Es blinkt, klinkt und raschelt, gelegentlich schweben sphärisch Klänge und eine KI-veränderte Stimme (auch die eigene) durch den Raum. Vor allem aber wird es regelmäßig richtig bunt. „KHROMA“ (griechisch für Farbe) nennt sich diesbezüglich passend die neue immersive und interaktive Schau in den Kellerräumlichkeiten des Hauses Kaiserstraße 69 im 7. Bezirk. Zusammengestellt wurde die Ausstellung von dem in Berlin lebenden Kurator Vasily Fedotov, laut eigener Aussage, „aus purem Interesse“. Fedotov fungiert als Leiter des auf dem Gelände des ehemaligen „Reichsbahnausbesserungswerks (RAW)“ untergebrachten „Lighthouse of Digital Art“ sowie des „New Media Art Centers“. Das Areal – eine der letzten Industriebrachen in Berlin-Friedrichshain – wird seit über 20 Jahren von unter anderem Kunst- und Kulturinitiativen genutzt. Industriecharme trifft hier auf Kunst und Subkultur: Etwas, das offensichtlich auch für die Wiener Präsentation gelten sollte. Auf rund 350 subterranen Quadratmetern verspricht die Ausstellung den Besucher*innen die „vielfältige(n) Perspektiven auf die Welt der codebasierten Kunst“ näherzubringen. In einigen Fällen heißt das: Angreifen ausdrücklich erwünscht.


Touch me (not)

So können sich Neugierige beispielsweise beim „Quantum Jungle“ des Berliner Künstlers und Entwicklers Robin Baumgarten auf die „Jagd“ nach dem am hellsten erleuchteten Quantenteilchen begeben. Das Schwingen der berührungsempfindlichen Metallfedern ist noch im nächsten Raum zu hören, tut jedoch der Faszination der hier von Philipp Artus untergebrachten interaktiven Installation „Aquatics“ keinen Abbruch. Die Besucher*innen werden vom Künstler dazu angehalten via Touchscreen das Aussehen von Fischen und Quallen in einem abstrakten Ökosystem zu bestimmen. Das sich auf dem Bildschirm entfaltende, schier endlose Farben- und Formenspiel lädt zum Staunen und Verweilen ein.

Nicht minder in den Bann ziehend, erweist sich auch die von dem internationalen Künstlerkollektiv TUNDRA gestaltete audiovisuelle Installation „Row“. Basierend auf technologischer Datenverarbeitung und LED-Propellerdisplays, die sich mal schneller, mal langsamer drehen, entstehen holografische Formen und Symbole aus den uns tagtäglich umgebenen Dateninformationen. Aus Sicherheitsgründen sollte man Abstand halten.



Ausdrücklich zum nicht Hingreifen wird man auch bei der kinetischen Soundinstallation des international ausgezeichneten Kreativstudios „Kling Klang Klong“ aufgefordert. „Touch me not“ untersucht die Wechselwirkung von Betrachter*in und Betrachtetem – in diesem Fall ein silbernes, von der Decke hängendes Objekt, das auf die Bewegung der Besucher*innen reagiert. Sich selbst das Mikro schnappen darf man hingegen bei „Enter“ – einer interaktiven Lichtinstallation des polnischen Medienkünstlers Ksawery Kirklewski. Mit Hilfe einer Infrarot-Kamera, eines Soundsystems und 800 Metern LED-Streifen thematisiert Kirklewski das vermeintliche Ende der Mensch-Computer-Kommunikation via Keyboard. Die Frage lautet: „Werden wir bald nur mehr mit Bildschirmen sprechen?“ Etwas, das möglicherweise bald Realität sein könnte, leben wir doch aktuell in Zeiten sich rasant entwickelnder Technologien. Vieles ist heute möglich, was es vor einem Jahr noch nicht war, weiß auch Fedotov im Hinblick auf Emanuele Muscas „Rite of Spring“. Thematisiert wird hier inwieweit sich unsere kulturellen Vorurteile auf die KI übertragen. Trotz wiederholter geschlechtsneutraler Eingabe mit der Bitte einen menschlichen Körper beim Ballett zu generieren, wurde von der KI immer wieder eine weibliche Tänzerin darstellt.

Eine Totenkopf-Installation, 3D-gedruckte Silhouetten von Menschen verschiedener Kulturen sowie Flip-Discs mit Kamera, die unser eigenes Konterfei spiegeln: immer wieder tritt der Mensch inmitten all der Technologie hervor. „KHROMA“ ist eine unterhaltsame Schau, die mitunter auch zum Nachdenken über unser Verhältnis zur Technologie und Natur anregt. Mitbringen sollte man jedoch auf jeden Fall ein gewisses Maß an spielerischer Neugier. Einziger Wermutstropfen: Der Eintritt fällt mit 20 Euro betont teuer aus.

KHROMA-Ausstellung
Kaiserstraße 69
1070 Wien
Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 11.00 bis 15.00 Uhr und 16.00 bis 20.00 Uhr, Samstag und Sonntag 11.00 bis 20.00 Uhr
Karten unter: https://khroma-ausstellung.com/tickets/

Titelbild: Quantum Jungle © KHROMA

Geschrieben von Sandra Schäfer