Wer die Filme von Ulrich Seidl kennt, der vermutet ohne „Safari“ gesehen zu haben: das Material ist nichts für schwache Nerven. Und dann die Überraschung, es ist alles halb so wild. Zumindest in sozialpornografischer Hinsicht hält sich der hierzulande stark polarisierende Regisseur dieses Mal zurück. Die Menschen vor der Kamera erscheinen gesittet, reflektiert, entsprechen dem Bild des bürgerlichen Durchschnittsbürgers – ganz anders als die waffenschwingenden und blutrünstigen Monster, die manch einer im Vorfeld erwartet hat.
Seidls Protagonisten wissen um das negative Bild, das ihnen als Jäger vielerorts anhaftet. Doch treten sie – möglicherweise gerade deshalb – vor die Kamera. Das erste Drittel des Films wirkt nahezu verharmlosend, wenn auch etwas skurril. Fast könnte man sich vorstellen in dieser vermeintlichen Urlaubsidylle – umgeben von Luxus und gezähmter Natur – selbst ein Gläschen Rotwein an der Lodge-Bar zu schlürfen. Wären da nicht vor allem in der zweiten Hälfte des Films immer wieder Zwischenschnitte, die die einheimische Bevölkerung beim Häuten der Tiere oder vor ihren Wellblechhütten zeigen. In einer Tonne brennt ein Feuer, Strom existiert offensichtlich nur für die Reichen.
Was kostet ein Gnu?
Wie viel Geld das Geschäft mit der Jagd tatsächlich (und vor allem wem) einbringt, erfährt man als Zuseher – abgesehen von den Preisen für den Abschuss eines Kudus oder Weißschwanzgnus – nicht. Seidl ist kein Dokumentarfilmer, der Fakten im klassischen Sinne vermittelt. Als Zuschauer muss man zwischen den Bildern lesen. Und so wird wer tiefer blickt regelmäßig die Fratze des Neokolonialismus durch die Bilder schimmern sehen. Diese erscheint jedoch weder sonderlich hässlich noch schockierend sondern vielmehr wie das Gesicht eines – hier ist er erneut – weißen Durchschnittsbürgers. Wenig überraschend, denn spätestens seit Hannah Arendt wissen wir: das Böse (dessen menschliche Ausübung) ist banal. Der Jagdinstinkt oder das Gefühl über etwas Macht zu haben – allzu menschlich.
Warum jedoch der homo sapiens vor der Kamera beschließt seine Menschlichkeit als Jäger auszuüben, erfahren wir nicht. Wieso es ihm nicht mehr reicht heimische Hirsche zu schießen, wissen wir nicht. Man kann es lediglich erahnen. „Nach dem Schuss ist man so furchtbar aufgeregt (…) Da zittern die Knie. Da zittern die Hände“, beschreibt eine Mutter auf Jagd das Gefühl nach dem die Waffe abgefeuert worden ist.
Wenn das „Stück“ zu schwitzen anfängt
Im Mittelpunkt des Films stehen eben jene menschlichen Empfindungen – von der Pirsch bis hin zum Aufspüren des erlegten Tieres. Aufnahmen gejagter strauchelnder Tiere im Todeskampf bekommen die Kinobesucher nicht zu sehen. Das einzige Mal, dass man als solcher ein Tier beim Sterben sieht, ist als die Protagonisten vor Ort sind. Die Kamera fängt deren Emotionen ein. Jäger und Publikum sind froh, als es vorbei ist. Stolz wird das Tier abgeklopft und fürs Foto drapiert. Man helfe der Natur, man helfe den Tieren, ein Jagd-Tourist bringe der afrikanischen Wirtschaft mehr als jeder andere Tourist, das Leben sei nun einmal hart, die Welt wäre ohne den Menschen besser dran, lauten die Feststellungen auf der Liste der „Rechtfertigungen“ für den Abschuss der Tiere. Tiere, die während der Jagd übrigens gar keine Tiere sind. Zebra, Giraffe usw. werden zum Stück. Sie bluten nicht, sie schwitzen und wenn sie angeschossen werden, zeichnen sie. Es dauert eine Zeit lang bis man sich an diese Sprache gewöhnt und versteht, was eigentlich gemeint ist. Und so pirscht man sich Schritt für Schritt im Gedanken in eine Welt vor, in der der Lungenbraten der Elenantilope als Delikatesse serviert wird. Da kann man nur hoffen, dass Ulrich Seidl nach Filmen über Menschen mit ihren Haustieren und bei der Jagd, nicht auch noch einen Film über Massentierhaltung und Fleischkonsum machen möchte. Für diesen Fall wünsche ich uns jetzt schon allen einen „guten Appetit“, wenn sich das eigene Konterfei im geschliffenen Steakmesser spiegelt.
Safari. Ein Film von Ulrich Seidl. Österreich 2016. 90 Minuten.
Kinostart: 16. September 2016
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