Wien in der Mitte des 18. Jahrhunderts: Maria Theresia ist unglückglich. Erneut haben Meldungen einer Vampirseuche die Hauptstadt des Habsburgerreiches erreicht. Diese Untoten scheinen einfach nicht totzukriegen. Bereits ihr Vater Karl VI. hatte es während seiner Zeit als Kaiser mit verängstigten Dorfbewohnern zu tun, die bei der Obrigkeit Pfählungen von Vampiren durchzusetzen vermochten. Doch erst Maria Theresia wird strickt gegen diesen Aberglauben vorgehen: Im Jahr 1755 erlässt sie einen Vampirerlass, der es dem Volk ein für alle Mal verbieten soll, jene als Vampire bezichtigten, Leichen zu schänden. Rückendeckung für ihr Vorgehen erhält sie dabei von ihrem Leibarzt Gerard van Swieten. Der hochangesehene Mediziner verfasst eine, auf den Berichten der in das Vampirgebiet entsandten Ärzte Johannes Gasser und Christian Wabst basierende Abhandlung über das „Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus” und kommt darin zu dem Schluss: Vampire gibt es nicht. Damit ist der Hysterie (zumindest soweit bekannt) vorerst ein Ende gesetzt.
Vampirseuche in Serbien
Seinen großen Auftritt in der Literatur hat der Vampir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch vor sich. Bevor Dracula aus dem Dunkel seines transsilvanischen Schlosses sein Unwesen auch im restlichen Europa treiben kann, muss der Vampir zunächst noch zum Gegenstand einer Debatte unter Gelehrten werden. Gesprächsstoff lieferten den Männern damals die berühmt gewordenen Fälle von Kisolva und Medvegya. Die Ortschaften im nördlichen Serbien waren beim Frieden von Passarowitz im Jahr 1718 den Habsburgern zugefallen. Zunächst bekannt wurde ein Bericht eines gewissen Frombalds, der als Verwalter in der Region tätig und 1725 von den Dorfbewohnern genötigt worden war – die Dorfgemeinschaft drohte ihm aus Angst geschlossen das Dorf zu verlassen – sich den Vorfällen in Kisolva anzunehmen. In seinem Bericht vom 6. April beschreibt er den Körper des für einen Vampir gehaltenen Peter Plogojovitz als unverwest und stellte unter anderem fest, dass sich seiner Meinung nach frisches Blut in seinem Mund befand.
Auch bei den Vorfällen in Medvegya 1731/32 schien dem in die Ortschaft entsandten Seuchenarzt Dr. Glaser der Zustand einiger Leichen „halb suspect“oder „sehr suspect. Der nach Glaser von der Militärverwaltung in Belgrad in das vermeintliche Vampirgebiet entsandte Regimentsfeldscherer Johann Flückinger ordnete zudem die Verbrennung aller Leichen mit Vampirmerkmalen an. Erhalten haben sich die Berichte bis heute im Hofkammerarchiv. Nachlesen konnte die Bevölkerung von den Vorfällen aber auch in den Zeitungen, wie beispielsweise im „Wienerischen Diarium” vom 21. Juli 1725. Bereits im Jahr 1734 erschien zudem eine Dissertation von dem evangelelischen Geistlichen und Vamoirforscher Michael Ranfft. Die wissenschaftliche Arbeit mit dem lateinischen Titel „De masticatione mortuorum in tumulis“ gilt als erste wissenschaftliche Auseinandersetzung zum Thema Vampirismus.
Der Vampir in den Gelehrtendebatten
In der Folge der bekannt gewordenen Fälle schwappte eine Diskussion über den Hintergrund der Vampirseuche auch über die österreichischen Erblande. Unter den Gelehrten kristallisierten sich bald die unterschiedlichsten Thesen heraus. Sie reichen von einer philosophischen These – welche von drei Seelen des Menschen ausgeht, wobei die vegetative am langsamsten vergeht und die Lebenskraft von zumeist Verwandten anzapft – über eine dämonisch-übernatürliche, bei der der Teufel selbst in den Körper der Leichen fährt, bis hin zur naturwissenschaftlichen-medizinischen Theorie. Letztere Anhänger verbreiteten die Ansicht, dass es sich bei den Anzeichen des Vampirismus um nach dem Tod – durch eine zu jener Zeit noch nicht näher zu definierende Krankheit – um Fäulniserscheinungen bei der Zersetzung der Leiche handelt. Die Geschichte sollte in Folge ihres weiteren Verlaufs der vorwiegend aus Naturwissenschaftlern und Medizinern bestehenden Gruppe recht geben.
Milzbrand geht um
Heute sind sich die Wissenschafter – was die damals ausgebrochene Seuche anbelangt – einig, dass es sich bei den vermeintlichen Opfern der Vampirepidemie von damals aller Wahrscheinlichkeit nach um die Opfer einer Milzbrandepedemie (entdeckt wurde der Milzbranderreger Ende des 19. Jahrhunderts von Robert Koch) gehandelt haben dürfte. In seinem in dem Sammelband “Vampirglaube und magia posthumana im Diskurs der Habsburgermonarchie “ enthaltenen Beitrag “Der Vampyr-Aberglaube und die Militärärzte” erläutert der Gerichtsmediziner Dr. Christian Reiter den Seuchenhergang und die Symptome, die sich mit den Beschreibungen der damaligen Zeitzeugen der Epidemie von 1731/32 decken. Diese reichen (je nach Haut-, Lungen- und Darmmilzbrand) vom Fieber über unstillbaren Durst bis hin zu blauroten Flecken über den Schlüsselbeinen, die auch als Saugmale interpretiert werden können. Anders als heute gab es damals jedoch noch keine Heilmittel, obwohl das Einschmieren mit dem Blut der Erkrankten im Volksglauben eine gewisse Immunität versprechen sollte (vgl. Reiter). Hatte man sich mit dem Vampirerreger infiziert, so konnte laut Volksglauben nur ein Pfahl durchs Herz oder den Leichnam zu köpfen beziehungsweise zu verbrennen dem Spuk ein Ende setzen. Menschliche Knochenfunde dokumentieren noch heute diese Form des Unschädlichmachens von Vampiren.
Zwei Vampirinnen aus Österreich
Im Dokumentarfilm „Die Vampirprinzessin” (Coproduziert von ORF, ZDF und ARTE) aus dem Jahre 2007 spürte beispielsweise Regisseur Klaus T. Steindl in Krumau einer Legende nach, die besagt, dass es sich bei der Adeligen Elenore zu Schwarzenberg (diese besaß auch ein Palais am Neuen Markt in Wien) um eine Vampirin gehandelt haben soll. Tatsächlich ließen sich in Krumau, den Herrschaftssitz der Familie, mehrere Leichen finden, die mit abgetrennten Kopf zwischen den Beinen und gepfählt bestattet wurden. Im Film wird zudem die Vermutung geäußert, dass es sich bei Eleonore zu Schwarzenberg um die Namensgeberin für Gottfried August Bürgers Ballade „Leonore” gehandelt haben könnte. Inspiration gefunden haben könnte laut der Autorin Gabriele Lukacs (vgl. Gruselhäuser: ein Blick in die Abgründe in Wien) in der Figur der Elenore aber auch Bram Stoker selbst, der auch die Ballade von Bürger kannte.
Immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Bram Stoker seine Geschichte ursprünglich in der Steiermark spielen lassen wollte. Bereits 1872 hatte der irische Autor Sheridan Le Fanu mit „Carmilla“ eine Vampirgeschichte, in der eine junge Frau auf einen weiblichen Vampir trifft, veröffentlicht. Als Vorlage für die Figur der Carmilla Karnstein diente vermutlich Gräfin Johanna Anna von Purgstall, gebürtige Cranstoun. Doch Bram Stoker entschied sich schließlich die Geschichte weder in der Steiermark noch in Böhmen spielen zu lassen, sondern nach Transilvanien zu verlegen und Dracula die Hauptrolle zukommen zu lassen. Das ursprünglich für den Roman geplante Kapitel, das in der Steiermark spielt, wurde als Kurzgeschichte mit dem Titel “Draculas Gast” 1914 nach dem Tod Bram Stokers von dessen Witwe veröffenlticht. Sein 1897 veröffentlichter Roman “Dracula” hatte zu dieser Zeit bereits erfolgreich den Siegeszug angetreten. Als Vorbild für den blutrünstigen Grafen diente ihm der walachische Fürst Vlads III. Drăculea, der sich mit seinen Gräueltaten im Kampf gegen die Osmanen – seine Vorliebe für das Pfählen brachte ihm den Beinamen Țepeș (Pfähler)ein – einen Namen machte. Im ersten Kapitel des Buches besteigt der junge Rechtsanwalt Jonathan Harker in Wien den Zug. Der Rest ist Geschichte.
Quellen:
- Vampirglaube und magia posthumana im Diskurs der Habsburgermonarchie. Hrsg. V. Augustynowicz, Christoph, und Reber, Ursula: Wien [u.a.] : Lit-Verl. ; 2011
- Lukacs, Gabriele und Huber, Peter C.: Gruselhäuser: ein Blick in die Abgründe von Wien. Wien : Graz : Klagenfurt : Pichler-Verl. in der Verl.-Gruppe Styria ; 2014
- Steinhauer, Eric W.: Vamyrologie für Bibliothekare: eine kultuwissenschaftliche Lektüre des Vampirs. 1. Aufl. Hagen: Eisenhut-Verl. ; 2011
- Die Vampirprinzessin.Ein Film von Klaus Steindl und Andreas Sulzer. TV Movie. 2007. 52 Minuten.
Titelbild:
Ranft, Michael: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern, Worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut-Sauger gezeigt … werden. Leipzig: Teubner, 1734. Seiten: 291 S.
http://data.onb.ac.at/rep/109A7C89
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