Das Deck einer Jacht schon halb im Museumsboden versunken – daneben drei Minen, die dieses Statussymbol einkreisen. Ein Moment vor und/oder nach der Kollision, eingefroren in der Zeit. Eine Beschreibung unseres gesellschaftlichen Status quo. Die international erfolgreiche österreichische Künstlerin Eva Grubinger regt dazu an mittels einfacher Dinge und räumlicher Eingriffe über komplexe Mechanismen nachzudenken. Nichts Geringeres als die Auswirkungen des Neoliberalismus‘ werden in ihrer aktuellen Arbeit für das Belvedere 21 thematisiert. David gegen Goliath: die Superreichen, die von der Gier nach Luxus, Macht und Freiheit getrieben sind, stehen den Armen dieser Welt gegenüber. Während es letzteren unmöglich gemacht wird jemals Befriedigung auf ihre Wünsche zu erlangen, leiden die Reichen ihrerseits an der Unendlichkeit.

https://www.wisocast.at/kulturfuechsin/21er/

Noch sitzt es sich bequem

„Malady of the Infinite (Leiden an der Unendlichkeit)“ – so der Titel der Ausstellung – beruft sich auf Émile Durkheims Idee vom uneingeschränkten Horizont der Möglichkeiten. Dieser verspricht allen Individuen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, was letztendlich zu einem unbegrenzten Begehren führt, das materiell nicht befriedigt werden kann und sich so zunehmend verstärkt. Die Jacht, die als frohlockendes Anything-Goes Freiheitssymbol losgelöst vom Zugriff staatlicher Gewalt als autonome Versorgungseinheit auf den unendlichen Weiten des Meeres schwimmt. Steuer und Recht in die eigenen Hände genommen wird die Legitimität dieses Reichtums für Wenige über die Zeit (wie das Gefährt im Museumsboden) zementiert. „Wenn es keine offiziellen Küstenwachen gibt, treten Piraten an ihre Stelle und begründen ihre Aktionen mit dem Mangel an Alternativen. Die nächste Generation akzeptiert das als legitim, selbst wenn sie nicht unter den gleichen harten Lebensbedingungen leidet, und damit wird dieses Verhalten zur Norm“, so Grubinger im umfangreichen Katalog, der zur Ausstellung erschienen ist.

Noch sitzt es sich jedenfalls bequem am Deck dieser mit Glasfasern verstärkten Kunststoffjacht, doch die Bedrohung ist spürbar. Flüchtlingskatastrophen, Umweltzerstörung – auch wenn die Zeit angehalten scheint, irgendwann sind auch die Vorräte auf der Superjacht aufgebraucht und es geht zurück an Land. Doch die Unendlichkeit ruft. In Eva Grubingers Bleistift-Zeichnungen im Katalog scheint der Schiffskörper bereits weiter durch den (Welt)Raum zu schweben.

Eva Grubinger. Malady of the Infinite
Noch bis 23. April 2020
Belvedere 21
Arsenalstraße 1
1030 Wien
Öffnungszeiten: Do, Sa und So 11.00 bis 18.00 Uhr, Mi und Fr 11.00 bis 21.00 Uhr
Eintritt: 8 Euro / ermäßigt 6 Euro
https://www.belvedere.at/besuch/belvedere-21

Zur Ausstellung erschienen ist ein umfangreicher Katalog mit Texten von Chus Martinez, Jan Verwoert und einem Interview von Kurator Severin Dünser mit der Künstlerin.

Eva Grubinger. Malady of the Infinite. Hrsg. Stella Rollig und Severin Dünser. 2019 Belvedere, Wien: Koenig Books, London. 175 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. ISBN 978 – 3 -96098 – 738 – 3. Euro: 29.

Geschrieben von Sandra Schäfer