In der A-Cappella-Musik spielt der Hals – als Ort der Stimmbänder und des Kehlkopfs – eine entscheidende Rolle. „HALS“ ist nicht nur Bandname, sondern auch euer Musikinstrument. Wann habt ihr euch das erste Mal zusammengeschlossen, um sozusagen eure Stimmen zur Band zu vereinen?

Anna László: Das war im Frühjahr 2016. Damals hat Anna eine Initiative gestartet, um mehr Musikerinnen auf Jazz Sessions zu bringen. Sie hatte vor ein Session-Opener-Konzert nur mit Sängerinnen zu gestalten. Wir haben damals einige Wochen lang intensiv geprobt und entdeckt, dass wir eine spannende Formation sind. Das war sozusagen der Anfang unserer musikalischen Reise.

Anna Anderluh: Ich hatte diesen Abend im Jazzclub „MIO“ eigentlich nur als einmalige Aktion geplant und nie gedacht, dass so viele Jahre später ein Album daraus wird.

Könntet ihr zwei Songs eures Debüts näher beschreiben?

Anna Anderluh: Bei „You Got Me Walking“ geht es zum Beispiel um jene Personen, die einem im Leben guttun. Es ist doch so, man läuft durch die Welt als hätte man kleine Lichter an den Zehen, weil es sie gibt.

Anna László: Den Song „Mr. Black” habe ich geschrieben, als ein Freund von mir völlig unerwartet in seinem 49. Lebensjahr starb. Die Botschaft, die ich mit dem Lied ausdrücken möchte, ist, dass wir die Zeit nützen sollten, geliebte Personen zu treffen, um mit ihnen Zeit zu verbringen. Wir denken oft, dass wir noch später genug Möglichkeiten haben, aber – „time is ticking“ …

In euerer Musik möchtet ihr „musikalische Präzision und absolute Freiheit“ verbinden. Das heißt A-Capella soll auch Platz für Improvisation bieten? Wie und wo entstehen bei euch neue Kompositionen? Habt ihr zum Beispiel einen bestimmten Ort, wo ihr komponiert?

Anna László: Es stimmt, wir gestalten unsere Lieder so, dass sie ein Wechselspiel von genau geschriebenen oder arrangierten Passagen und von freien Improvisationen sind. In der Vokalmusik erfordert es sehr viel Können und Mut, dass alle Stimmen die Struktur verlassen und gemeinsam improvisieren und sich danach wieder finden.

Anna Anderluh: Für mich gilt: Freiheit ohne Präzision wird schnell beliebig, Präzision ohne Freiheit auf der anderen Seite ist ein Korsett.

Verena Loipetsberger: Zunächst komponiert jede ihre Songs. Ich komponiere beispielsweise immer zuhause. Manchmal fallen mir beim Kochen Fragmente ein, die ich dann sofort auf mein Handy aufnehme und später ausbaue – sei es am Klavier, mit einem Notenprogramm oder indem ich mit einem Aufnahmeprogramm improvisatorisch neue Fragmente hinzufüge.

Anna Anderluh: Beim Singen kommen dann oftmals noch viele Ideen dazu, um die Kompositionen auszubauen. Das heißt wir alle sind überall ein bisschen mit drinnen.

free fall acapella

Ihr hattet im Juni zwei Gigs in Finnland. Wie kam es dazu?

Anna László: Amina wurde im Jänner auf die Ausschreibung des Vokalmusik Festivals von Tampere aufmerksam. Es ist ein großes Festival im Norden, das zweijährig stattfindet. Sie organisieren neben dem sehr abwechslungsreichen Programm auch ein Wettbewerb – und wir haben uns auch mit drei Liedern von der neuen CD beworben. Zu unserer großen Freude wurden wir fürs Finale ausgewählt.
Bei der Single „Going round in circles” ist als Gast Robin Gadermaier dabei, der den Song auch mitkomponiert hat. Wie hat sich das ergeben?

Amina Bouroyen: Ich habe mit ihm im Rahmen meines Abschlusskonzerts an der Uni gespielt. Am Ende haben wir die Bands zu einer vereint. So kam es, dass wir dieses Stück auf dem Album damals schon live mit Robin Gadermaier am E-Bass gespielt haben. Weil die Fusion so gut geklappt hat, wollten wir als Gast für das Album eingeladen.

Nach welchen Gesichtspunkten habt ihr die Songs für das Album ausgesucht?

Verena Loipetsberger: Wir hatten vor dem Album-Recording-Prozess unsere erste, kleinere Tour. Alle Eigenkompositionen sowie auch die beiden Covers, die am Album erschienen sind, waren Teil unseres Programms und gehörten somit für uns zusammen. Dadurch haben wir uns entschieden alle diese Songs aufzunehmen.

Gab es bei den Aufnahmen im Studio besondere Momente – Hoppalas etc.?

Verena Loipetsberger: Wir haben das Album in keinem schalldichten Studio aufgenommen, dadurch verstecken sich nun so manche Geräusche von der Außenwelt – wie zum Beispiel ein Regen am Schluss eines Songs – darin.

Anna Anderluh: Das berühmte Motorrad (lacht)! Es war aber auch lustig festzustellen, wie oft Schmatz und Klickgeräusche bei Vokalmusik zu hören sind. Wir hätten ein ganzes Album nur aus Schmatz und Atemsamples machen können.

Was waren die wichtigsten musikalischen Einflüsse bei den Aufnahmen zu eurem Debüt?

Anna Anderluh: Das ist schwierig zu sagen. Die Songs sind über einen längeren Zeitraum entstanden und wir alle hatten und haben die unterschiedlichsten Einflüsse. Was uns auf jeden Fall vereint hat, war der Wunsch ein lebendiges Album aufzunehmen welches dem herausgeputzten A cappella Mainstream trotzt.

Wenn wir von anderen Musikern und Einflüssen sprechen, welche vier Alben würdet ihr persönlich gerne auf eine einsame Insel mitnehmen?

Verena Loipetsberger: Djesse Vol. 4 (Deluxe) – Jacob Collier
Anna László: Where You Wish You Were – Bill Laurance & Michael League
Anna Anderluh: Jeff Buckley – Grace
Amina Bouroyen: Manifold – Ben van Gelder

Und last but not least: Wie lauten eure Zukunftspläne?

Amina Bouroyen: Zunächst einmal freuen wir uns jetzt riesig, unser Album am 29. Juli live beim Carinthischen Sommer in Ossiach präsentieren zu dürfen. Alles Weitere lassen wir im freien Fall auf uns zukommen.

Anna Anderluh: Wie heißt es doch: „Wenn du Buddha zum Lachen bringen willst erzähl ihm von deinen Plänen“.

„Free fall a cappella” (Session Work Records 2025)
HALS das sind: Anna Anderluh, Amina Bouroyen, Anna László und Verena Loipetsberger

Links:
HALS (Facebook)
HALS (Instagram)
Session Work Records

Geschrieben von Robert Fischer