Als „Queen of Queens“ posiert sie sexy in Pose geworfen, offensichtlich von Schönheitsoperationen gezeichnet auf Instagram. Was man auf den ersten Blick sieht – dass ihr Gesicht chirurgisch verändert wurde – wurde von ihr nie verneint. Freizügig spricht sie in der Öffentlichkeit – unter anderem in der italienischen Talk Show „Belve“ auf Rai – über Schönheit, Männer und Drogen. Als Tochter des berühmten italienischen ehemaligen Westerndarstellers Giuliano Gemma ist Vera Gemma, bekannt mit dem „Who is Who“ der italienischen Filmszene, Teil der High Society der “Schönen und Reichen“. Doch der Schein trügt. Im österreichischen Spielfilm „Vera“ verschwimmen Realität und Fiktion zu einem wunderbaren Portrait über eine Frau, die versucht selbstbestimmt ihren Weg zu gehen, doch dabei immer wieder zum (nicht zuletzt eigenen) Opfer ihres Namens und ihrer Herkunft wird. Für die Darstellung ihrer selbst erhielt Vera Gemma bei den Filmfestspielen in Venedig in der Nebenschiene „Orizzonti“ den Preis als beste Darstellerin. Ab 6. Jänner ist „Vera“ nach seiner Österreich-Premiere bei der diesjährigen Viennale auch regulär in den heimischen Kinos zu sehen.

Gedreht wurde, wie auch die anderen Filme von Tizza Covi und Rainer Frimmel, mit Laiendarstellern. Nach ihrer preisgekrönten Arbeit „La Pivellina“ begab sich das in Wien lebende Regieduo erneut in die römische Vorstadt San Basilio. Hier lassen sie Vera und ihren loyalen Chauffeur Walter, nach einem von diesem vermeintlich verschuldeten Autounfall, auf das Vater-Sohn-Gespann Daniel und Manuel treffen. Von ihrem Leben auf diversen Szene-Events gelangweilt beschließt Vera sich dem Kind anzunehmen und greift der Familie, selbst als die Versicherungs-Gaunereien des Vaters auffliegen, weiterhin unterstützend unter die Arme. Erst kurz zuvor war sie von ihrem Verlobten – einem, wie man annehmen darf, gut aussehenden, dafür untalentierten Jung-Regisseur – abgezockt worden.

Dass sie sich trotz zahlreicher Erfahrungen, in denen sie um ihr Geld betrogen wurde, immer wieder von Neuem ausnützen lässt, mag für die Zuschauer*innen stellenweise schmerzlich naiv erscheinen, doch erweist sich Vera gleichzeitig in ihrer Menscheneinschätzung als erstaunlich tiefsinnig. Trotz Markenklamotten, Auftritten auf Szeneevents und zahlreichen Schönheitsoperationen agiert sie auf der Leinwand nie oberflächlich; unrechte Handlungen wie Betrug werden von ihr mit dem Wissen, dass die Protagonisten nicht aus Bosheit, sondern aus Armut und den Träumen von einem besseren Leben heraus handeln, toleriert. Während dabei vieles nicht so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, entpuppt sich anderes (mitunter humorvoll) schließlich doch einem Klischee entsprechend.
Gemeinsam scheint den Protagonisten der Wunsch nach einem erfüllten Leben. Sei es als Mensch abseits eines hübschen Äußeren wahrgenommen zu werden, ein Dasein ohne Geldsorgen oder nicht mehr länger im Schatten des bewunderten Vaters zu stehen. „Vera“ ist ein Film über jene Erfahrungen, die uns prägen oder von denen wir uns prägen lassen, über Herkunft, Familie und dem Unvermögen uns von ihr zu lösen, nicht zuletzt aber auch eine Hommage an das italienische Kino: sei es die Stadt Rom als historische Filmstadt, durch die die Protagonisten sich bewegen, Filmzitate und -verweise oder eingebaute alte Filmaufnahmen aus dem privaten Umfeld Giuliano Gemmas, die aus einem alten Container hervorholt werden. Wunderbar anzusehen ist auch die gemeinsam mit Asia Argento dargebotene Musikeinlage sowie der anschließende Spaziergang über einen alten Friedhof zum namenlosen „Sohn Goethes“. Wir lernen: niemand sollte sein Leben vom Ruhm seiner Eltern überschatten lassen. Doch das ist offenkundig leichter gesagt, als getan.

VERA. Ein Film von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Vera Gemma, Walter Saabel, Daniel de Palma, Asia Argento. Österreich 2022. 115 min

Kinostart: 6. Jänner 2023

Titelbild: Filmszene © Stadtkino Film

Geschrieben von Sandra Schäfer