„Utopie ist ein Treffpunkt“, heißt es im dritten Teil der „Goodbye Europe Trilogie“ von Bärbel Strehlau. Gingen Teil eins und zwei dieser theatralischen Krisenuntersuchung der Europäischen Union im „Palais Kabelwerk“ und im „Hamakom Theater“ über die Bühne, so trifft man sich dieses Mal im „Kosmos Theater“ um kollektiv das Dilemma mit der Menschheit zu thematisieren. Zäune um Europa, das Mittelmeer ein Massengrab und der Kapitalismus ein riesiger Drache, der zu groß für die Welt geworden ist: das Stück „Aus heiterem Himmel“ bietet im gegenwärtigen europäischen Abgesang wenig Neues – im schlimmsten Fall wirkt es gelegentlich gar plakativ moralisierend. Und das obwohl es in seiner Gesamtheit alles andere als deutlich in der Darstellung ist; die Handlung ist im Gegenteil nicht leicht zu entschlüsseln. Irgendwo am Ende der Welt sitzen rund um ein schwarzes (Öl)Loch drei androide Nymphen gemeinsam mit einem Urfisch – ein über die Jahre offenkundig an der Menschheit erkranktes mythisches Wesen. Durch sie und um sie herum hallen die Gedanken, Mythen und vergangenen Unternehmungen der Menschen, die, so scheint es, permanent an ihrem Menschsein versagen.
„Menschwerdung ist schwer wie Blei“, heißt es an einer Stelle. An diese seltsamen Blei-Skulpturen, die man zu Silvester gießt, fühlt man sich auch gelegentlich im Laufe des Abends erinnert. Ein aus vielen Facetten bestehendes verworrenes Konstrukt – fast schon poetisch aber doch unfertig wirkend, hineingeworfen mit einem Platsch ins große Wasserglas.
Atmosphärisch unterhaltsame Endzeitstimmung mit Gästen
Allerdings – und das ist das große Plus der Inszenierung – plantscht man dank stimmungsvoller Klänge (Komposition: Adam McCartney) und wunderbaren Bühnenbildes (Stefanie Muther) atmosphärisch äußerst dicht dahin. Gelegentlich fühlt man sich an eine antike Tragödie erinnert, dann wieder glaubt man sich am Set zu den Dreharbeiten eines jener heute so schön schräg anmutenden Science-Fiction-Filme der 60er/70er Jahre. Letzteres nicht zuletzt dank der Kostüme (Diego Rojas Ortiz) der Schauspieler. Diese erledigen in weiße Overalls gesteckt oder im Outfit eines balkanesischen Gangsters oder vielleicht doch eines Rentners in Florida mit Fischkopf (Boris Popovic) ihren Job wirklich einwandfrei. Sei es das kindlich-groteske Spiel der Nymphen (Lise Huber, Christina Scherrer und Maria Spanring), ihre elektrischen Impulsen ausgesetzt wirkenden Tanzbewegungen in Slow Motion oder das tattrige Dahinwackeln des sterbenden Fischs – alles wird mit Bravour gemeistert und regt des Öfteren sogar zum Schmunzeln an.
Richtig komisch wird es, wenn der jeweilige Gast des Abends am Ende des ersten Teils auf die Bühne geholt wird. Dabei kann es sich wie am Premierenabend um den Rapper Skero oder in Folge um den Direktor des Naturhistorischen Museums Christian Köberl (6. April) handeln. Doch ob Martin Kusch, Professor für Wissenschaftsphilosophie der Uni Wien (13. April), Kosmos-Theater-Intendantin Barbara Klein (7. April) sowie der ehemalige Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager (8. April) – sie alle finden sich auf der Bühne von drei Schauspielerinnen mit kindlichen Fragen konfrontiert. Dass die Antwort darauf mitunter am schwersten fällt ist wenig überraschend – und der Lösung der diversen europäischen Krisen ist man nach diesem Abend auch keinen Schritt näher gekommen. Unterhalten hat man sich ebenfalls nur bedingt, dafür hat man möglicherweise Lust bekommen auch einmal wieder, so wie die Protagonisten im zweiten Teil dieses theatralischen Stimmungsbildes, Squash spielen zu gehen. Vielleicht ist es manchmal einfach das Beste einen Ball gegen die Wand zu dreschen.
Aus heiterem Himmel (Goodbye Europe III)
Eine Produktion von [artfusion] in Kooperation mit Europe Direct, den jungen Europäischen Föderalisten sowie dem Europäischen Kulturinstitut
Noch am 6., 7., 8. sowie 11. bis 13. April 2017, Beginn 19:30 Uhr
Kosmos Theater
Siebensterngasse 42
1070 Wien
www.kosmostheater.at
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