Vor allem das Theater war und ist noch immer von den Verordnungen zur Eindämmung des Coronavirus schwer getroffen. Die Suche nach neuen Formaten hat mitunter zu einigen interessanten Stücken geführt. Vom interaktiven Theaterstück via Zoom (Nesterval „Der Kreisky Test“ und „Goodbye Kreisky“) über begehbares Video-Stationen-Theater (Makemake Produktion „weiter leben“) bis hin zum Hörspiel (TAG „Das Wachzimmer“). Nicht selten wurde (oft aufgrund einer knapp zuvor abgesagten Premiere) der Weg des Streamens von für die Bühne produzierter und abgefilmter Stücke gewählt. Als Kunstsparte, die vor allem von ihrem Live-Charakter lebt eine wenig befriedigende Lösung. „Die Intimität, die auf der Bühne herrscht, kann mit dem Digitalen nicht ersetzt werden“, ist Ferdinand Urbach überzeugt. Trotz allem nimmt das TAG, dessen Geschäftsführer Urbach ist, was das Streamen von Theaterstücken anbelangt, aktuell eine Vorreiterrolle ein. Seit Dezember vergangenen Jahres ist es möglich sich „Medea“ in einer Online-Version auf der neuen Plattform „stage+“ (erneut) zu Gemüte zu führen. Gegründet wurde die Plattform von Stephanie Fürstenberg gemeinsam mit „privat finanzierter Initiative von Theater liebenden Leuten. Federführend sind Alex Schönburg mit seiner Firma 407 Communications sowie Lukas Swatek mit der Produktionsfirma Lura Media“, erklärt Fürstenberg. Die Schauspielerin und Kulturmanagerin zeichnet unter anderem für die Auswahl und Akquirierung der Produktionen verantwortlich. Ziel der Plattform ist es, Theatern und freien Gruppen die Möglichkeit zu bieten, Aufführungen online zu stellen und damit nicht nur die „Vorfreude und Neugier auf die Spielsaison nach den Lockdowns zu wecken“, sondern auch „längerfristig bei Leuten, die nicht oder kaum ins Theater gehen, Interesse zu erzeugen“, so Fürstenberg.
Für Neuzugänge und Aficionados
Gerade bei jungen Menschen herrscht – nicht zuletzt aufgrund der in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlichen Abnahme der Förderung der Theaterbesuche durch Schulen – sicherlich einiges an Aufholbedarf. Das TAG hat es in den vergangenen Jahren verstanden auch diese Zielgruppe anzusprechen. „Faust zum Beispiel war ein Renner bei jungen Menschen“, erklärt Urbach. Aber auch Medea dürfte interessant sein. Das Stück wartet unverkrampft mit jeder Menge zeitgenössischen Bezügen auf. Wie lassen sich Karriere und Kinder in heutigen Zeiten für Frauen vereinbaren? Welche Positionen nehmen wir dem Fremden gegenüber in unserer Gesellschaft ein? Medea kommt im TAG einfach „ganz anders daher“, um es mit Urbach auszudrücken – gespickt mit Humor, geistreichen flotten Dialogen und dem packenden Spiel des Ensembles sei dem noch hinzuzufügen. Das alles dürfte „Medea“ für Theateranfänger ebenso wie für Fortgeschrittene gleichermaßen interessant machen und damit auch zur Überzeugung von Fürstenberg passen, dass auch das theateraffine Publikum für die Plattform zu begeistern sei. „Wir werden uns schnell daran gewöhnen, dass wir unsere Lieblingstheater nach dem Live-Erlebnis auch online besuchen und die besten Stücke noch einmal hautnah und im Detail ansehen können; besonders dann, wenn sie nicht mehr auf dem Spielplan stehen. Als Schauspielerin fand ich es schon immer sehr traurig, wenn Figuren, die nach intensiver Probenarbeit und den Wochen des Entstehens im Ensemble zum Leben erwachen, um dann die Emotionen des Publikums in einer ganzen Geschichte zu berühren, nach der Spielzeit praktisch gestorben und verloren sind“, bekennt Fürstenberg.
Archivierung von Theater schwierig
Inwiefern diese Rechnung aufgeht, bleibt abzuwarten. „Theater ist ein Zeitdokument, das flüchtig ist. Es funktioniert zu einer bestimmten Zeit und verschwindet dann im Mythos. Das Stück lebt in einem weiter und verändert sich. Wenn man irgendwann eine Videoaufzeichnung sieht, ist es zumeist nicht mehr so gut“, spricht Urbach aus Erfahrung. Das Umdenken, doch noch ein Stück filmen zu lassen, war in erster Linie der hohen Qualität zuzurechnen. „Die Produktion wurde für die Homepage im Stil einer Sitcom mit vier Kameras aufgenommen. Da die Kameras sich auf der Bühne bewegen, gelingt es besser verschiedene Intimitäten einzufangen. Das Ganze wird in der Postproduktion stimmig zu einem Ganzen zusammengefügt“, erläutert Urbach.
Hilfreich für die Gewinnung einer interessierten Theateröffentlichkeit könnten sich diesbezüglich aber möglicherweise die von „stage+“ zukünftig geplanten Goodies erweisen. Neben Aufnahmen sämtlicher Formen des Theaters „ebenso wie Standup Comedy, Musical bis hin zu Oper und Ballett“ sei auch geplant „Einblicke hinter die Kulissen und die Entstehungsprozesse zu eröffnen“, informiert Fürstenberg. Die dafür angedachte Palette beinhalte „Interviews mit Schauspielern, Regisseuren, Kostümbildnern etc. Aber auch Trailer laufender Proben eröffnen den Theatern die Möglichkeit auf medialer Ebene mehr Publikum für den Live-Besuch einer Vorstellung zu interessieren.“ Das klingt schon mal interessant. Bleibt abzuwarten, wie sich das Projekt entwickelt. Ein nächster Schritt, weitere Aufführungen online zu stellen, ist für diesen März geplant.
Links:
www.stage-plus.art
www.dastag.at
Zum Stück:
https://stage-plus.art/medea
Teilen mit: