Wer im siebten Bezirk die kleine Mechitaristengasse entlang geht, ahnt wenig von den großen kulturellen Reichtümern, die sich hinter den Mauern des gleichnamigen Klosters befinden. Wertvolle Handschriften, kostbare Teppiche und sogar eine Mumie liefern Auskunft über das historisch-religiöse Erbe Armeniens, das in Wien ein bedeutendes Archiv gefunden hat.

Verwaltet werden diese Kulturschätze von einer kleinen Gruppe in Wien lebenden Mechitaristen. Ein Orden, der 1701 in Konstantinopel von Mechitar (Tröster) von Sebaste gegründet wurde und bald durch Papst Klemens XI bestätigt wurde. Als armenische Benediktiner ließen sie sich auf einer kleinen Insel in Venedig nieder, wo sich jedoch bald ein Teil der Mönche vom Venediger Stammhaus trennte und nach Triest weiter zog. Ein kurzes Zwischenspiel: denn mit der Besetzung Triests durch Napoleon verloren die Mechitaristen ihre Unterkunft. Die Ordensbrüder kamen nach Wien, wo ihnen Kaiser Franz I./II. das ehemalige Kloster der Kapuziner zur Verfügung stellte.

Wiener Diplomatie

Es dürfte sich bei dem gewährten Aufenthalt im Österreich der Habsburger allerdings weniger um einen Akt der Nächstenliebe, sondern vielmehr um einen politisch strategischen Schachzug gehandelt haben. Begründet in der Tatsache, dass es sich bei den katholischen Mönchen um gebildete Persönlichkeiten handelte, die mit ihren Sprachkenntnissen und Beziehungen einen Vorteil für das Haus der Habsburger darstellen konnten. Gerade mit ihren türkisch und arabisch Kenntnissen konnten sie sich beim Brückenbau zwischen Ost und West als nützlich erweisen. Hatten die Armenier bis dato keinen allzu guten Ruf im Habsburgerreich genossen – standen sie doch oft im Verdacht als Spione tätig zu sein. Nicht vergessen werden sollte im Hinblick auf das Wirken der Armenier in Wien allerdings auch die Tatsache, dass das erste Wiener Kaffeehaus von einem Armenier geführt wurde.

Im Herzen des Klosters

Dass sich die Armenier nicht nur auf das Kaffeebrauen verstanden, sondern es vor allem im Bereich der Buchkunst zur Meisterschaft brachten, davon zeugt die reichhaltige Klosterbibliothek des Ordens. Tatsächlich verfügen, die in Wien ansässigen Mechitaristen über die viertgrößte armenische Handschriftensammlung der Welt. Es handelt sich dabei um 2.600 zumeist prunkvoll illuminierte Handschriften, die älteste aus dem 9. Jahrhundert. Noch heute sind diese Zeugnisse vergangener Buchkunst in voller Farbenpracht erhalten. Dafür sorgt nicht zuletzt die verblüffende Haltbarkeit der Farben. Das rot gewann man beispielsweise aus einer Art der Schildblattlaus. Die Überreste der Laus wurden mit Knoblauchsaft und Feigenkernen vermischt um die Haltbarkeit zu erhöhen und einen natürlichen Schutz gegen Motten zu liefern. Noch heute sollen Knoblauchdämpfe aus den Büchern emporsteigen und konzentrierte Wissenschaftler mit ihrem Dunst einhüllen. Bei der Erlangung der kostbaren Handschriften hat auch so manche glückliche Fügung schon einmal die Hand im Spiel gehabt. So gelangte eine seltene Handschrift in den Besitz der Mönche, als ein Pater auf einem Markt in eine alte Handschrift eingewickelte Trauben kaufte.

Von Buchdruck, Gesang und Magenbitter

Über ein reichhaltiges Wissen verfügen die Mönche auch im Bereich der Medizin. Ein Umstand, der nicht zuletzt auch darin begründet lag, dass die armenische Kirche Sezierungen erlaubte. In einem Buch über Volkskrankheiten lässt sich beispielsweise noch heute hochaktuelles Kräuter-Heilwissen ausfindig machen.
Insgesamt befinden sich rund 120.000 Werke in armenischer Sprache und 10.000 Werke über Armeniens Geschichte in der Bibliothek. Die armenische Zeitschriftensammlung des Hauses ist die umfangreichste der Welt. Bis vor kurzem wurde Zeitschriften sowie andere Schriften in armenischer, lateinischer oder arabischer Sprache in der Klostereigenen Druckerei selbst gedruckt. Doch die technischen Neuerungen im Druckereiwesen zwangen die Mönche zur Auflösung der Traditionsdruckerei, in der einst auch der spätere österreichische Bundespräsident Franz Jonas als Setzer arbeitete.

Noch immer in Verwendung ist hingegen der Speisesaal der Mönche, den ein Gemälde des letzten Abendmahls schmückt. Wertvolle Kunstwerke zieren auch die Kirche. Unter anderem ein von Architekt Theophil Hansen entworfener Altar. BesucherInnen sind herzlich eingeladen sonntags um 11.00 Uhr an der Singmesse teilzunehmen.
Wer sich hingegen für das Kloster – hierbei handelt es sich um einen Bau des Architekten Joseph Georg Kornhäusel – muss telefonisch einen Termin für eine Gruppenführung ab fünf Personen vereinbaren. In der Besichtigungstour inbegriffen ist auch das Klostermuseum. Hier befinden sich unter anderen das von Maria Theresia erteilte Privilegium zur Niederlassung der Möche in Triest sowie kostbare traditionelle (Mess)-Gewänder und Teppiche. Eine Besonderheit ist die Mumie der Sängerin von Ramses II. (ein Geschenk von einem ägyptischen Diplomaten), die in einer eigenen Kammer aufbewahrt wird. Der Dame gegenüber ist unter anderen auch eine Katzenmumie zur letzten Ruhe gebettet. Zum Abschluss erwartet die BesucherInnen noch ein Stamperl des von den Mönchen seit Jahrhunderten gebrauten Mechitarine Klosterlikörs. Danach geht es wieder hinaus auf die Straße und dabei definitiv um ein mächtiges „Wow, was es in Wien alles gibt“ reicher.

Mechitaristen-Congregation
Mechitaristengasse 2-4
1070 Wien
Tel.: +43 1 523 64 17
www.mechitaristen.org

Geschrieben von Sandra Schäfer