Untermalt von Klängen, die sich auf Chansons, East-Coast-Swing und Rock ‘n‘ Roll beziehen, erzählen die acht Titel des Albums von einer Dreiecksbeziehung. Robert Fischer traf sich mit Texter, Musiker und Band-Mastermind Chili Tomasson zum Interview.

Die Band Lea’s Apartment gibt es erst seit wenigen Monaten. Ihr kennt euch allerdings schon wesentlich länger. Wie ist es zur Gründung gekommen?

Wir alle sind auf verschiedene Weise miteinander befreundet, verbunden, verliebt und verstrickt. Die Idee einer solchen Formation existiert bereits seit langem. Über Jahre hinweg ist in diesen Kreisen auch immer wieder die Frage aufgetaucht, wie es funktionieren kann kollektiv Kunst zu machen. Wir suchten nach Formen und Strukturen, um uns gegenseitig zu unterstützen. Wir überlegten, wie wir gemeinsam arbeiten könnten, um so vielleicht auch größere Projekte zu verwirklichen. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist Lea’s Apartment. Wir haben beschlossen, es für uns zu versuchen. Wohin das führt, finden wir gerade heraus.

Du schreibst Songs, publizierst aber auch Texte in Literaturzeitschriften. Könntest du etwas mehr über deinen Schreibprozess erzählen?

Ich schreibe eigentlich andauernd und sammle Fragmente. Manchmal sehr vage, manchmal bereits sehr konkret. Dann schreibe ich Listen mit all diesen Fragmenten. Das endet meistens in einem Chaos, das aus unendlich vielen Zettelstapeln besteht. Diese Zettelstapel sind mein Grundsystem. In einem nächsten Schritt versuche ich, diese Ideen-Fragmente zu konkretisieren. Alles, was mit Text zu tun hat, arbeite ich sehr früh präzise aus. Melodien, Akkorde, Rhythmen bleiben Skizzen. Diese Elemente trage ich dann in verschiedene Arbeitskontexte. Ich stelle das Material den anderen vor und wir ordnen es gemeinsam. Manchmal proben wir Lieder sehr lange, versuchen uns an verschiedenen Versionen und Haltungen im Spiel. Manchmal stehen wir aber mit einem neuen Lied direkt im Studio, proben es zwei Stunden lang um dann sofort eine Aufnahme zu machen. Letzteres führt oft zu sehr amüsanten Situationen. Nach einer Woche Studio und zwanzig neuen Songs ist es oft sehr schwierig, sich daran zu erinnern, gewisse Sachen gespielt zu haben. Wir sitzen dann abends in der Regie und jemand sagt: „Das hab ich gespielt? Ehrlich? Ich kann mich nicht erinnern, aber klingt gut.“

Zum Song „Whenever there’s a Sunny Spot on the Street“ gibt es auch ein feines Video. Wie verlief der Weg vom Konzept bis zur Umsetzung?

Für dieses Video benötigten wir mehrere Anläufe. Juka und ich haben im Januar begonnen, daran zu arbeiten. Wir hatten ein erstes Konzept, eine kleine Crew, Locations und zwei Drehtage. Nach diesen beiden Tagen begannen wir am Schnitt zu arbeiten. Hier haben wir dann aber bemerkt, dass unser Konzept nicht funktioniert. Wir haben während des Drehens gefroren und es war auf der Aufnahme sichtbar. Im Nachhinein weiß ich auch nicht, was wir uns eigentlich dabei gedacht haben. Es war Januar. Also haben wir das ganze Material weggeworfen. Wir hatten unser Budget aufgebraucht und keinen Plan. Das war dann unser Ausgangspunkt für das zweite Konzept. Nachdem wir auch dieses verworfen haben, kam das Dritte. Kurz dachten wir, der dritte Anlauf muss klappen, weil ein dritter Anlauf immer klappt. Schließlich kam Juka mit der Idee für das vierte Konzept.
Juka brachte jede Menge Fotos von kleinen Alltagsszenen im öffentlichen Raum. Wir entwickelten die Fotos und fertigten Drucke an. Dann schnitten wir die beweglichen Elemente aus und begannen mit der Animation. Wir haben uns in diese Arbeit sehr verliebt. Das war auch notwendig, weil es wirklich lange gedauert hat. Animationen bleiben aufwendig und ich denke, sie sind nur machbar, wenn du es wirklich möchtest.

Was war der Auslöser bei dir Musik zu machen?

Ich war schon immer in Kunst verliebt und habe mich in Verschiedenem versucht. In das Genre „Musik“ bin ich reingestolpert. Es war eigentlich nicht meine Intention. Ich wurde von Musiker:innen gefragt, ob ich mit ihnen gemeinsam spielen wollte und ich habe ja gesagt. So fand ich mich plötzlich in einer Band wieder. Außerdem war es für mich damals leichter, mit Musik Geld zu verdienen als mit Texten oder Bildern. Ich konnte Gedichte nicht verkaufen und Papier, Keilrahmen, Canvas, Farben sind einfach teuer. Das geht ins Geld. Musik ist hier dankbarer.
Natürlich brauchst du Equipment, aber wenn du das einmal hast, bleibt es dir auch. Mir genügten eine Gitarre, eine Mundharmonika und ein Hut vor mir auf dem Boden. So habe ich begonnen Straßenmusik zu machen. Aber irgendwann wurde die Polizei sehr unangenehm. Das hat mich dann in Bars und Clubs getrieben. Hier war es zwar schwieriger Geld zu verdienen, aber dafür war es besser beheizt. Ab einem gewissen Punkt hat mich die Musik dann nicht mehr losgelassen. Ich war fasziniert davon, also bin ich dabei geblieben.

Was darf man sich von den bevorstehen Release-Konzerten von Lea´s Apartment in Österreich und Deutschland erwarten? In welcher Besetzung werdet ihr da auftreten?

Ich denke, dass es sehr schöne Konzerte werden. Unser Album „What are you doing in Belgrade?“ ist tanzbar und lässt den Musiker:innen viel Spielraum für Improvisation. Das macht auf der Bühne viel Spaß und diese Freude überträgt sich ins Publikum. Jeder Abend wird anders. Wir werden die Konzerte zu siebt spielen. Jakob Wagner, Juka, Matthias, Jakob Willner, Fabian, Stevo und ich. In Instrumenten bedeutet das Piano, Akkordeon, Gitarre, Tenor-Saxophon, Bass, Schlagzeug und Percussion.

Du hast schon viele Konzerte gegeben, auch international. Welche Konzerte sind dir noch besonders in Erinnerung?

Eines meiner persönlichen Highlights war ein Konzert in Brighton, England. Der Soundcheck hat länger gedauert als geplant und wir haben die Bühne erst fünf Minuten vor Konzertbeginn verlassen. Der Saal war leer. Ich war wenig überrascht, weil ich ohnehin nicht erwartet hatte, dass viele Menschen unser Konzert in Brighton besuchen würden. Niemand kannte uns dort und das Wetter war alles andere als einladend. Als wir aber dann aus dem Backstage-Raum zurückkamen, war der Raum zum Bersten voll. Es war schwierig, überhaupt noch einen Weg zur Bühne zu finden. Ich weiß nicht, wie es gelungen ist, dass so viele Menschen in so kurzer Zeit einen Saal betreten können. Das erstaunt mich heute noch.

Welche Zukunftspläne hat die Band?

Ich denke, manche würden gerne in Marokko Urlaub machen und die anderen in Paris. Wir verhandeln das gerade noch… Danach werden wir wieder im Studio arbeiten und weitere Konzerte spielen. Wir haben jedenfalls eine Menge Pläne und einige Dinge in Aussicht.

Eine Frage, die ich fast allen meinen Interviewpartnern zum Schluss stelle ist: Welche drei Alben würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?

Das hängt davon ab was für eine Art Insel das wäre. Meine Musikvorlieben ändern sich mit dem Wetter, der Jahreszeit und dem Ort an dem ich mich gerade befinde. Aber nehmen wir mal an es ist eine einsame Insel irgendwo im Nordatlantik – kalt, regnerisch, überall nur Steine und Felsen – dann wäre es:

  • Velvet Underground: “White Light/White Heat”
  • Element of Crime: „Immer da wo du bist bin ich nie“
  • The Beatles: „Help! “

Danke für das Gespräch!

Lea´s Apartment – „What are you doing in Belgrade?“ (WERK Music, 2022)
www.daswerk.org/werkmusic/leas-apartment

Zur Person:
Chili Tomasson schreibt Gedichte und Geschichten, Musik und Filme. Bisher veröffentlichte er etliche Studio-Alben, publizierte Texte in diversen Literaturzeitschriften und spielte Konzerte in Österreich, Deutschland, Frankreich, Island, Dänemark, Tschechien und Großbritannien. Er ist Mitglied der Band „Lea’s Apartment“ sowie der Art-Rock/Fusion Formation „The Cinema Electric“. 2016 wurde Chili Tomasson das Jahresstipendium für Komposition vom Land Salzburg verliehen.  2018 und 2019 inszenierte Chili Tomasson gemeinsam mit Maria Sendlhofer die Lyrik-Musik-Performance „Carrying a Gun“ in Wien und Leipzig.  2022 gestaltet Chili Tomasson die Musik zu dem Theaterstück „Antigone” unter der Regie von Katja Ladynskaya im Phoenix Theater in Linz. 

Titelbild: Lea’s Apartment © Barbara Rohringer

Geschrieben von Robert Fischer