Redaktuerin Nadia Baha hat sich kurz vor Weihnachten für die Kulturfüchsin am Buchmarkt umgesehen und zwei Empfehlungen ausgesprochen:
Nathalie Rouanets Indienrot …
ist ein Roman, der einmalig ist, obwohl, oder gerade, weil es ihn zwei Mal gibt. Zuerst 2023 auf Französisch mit dem Titel „Rouge indien“ im Pariser Verlag „Perspective cavalière“ veröffentlicht, übersetzte die Autorin ihr Werk anschließend selbst ins Deutsche. Rouanet, die studierte Übersetzerin ist, wagte sich somit an etwas, das am Buchmarkt äußerst ungewöhnlich ist. Doch worum geht es in „Indienrot“? Im Mittelpunkt der Handlung steht die Protagonistin Amrita Sher-Gil (1913–1941), eine faszinierende Malerin, die auch die „indische Frida Kahlo“ genannt wurde. Das Werk der Künstlerin ist nicht nur umfangreich, sondern hierzulande leider auch unbekannt, weshalb es sich allein schon deswegen lohnt, den Roman zu lesen. Die Autorin schafft es, diese Bilderwelten der als Pionierin der modernen Kunst in Indien bezeichnete Kunstschaffenden vor dem inneren Auge der Leser*innen lebendig werden zu lassen. So kurz das Leben von Sher-Gil war, so bunt war es doch: Reisen, Begegnungen mit verschieden Menschen und Kulturen sowie die Entdeckung(en) der Liebe. Sie lebte ein Leben, in das mehrere Leben verpackt schienen – all das wird packend erzählt.
Amrita Sher-Gil ist auch im 21. Jahrhundert ein Vorbild für viele junge Frauen und KünstlerInnen in Indien. Rouanet auf der anderen Seite arbeitet nicht nur als Übersetzerin und Autorin in der Nähe von Wien, sondern konnte sich hierzulande auch als Slammerin unter dem Künstlernamen Ann Air einen Namen machen.
Make soup, not war!
Der Übersetzer und Publizist Walter Schübler veröffentlichte mit „Vom Essen zwischen den Kriegen“ ein spannendes Buch, das sich eben beiden Bereichen widmet. Man lese und staune, wie manche scheinbar „modernen“ Ernährungsstile (Bücher zu „Low Carb“ und Keto-Diäten finden sich heute wie Sand am Meer) denen ähneln, die damals aus Not und Elend heraus entstanden sind. Viele der Rezepte kommen gänzlich ohne Mehl, Eier, Zucker und Fleisch sowie Fett aus.
Dem weiblichen Geschlecht kommt auf den 360 Seiten eine besondere Sichtbarkeit zu. Eines der im Buch zahlreich vorhandenen Bildmaterialien ist ein Buchcover. Zu sehen ist eine Frau, die im oberen Bildteil auf der Schreibmaschine tippt und unten mit einer Schürze in einem Topf rührt. „Tippen und doch – mein eigener Koch“ von Olga Kollitsch zeigt, wie man „in 40 Minuten ohne Vorkenntnisse ein gesundes Essen“ auf den Tisch zaubern kann. Allerdings wäre es fehl am Platze, die vermehrte Anerkennung der Hausarbeit und Würdigung der erfinderischen Hausfrau – im Sinne einer von Mangel geprägten Gesellschaft – als emanzipativen Schritt zu deuten, denn die Frau wurde damit gleichzeitig in ihrer Hausfrauenrolle instrumentalisiert und erneut auf sie fixiert.
Walter Schübler blickt in die Kochtöpfe nach dem Krieg und liefert damit einen spannenden Beitrag zur Kulturgeschichte des Alltags der 1920er und 30er Jahre. Journalistische Texte sowie Meinungen über neue Trends liefern spannende Zusammenhänge und Hintergründe mit und zu einer Zeit, in der rationierte Lebensmittel, Brot-, Milch- und Fettkarten sowie illegaler Schleichhandel opulenten Genüssen und neuesten Ernährungsstilen und Erkenntnissen gegenüberstanden.
Beide Bücher sind im Atelier Verlag erschienen
www.editionatelier.at
Nathalie Rouanet
https://nathalie-rouanet-herlt.com
Walter Schübler
https://www.editionatelier.at/beteiligte/walter-schuebler
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