Das Wiener Label „Zelle Records“ beschäftigt sich mit aktuellem Rock- und Pop aus Neuseeland. Vor allem in der kleinen Stadt Dunedin etablierte sich schon seit den achtziger Jahren eine vielfältige Musikszene mit einem ganz speziellen Sound. Robert Fischer traf Labelchef Arno Löffler zum Interview.
Arno, was der Auslöser dafür dich mit Musik aus Neuseeland zu beschäftigen?
Vor vielen Jahren hat mich ein Freund auf dieses Genre gebracht, seit etwa 1989/1990 interessiere ich mich näher dafür. Mein Augenmerk gilt insbesondere den Gitarren lastigen, von Post-Punk beeinflusstem Rock von Bands beziehungsweise Solokünstlern aus der auf der Südinsel gelegenen Stadt Dunedin. Obwohl die große Zeit dieses sogenannten „Dunedin-Sounds“ bereits einige Jahre her ist, gibt es in der Stadt aktuell immer noch eine sehr lebendige Musikszene.
Wie entstand die Idee ein Label zu gründen?
1993 bin ich zum ersten Mal mit besagtem Freund nach Dunedin gereist. Damals war Neuseeland noch kein Ziel für den Massentourismus – wie es das Land heute etwa durch die Verfilmung der „Herr der Ringe“-Reihe geworden ist – sondern galt noch als eher exotisches Reiseziel. Die ersten Kontakte mit Musikern aus Dunedin habe ich noch via Luftpostbriefe geknüpft. Seither reise ich regelmäßig nach Neuseeland, so etwa einmal pro Jahr. Durch meine vielen Aufenthalte in Dunedin habe ich mit der Zeit viele Musiker:innen kennengelernt, mich mit Ihnen angefreundet. Dadurch bekam ich immer wieder neue Musik in Form von Tapes, Schallplatten und CDs. Irgendwann hatte ich dann die Idee ein Label zu gründen, um diese Musik einem größeren Publikum zugänglich zu machen.
Was ist das Besondere an der Musikszene in Dunedin?
Zum Gründungsmythos gehört, dass die Musiker:innen aus Dunedin und darüber hinaus eigentlich in ganz Neuseeland in den frühen achtziger Jahren von den aktuellen Musik-Trends in den USA beziehungsweise England abgeschnitten waren. Am ehesten informierte die Szene sich über die britische Musikpresse, über Zeitungen wie den „New Musical Express“ oder „Melody Maker“. Aber gerade aus dieser Isolation heraus ist viel entstanden. Es gibt unter anderem die schöne Anekdote, dass die erste „Joy Divison“-LP in Neuseeland erst 1980 erhältlich war, also zu einer Zeit als Ian Curtis, der Sänger der Band schon verstorben war. Durch diese Umstände ist der Punk-Rock in Neuseeland sozusagen ein zweites Mal erfunden worden! Die Szene in Dunedin wusste aus den Magazinen viel über diesen neuen Stil, sie haben aber die Musik dazu nie wirklich gehört! Das macht ein bisschen den Charme der frühen neuseeländischen Pop- und Rockmusik aus.
Wieviel Alben von Musiker:innen aus Neuseeland hast du auf deinem Label schon veröffentlicht?
„Zelle Records“ gibt es seit 2014. Bisher wurden vierzehn Alben veröffentlicht, die allesamt auf Vinyl oder als Download bei Bandcamp oder den diversen Streamingdiensten erhältlich sind. Dazu eine kleine Anekdote am Rande: Der Label-Katalog startet mit Nummer Zwei. Das kommt daher, dass der Labelsticker von der ersten LP wurde vom Künstler selbst designt wurde. Aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen hat er die Zahl 002 draufgeschrieben. Das Artwork der meisten Alben stammt im Übrigen von den KünstlerInnen selbst beziehungsweise von jemand aus Ihrem Umfeld.
Was ist deine aktuellste Veröffentlichung?
Das wäre Jay Clarkson. Sie ist eine Art „Klassiker“ was Independent-Rock aus Neuseeland angeht. Sie war schon in den achtziger Jahren ein Star in Neuseeland und veröffentlichte ein Album auf dem legendären „Flying Nun“-Label (das bekannteste Indierock-Label aus Neuseeland, Anm. d. Red.). Daneben war Jay Clarkson all die Jahre hindurch immer mit diversen Band-Projekten oder als Solo-Künstlerin präsent. Vor zehn Jahren durfte ich das großartige Soloalbum „Spur“ auf meinem Label releasen, das ist eine wunderbares, sehr persönliches Singer/Songwriter-Album – man könnte auch sagen, eine Art akustisches Road-Movie. Im Gegensatz dazu ist das neue Album „Falling Through“ ein Bandalbum. Die Aufnahmen dazu stammen aus der Zeit 2020 bis 2022. Mittlerweile ist die LP eine Art historisches Album, da es die Band nicht mehr gibt. Das ist auch ein bisschen typisch für Neuseeland: es kommt ein Album heraus, und die Band dazu gibt es nicht mehr. Auch sehr interessant ist zum Beispiel die stilistisch zwischen Folk, Punk und Country-Rock stehende Band „Seafog“, deren Album „Slow Death“ letztes Jahr bei uns veröffentlicht wurde.
Zum Abschluss hätte ich noch eine klassische Frage an dich als Vinylliebhaber beziehungsweise Plattensammler: Welche drei Alben dürften in deinem Reisegebäck auf einsame Insel nicht fehlen?
Also zum Beispiel ohne das „The Piper At The Gates Of Dawn“-Album von Pink Floyd könnte ich nur sehr schlecht leben. Die brauche ich unbedingt! Von den Beatles „Abbey Road“, auch wenn ich beim Hören jedes Mal weinen muss beziehungsweise den Tränen nahe bin. Und dann natürlich doch noch was aus Neuseeland: „Hallelujah – All The Way Home“ von den Verlaines. Das ist ein wunderschönes Album.
Vielen Dank für das Gespräch!

Das Album „Falling Through“ von Jay Carlson ist als LP in einer limitierten Auflage von 300 Stück erschienen. In Wien sind die Tonträger von Zelle Records in bei Rave-Cup, Recordbag, Sissysound Record Store und im Wiener LP Cafe erhältlich.
Zur Person:
Arno Löffler stammt aus einer kleinen Stadt in Bad-Württemberg und lebt schon länger in Wien. 2014 hat er das Label Zelle gegründet. https://zellerecords.wordpress.com
Titelbild : „Falling Through“ von Jay Carlson © Zelle Records
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