Peilstein (1.024 m). Er zählt ob seiner einzigartigen Aussicht vom Weitental über das Donautal bis zur Alpenkette zu den beliebtesten Wanderzielen im Waldviertel. In der Region befindet sich auch die gern besuchte Ysperklamm. Die seit 1952 als Naturdenkmal geltende Klamm beeindruckt mit einem Naturschauspiel aus klarem Wasser, das über hohe Felsen und durch enge Schluchten rauscht, imposanten Wasserfällen und spektakulären Steinformationen. Der Aufstieg durch die faszinierende Klamm ist allerdings nicht leicht, Ausdauer und Trittfestigkeit sind gefordert. Je nach Wandertempo müssen zwei bis drei Stunden Durchstiegszeit kalkuliert werden.

Auf stählernen Wegen das Waldviertel genießen

Sie sind ein stählernes Wahrzeichen des Waldviertels – die beiden Schmalspur-Eisenbahnlinien in der nördlichen Region. Einst als wichtigstes öffentliches Verkehrsmittel Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb genommen fristen sie nunmehr ein Leben als – allerdings beliebte – Touristenattraktion. Vom Ausgangspunkt im Bahnhof Gmünd verkehren an bestimmten Tagen Nostalgie-Garnituren am nördlichen Ast bis Litschau und Heidenreichstein und am südlichen Ast bis nach Groß Gerungs. Vor allem die von „Dampfrössern“ gezogenen Garnituren lassen die Herzen nicht nur der Eisenbahnfans höher schlagen.

Ein Land für jede Jahreszeit

Summa summarum bietet das Waldviertel eine breite Palette an persönlichen Gestaltungsmöglichkeiten an. Im prachtvollen Natur-, Kultur- und Kunstrahmen. Es ist längst nicht mehr nur ein Geheimtipp für Naturliebhaber, Erholungssuchende, für Sportausübende, für Lebensgenießer. Zwar geografisch etwas abseits von der quirligen Millionenmetropole Wien gelegen, aber dennoch in kurzer Reisezeit erreichbar, bietet das „Viertel ober dem Manshartsberg“ Erlebnisse zu jeder Jahreszeit. Also, die Pferde satteln. Gerade auch im nun vor der Tür stehenden Herbst präsentiert sich das Waldviertel von seiner prachtvollen Naturseite; fördert Wandern im tiefen Tann mit seinen oftmals mystisch wirkenden Kraftorten in frischer Luft entlang von glasklaren Wasserläufen und nicht zuletzt ein feiner Schmaus den Zusammenhalt von Leib und Seele.

Geschrieben von Stefan Weinbeisser