Reisender kommst Du nach Wien, dann solltest Du einen Besuch auf diesem Markt nicht verpassen! Der nach dem Armenarzt, Sozialpolitiker und einstmals führenden sozialdemokratischen Politiker benannte Nahversorgungs-Hotspot ist so vielschichtig wie die Standbesitzer und Konsumenten aus aller Herren Länder. Eine Mischung aus Multi-Kulti und ur-österreichischem Lebensfeeling. Pulsierend, lautstark untermalt von einem babylonischen Sprachgewirr. Nichts für hinsichtlich des Lärmpegels zartbesaitete Seelen und Platzangst-Gemüter wie ebenso wenig für Luxus-Einkauftempel-Freaks. Dafür aber für alle, die es gerne haben, wenn es „menschelt“. Und die in eine vielfältig schimmernde Welt von Lebens- und Genussmitteln aller Art eintauchen wollen.

Preisgünstige regionale Produkte am Bauernmarkt

Zweigeteilt und dennoch eng beisammen, das eine ohne dem anderen nicht denkbar, sind der ab dem frühen Morgen im Freien situierte Bauernmarkt in der Leibnizgasse, und gleich gegenüber, weniger als einen Steinwurf entfernt, der verschachtelte Markt mit den baulich festen Objekten. Der Bauernmarkt ist nicht nur wegen seiner besonders günstigen Preise bekannt, sondern auch wegen der uralten Gilde der Marktschreier, die hier am letzten Ort in Wien im dichten Gedränge der Kunden und Besucher lautstark ihre Produkte anbieten. Geradezu eine Wirrwarr-Klang-Symphonie, komponiert von heftig strapazierten Stimmbändern. Während anderswo die Bauernmärkte nur ein- bis zweimal (freitags und/oder samstags) ihre Produkte feilbieten, lädt der Bauernmarkt in der Leibnizgasse von Montag bis Samstag, jeweils vormittags, die Kunden ein. Die Freiluft-Stände bieten ausschließlich eine breite Palette regionaler Produkte aus österreichischen Landwirtschaftsbetrieben an.

Der Vorteil, den diese Form der Märkte gegenüber großen Supermärkten hat, liegt einerseits in der höheren Qualität, da die Waren nicht aus Massenproduktion stammen und ständig kontrolliert werden, andererseits weiß man als Kunde genau über die Herkunft der Lebensmittel Bescheid und kann so sichergehen, dass die Eier tatsächlich aus Freilandhaltung stammen und das Fleisch nicht aus Massentierhaltung.

Aus der Zeit gefallen

Wer in das Labyrinth zwischen den festen Marktgebäuden eintaucht, findet sich postwendend in einer anderen Welt als „die da draußen“ wieder; erlebt geradezu ein Gefühl wie aus der Zeit gefallen. Das Warenangebot ist vielfältig und für heimische Geschmacksnerven nicht selten zu erforschendes, exotisches Neuland. Hier findet man nahezu alles was Herz und Magen begehren: vom günstigen Obst und Gemüse, über Fleisch und Geflügel, Fisch, Gewürze, mediterrane und unzählige orientalische Produkte, gewissermaßen aus „Tausend und einer Nacht“, Käse und Backwaren bis hin zu Kleidung oder anderen Gebrauchsgegenständen. Ein Markt für alle Gaumenfreuden, der in so manchen Passagen durchaus Assoziationen an einen orientalischen Basar weckt.

Anziehungspunkt des vielschichtigen Publikums sind nicht zuletzt die Imbissstände, an denen schon in den frühen Vormittagsstunden – frei nach der bekannten Philosophie der Wiener: „Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen“ – ausgeprägtes Treiben herrscht. Hier funktioniert die „interstellare“ Kommunikation zwischen Einheimischen und „Zuagrast´n“.

Maritimes ist auch zugegen

Wer es lieber ruhiger und nicht ganz so laut und bodenständig will, der ist in den Restaurants und Gasthäusern unterschiedlicher Herkunft am Markt und in unmittelbarer Umgebung gut aufgehoben. Das Highlight für Freunde des maritimen Genusses ist das am Nordrand des Marktes, im Stand 53-54, situierte Fischrestaurant „Sezai Fisch(t)raum“, dessen Speisekarte eine Auswahl an Fischsuppen, Meeresfrüchten und verschiedenen Salzwasserfischen anbietet. In einer offenen Schauküche vom „original“ italienischen Küchenchef Antonio mit Herz und kundiger Hand stets frisch zubereitet. Nahezu immer köstlich und unter dem Strich – vor allem auch wegen des täglich angeboten, besonders preiswerten Mittagsmenüs – letztlich Geldbörsel schonend. Eine gut sortierte Weinkarte ergänzt das rundum zufriedenstellende Ambiente. Geöffnet hat die kulinarische Begegnungsstätte von Montag bis Samstag, jeweils von 11.30 bis 22 Uhr.

Nicht zuletzt haben nicht nur die Kochkunst, sondern auch anderes künstlerisches Schaffen sowie Workshops ihren Raum am Markt. So hat die Caritas Wien im Stand 129 einen Treffpunkt für dieses Genre, das man kaum an einem solchen Platz erwarten würde, eingerichtet.

Wiens Märkte – die unprätentiöse Alternative im Bereich Nahversorgung

Die Wiener Märkte – die Historie weist ihre Entstehung im 11. Jahrhundert aus – haben eine große Tradition. In früheren Zeiten als der Dreh- und Angelpunkt der Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln aller Art, hat diese Einrichtung durch die Supermärkte eine große Konkurrenz erhalten. Die Donaumetropole ist trotzdem noch immer Marktstadt. In Wien gibt es 17 Detail- und 5 temporäre Märkte, auf welchen hauptsächlich Lebensmittel angeboten werden. Bewährtes mit neuen Ideen verbinden – das ist das Rezept, mit dem der Bestand der noch immer unverzichtbaren Nahversorgungseinrichtung auch in Zukunft sichergestellt werden soll. Als Platz bzw. Begegnungsort, wo günstiges Einkaufen Spaß macht, weil unter anderen meistens auch das Preis-Leistungs-Verhältnis passt; wo noch Zeit für ein „Plauscherl zwischen der Frau Sopherl und der Frau Maria und dem Herrn Josef“ ist.

Im Aufwind

Der Aufwind ist erfreulicherweise spürbar. Nicht nur für die großen, sondern auch für die meisten der weniger Kundenzustrom und mediale Beachtung aufweisenden Märkte. Ob der Touristenmagnet Naschmarkt in Mariahilf mit seiner weit über die Grenzen der Stadt hinaus als Anziehungspunkt wirkenden Gastromeile, Brunnen- und angrenzender Yppenmarkt in Ottakring, Viktor-Adler-Markt in Favoriten, Karmelitermarkt in der Leopoldstadt, Rochusmarkt auf der Landstraße, Meidlinger Markt, Hannovermarkt in der Brigittenau, Meiselmarkt in Fünfhaus sowie die kleineren Märkte wie u.a. der Kutschkermarkt in Währing – sie alle haben den Sprung ins 21. Jahrhundert geschafft. Auch wenn die Umfeldbedingungen in Form starker Konkurrenz durch die Supermärkte ein Spannungsfeld bleiben.

Wiens Märkte – in Summe eine Sehenswürdigkeit im wahrsten Sinn des Wortes mit allen Sinnen zu genießen. Sich Zeit nehmen, hingehen, eintauchen in eine Welt, in der das pralle Leben nicht nur seine Probe hält, sondern diese längst bestanden hat. Auf geht´s!

Viktor-Adler-Markt
Erreichbar U1-Station Keplerplatz
Maximale Öffnungszeiten (Rahmenzeiten):
Handel: Montag bis Mittwoch und Freitag von 6 bis 19.30 Uhr, Donnerstag von 6 bis 21 Uhr, Samstag von 6 bis 18 Uhr
Gastronomie: Montag bis Samstag von 6 bis 23 Uhr
Kernöffnungszeiten (werktags):
Dienstag bis Freitag von 15 bis 18 Uhr
Samstag von 8 bis 12 Uhr

© Titelbild: Kronsteiner/PID

Geschrieben von Stefan Weinbeisser